Das Opfer der tödlichen Kuhattacke im Jahr 2014 ist zur Hälfte mitschuldig. Das entschied jetzt das Oberlandesgericht Innsbruck. Das vorangehende Urteil ist teils aufgehoben.

Hunde und Almkühe sind in der Regel keine gute Kombination. Zäune helfen. ©Panthermedia

Sind Sie mit einem Hund auf einer heimischen Alm unterwegs und werden wegen falschen Verhaltens von einer Kuh attackiert, dann sind Sie zur Hälfte schuld daran. Das ist kurz gefasst das, was Wigbert Zimmermann vom Oberlandesgericht Innsbruck (OLG) heute klar stellte. Damit wurde das erstinstanzliche Urteil nach  der Kuhattacke im Tiroler Pinnistal, bei dem eine deutsche Touristin 2014 von Kühen zu Tode getrampelt wurde, teilweise aufgehoben. Begründet hat Zimmermann das so: Von Hundehaltern könne man verlangen, dass sie über Gefahren Bescheid wüssten, die mit dem Halten von Hunden typischer Weise verbunden sind.  “Die Touristin hätte wissen müssen, dass Mutterkühe eine Gefahr für Hunde darstellen.” Die vom Bauern montierten Warnschilder habe sie zudem nicht beachtet und die Warnung auf Distanz zu bleiben einfach negiert. “Sie ging im Abstand von nur einem bis zwei Meter an den Kühen vorbei”, konstatierte Zimmermann. So ein Verhalten sei als Sorglosigkeit zu werten und begründe ein maßgebliches Mitverschulden.

Der Bauer muss nur die Hälfte zahlen

Für den Bauern bedeutet die neue Entscheidung wohl ein Aufatmen. Denn nach einem jahrelangen Rechtsstreit mit den Hinterbliebenen wurde er ja erstinstanzlich dazu verurteilt, 180.000 Euro Schadenersatz und eine monatliche Rente an beide Angehörige von 1.500 Euro zu zahlen. Gesamt ging es um 490.000 Euro. Nach der OLG-Entscheidung stehen dem Witwer rund 54.000 Euro und eine monatliche Rente von 600 Euro zu, dem Sohn 24.000 Euro und 180 Euro Rente. An der grundsätzlichen Haftung des Bauers änderte sich allerdings nichts. Ihm müsse bewusst gewesen sein, so das OLG, dass seine Mutterkühe sensibel und aggressiv auf Hunde reagieren und die Aggression in diesem Jahr besonders hoch gewesen sei. Ein Warnschild alleine reiche da nicht. Der neuralgische Teil des Weges auf einer Länge von rund 500 Metern entlang seiner Weidefläche hätte abgezäunt werden müssen. Und das sei auch zumutbar gewesen.

Worst Case-Szenario: Durchqueren unerlaubt

Genau daran hatte sich der Anwalt des Bauern, Ewald Jenewein, schon bei der Entscheidung im Februar gestoßen und vor einer “Lawine von Folgen insbesondere für Viehhalter im alpinen Bereich” gewarnt. O-Ton damals: “Die freie Weide würde es dann nicht mehr geben, weil man dann jede Fläche von stärker frequentierten Wegen abzäunen muss. Und dann kommt noch das große Problem mit der Frage, ab wann ist ein Weg stärker frequentiert?” Der Worst Case? Wäre gewesen, dass Bauern das Durchqueren ihrer Almen nicht mehr erlauben. Rechtlich ist das tatsächlich möglich. Das freie Wegerecht gilt nämlich nur für den Wald, nicht aber für Weideflächen. Auch die politischen Vertreter der Landwirte zeichneten damals Horrorszenarien, die bis zum drohenden Ende der Almwirtschaft gingen. In Tirol fand man sich alsbald zum runden Tisch ein.

Ein neuer Plan muss her

 Bei dem wurde einerseits versichert, der Bauer müsse nicht selbst zahlen und andererseits von Landeshauptmann Günther Platter eine Versicherung für Almbauern mit Start letzen April angekündigt.  Genauer gesagt wurde bestehende Wegeversicherung auf Almen und Wiesen erweitert. Die Kosten von 50.000 Euro kamen vom Land. Info-Kampagnen, Prävention und Aufklärung folgten. Auch nicht untätig war die Bundesregierung. Türkis-Blau arbeitete das Aktionspaket “Sichere Almen” aus, inklusive einer Gesetzesänderung. Man präzisierte den § 1320 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch), in dem die Haftung von Tierhaltern geregelt ist. Nun lastet nicht mehr die ganze Verantwortung auf Seiten des Bauers.

Verhaltensmaßregeln für Almbesucher

Almbesucher und Wanderer haben eine Eigenverantwortung und ergo Verhaltensregeln einzuhalten. Ganz weit oben auf der Liste steht, den Kontakt mit Weidevieh zu vermeiden. Insbesondere wenn es sich um Mutterkühe handelt und man einen Hund dabei hat. Der muss an der kurzen Leine geführt werden und sofort losgelassen werden, wenn sich ein Tier angriffsbereit zeigt. Wanderer müssen auf den Wanderwegen bleiben und bei einer Blockierung durch Weidetiere, diese großflächig umgehen. Weiters heißt es auf Zäune achten und Tore schließen. Und wenn es doch zum Ernstfall kommt und man unruhige Kühe in der Nähe hat, die den Kopf heben und senken oder mit den Hufen scharren? Dann gilt es schleunigst von dannen zu gehen. Bleibt noch eine Frage: ist das jetzt eigentlich das Ende der Causa? Vermutlich nicht. Der Witwer als auch der Landwirt kündigten bereits an, beim Obersten Gerichtshof Revision einbringen zu wollen.