Roggen’Roll für alle Sinne
“Wir dürfen den Roggen nicht vergessen”! Simone Matouch, Naturschatz Kräutermanufaktur baut ihn deshalb im Klostergarten in Maria Luggau an.
“Wer Roggen sagt, der denkt natürlich in erster Linie an Brot”, meint auch Danke Bauer Roman Fenz. “Mehl oder Schrot”, so Nicole Langer, Langer Mühle in Atzenbrugg. Für die Waldviertler Granitdestillerie ist es eindeutig Whisky. “Ganz klar, auf jeden Fall Edelbrand”, so Regina Priglinger-Simader, LoRe Cocktailmanufaktur, Waxenberg im Mühlviertel. “Perfekt für Haut und Haar, für die natürliche Schönheitspflege,” weiß Rita Davidson, food4skin. Roggen = Bier in der Brauerei Loncium. Es ist aber auch Waldstaude, also Urroggen und damit auch ein Kräcker für den Kräcker Bäcker Thomas Matitz und sogar Shoyu, eine Sojasauce von Martin Allram (Wiener Miso) aus dem Waldviertel.
Erstmal das Brot
Denn typischerweise wird Roggen zu Brotsorten wie Schwarzbrot oder Pumpernickel verarbeitet. Roggenbrot braucht wenig Zutaten, kommt ganz ohne Germ oder anderen Hilfsmittel aus. Allerdings ist Roggenmehl schwieriger zu verbacken als Weizenmehl, was mit der Klebereigenschaft zu tun hat. Zur Verbesserung seiner Backfähigkeit wird er deshalb oft mit anderen Getreidesorten vermischt. Je höher der Roggenanteil, desto dunkler wird auch das Brot. “Es kommt aber auch auf den Ausmahlungsgrad an. 960 ist das klassische Roggenmehl für Brote. R500, auch Vorschussmehl genannt, eignet sich hervorragend für helle Brote oder Schmalzgebäck. Das Roggenmehl R2500 wird auch
Schwarzroggenmehl genannt. Mit seinem hohen Schalenanteil eignet es sich besonders gut für dunkle Roggenbrote,” erläutert Nicole Langer, die Mehlexpertin von la müh la, Langers Mühlenladen.
Roggenbrot braucht Säure und Gefühl
Wer aber reines Roggenbrot backen möchte, es lohnt sich. Roggenbrot oder roggenbetonte Teige benötigen immer einen Säurelieferant. Zumeist wird ein Sauerteig verwendet. Durch ihn wird die Stärke im Roggenmehl langsamer abgebaut und kann besser quellen und verkleistern. Das Ergebnis: das Brot erhält eine dunkle, Kruste, die für die Geschmackgebung bedeutend ist. Es wird zudem bekömmlicher, saftiger und länger haltbar.
Ist der Teig nicht „sauer“ genug, ist die Krume klebrig. Das kenne jeder! Beim Schneiden bleibt die Krume am Brotmesser hängen. Roggenteige müssen besonders vorsichtig verarbeitet werden. Sie verlangen Aufmerksamkeit. Möchten nicht zu lange geknetet werden. Im Gegensatz zum Weizen nimmt das Roggenmehl das Wasser sehr schnell auf. Sobald sich also ein homogener Teig gebildet hat stoppt man das Kneten.
Roggen in den Tälern
Das Lesachtaler Brot braucht den Roggen. Es ist das erste Lebensmittel in Kärnten das von Slow Food International als schützenswert anerkannt und als Presidio geführt wird. Presidi Produkte haben eine belegbare historische Verankerung, haben einen eindeutigen Bezug zur Region und sind einzigartig. Die Höfe und Felder der Bergbauernfamilien des Lesachtals liegen auf bis zu 1.427 Meter Seehöhe, der Weg zu den Märkten und Städten war mühsam und im Winter oft unmöglich. Daher war die Selbstversorgung mit Lebensmitteln über Jahrhunderte notwendig. Im Tal wurde Getreide angebaut, das Korn wurde in den Mühlen des Tales gemahlen. In den 1980iger Jahren ist der Getreideanbau stark zurückgegangen. Heute haben einige Bauern der Region wieder begonnen vermehrt Roggen, aber auch Weizen anzubauen. Angebaut wird nach biologischen Richtlinien – ohne Saatgutbeizung, ohne künstliche Stickstoffdüngung und ohne chemischen Pflanzenschutz.
Das ganze Korn
Roggen gibt es natürlich auch in flüssiger Form. Aus Roggen wird Kaffee und Bier gemacht und natürlich Roggen-Brand und Whisky. Gekochte Roggenkörner kann man wie ein Risotto essen, ganz einfach mit Butter und Gewürzen oder Soßen verfeinert, so werden sie zu einem wahren Genussroggenroll. Die grün geernteten Roggenpflanzen werden aber auch als Futtermittel verwendet. Als nachwachsender Rohstoff ist Roggen auch für die Herstellung von Bioethanol, Biogas, Werk- und Dämmstoffen und Stoffen für die chemische Industrie wichtig.
Gesund und schön mit Roggen
Roggen für Haut und Haar
Das Getreidemehl stellt in der Reinigung für Haut und Haar eine perfekte Alternative zu tensidhaltigen Reinigungs- und Pflegemitteln dar. Mit einer einfachen Mischung aus dem dunklen Mehl und Wasser stellt man im Handumdrehen eine Reinigungsmasse her, die sich zum Haarewaschen und für die Reinigung der Haut verwenden lässt. Dafür mischt man das Mehl im Verhältnis 1:4 mit frischem Wasser.
Auf einen Esslöffel Mehl kommen also 4 Esslöffel Flüssigkeit. Das Ganze lässt sich mit einem Quirl ganz leicht glattrühren und man kann es nach einer Ziehzeit von 10 – 15 Minuten zur Reinigung von Haut und Haaren verwenden. Mit der Masse lassen sich Schweiß, Fett und Schmutz ganz leicht entfernen, denn die enthaltene Stärke bindet unerwünschte Stoffe und Gerüche. Anschließend spült man ganz einfach ordentlich mit klarem Wasser nach.
Auch in der Kosmetikherstellung mischt das dunkle Korn mit. Denn Roggen ist nicht nur geschmacklich, sondern auch inhaltlich wertvoll. Die Anti-Aging-Wirkung des Roggens für die Haut kommt unter anderem von den enthaltenen Aminosäuren wie Lysin. Haut und Knochen profitieren ebenfalls von der Vitamin-B-Gruppe. Diese sorgen aber auch für starke Nerven, gesunde Blutfettwerte und Vitalität. Das Getreide liefert uns zudem wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe und neben energiespendenden Kohlenhydraten und verdauungsfördernden Ballaststoffen ist vor allem der hohe Gehalt an Proteinen hervorzuheben.
Robuster, barbarischer Roggen
Bereits 6.600 v. Chr. wurde Wildroggen gesammelt. Er stammt eigentlich aus dem Iran, seit rund 2500 Jahren bauen wir Europäer die Roggenpflanze an. Ihre Ähren haben Grannen, – stabile Haare, die von den Körnern in Richtung Himmel streben. Durch ihre geringen Ansprüche ist das Getreide auch in nördlichen Gefilden zu finden. Die antiken Römer bezeichneten das Getreide als „barbarisch, weil es nördlich des Reichs angebaut wurde. Speziell im Mittelalter breitete sich der Roggen über weite Teile Mittel- und Nordeuropas aus. Sogar in alpinen Lagen findet man den anspruchslosen Roggen. Aus dem Salzburger Lungau kommt der „Tauernroggen“.
Viele Ortsnamen die reute oder reit beinhalten, sind auf den Roggenanbau zurückzuführen.
Roggenheimat Waldviertel
Waldviertel ist die führende Roggenregion Österreichs. Mehr als die Hälfte des österreichischen Roggens wird hier angebaut. Die Böden dieser Region und das doch eher raue Klima sind für den Roggen ideal, um seine Brotbackeigenschaften entwickeln zu können. Allerdings schwindet auch hier seine Anbaufläche. Wurden in den 60er-Jahren Jahren noch etwa 200.000 Hektar Roggenfelder bestellt, sind es heute nur mehr noch rund 33.000 Hektar. Wir mögen den Roggen, aber weltweit ist der Roggenanbau rückläufig. Die sechs Millionen Hektar Roggen-Fläche machen etwa ein Dreißigstel der Fläche für Reis oder Mais aus, Weizen wird fast 40-mal so viel angebaut wie Roggen. Zudem wird auch in der Tierfütterung auf energiereichere Getreidearten wie Mais oder Weizen zurückgegriffen.
Auch wenn der Roggen sich quantitativ von Weizen geschlagen geben muss. Er ist ein trotzdem ein absoluter ROGG-Star! Das beweisen auch unsere Produzenten auf bauernladen.at. Feinschmecker, Whiskyliebhaber oder Beautyexperten lassen sich vom Roggen inspirieren.
Vincent von Gogh malte Roggenfelder in allen Variationen und der Schriftsteller J.D. Salinger schrieb mit „Der Fänger im Roggen“ ein Standardwerk der Weltliteratur.