“Handelsbashing” durch Agrar-Funktionäre. So etwas sagt man nicht ungestraft. Rund 3.300 Bauern taten heute ihren Unmut gegen Spar-Chef Gerhard Drexels Aussagen kund.

Mehrere Traktoren und Bauern protestieren gegen die Handelspolitik auf der Straße

Bauernbashing durch Spar-Vorstand Gerhard Drexel? Ja, sagen die Landwirte und protestierten. ©Bauernbund

Froh sollten sie sein und bitteschön dankbar, die österreichischen Bauern. Wofür? Na dafür, mit dem Lebensmittelhandel Verträge abschließen zu dürfen.

Jedenfalls sieht das Spar-Vorstand Gerhard Drexel so und tat das in einem Interview mit  der Presse lautstark kund. Die Handelskette zahle den Bauern unrentable Preise? Alles Unwahrheiten, die Agrar-Funktionäre in die Welt setzen. In Wahrheit würden heimische Lebensmittelhändler im Vergleich zu den Preisen am Weltmarkt  sogar deutlich mehr für Agrarprodukte wie Milch und Fleisch bezahlen. Dass so ein Wording keine ganz große Freude bei Landwirten und Bauernbund auslösen würde, damit dürfte Drexel gerechnet haben. Denn die sehen das naturgemäß anders, fordern ein Umdenken bei der Einkaufs- und Preispolitik der Handelsketten und eine Weitergabe der Margen. Ob Drexel aber auch erwartet hat, dass heute vormittag rund 3.300 Bauern samt 1.200 Traktoren österreichweit mehrere Spar-Zentrallager blockieren und vor Filialen demonstrieren?

Keine Preisdiskussion mit den Bauern

Doch trotz alledem: Spar bleibt hart und pfeift auf die Forderungsliste des Bauernbundes, auf der unter anderem ein Stop der “chronischen Aktionitis” und ein Österreichbonus auf heimische Lebensmittel steht. Schon gar nicht steige man in Preisdiskussionen mit Bauern ein. Sie seien nicht die richtigen Ansprechpartner dafür, ließ Spar Sprecherin Nicole Bergmann wissen. Die führe man nur mit Erzeugerorganisationen oder Lebensmittelproduzenten, etwa Molkereien. Auch die Kritik an den Preisaktionen ging postwendend an den Absender zurück. “Den Spannenverlust bei den Aktionen trägt zum größten Teil Spar. Zudem helfen Aktionen den landwirtschaftlichen Erzeugern, den Absatz ihrer Markenprodukte zu erhöhen und Mehr- und Überproduktionen an die Kunden zu bringen.” Deshalb würden Aktionen “auch oft von den Produzenten selbst gefordert”.  Im Übrigen verhandle man gerade mit den heimischen Molkereien. Dass die Preisgespräche abgebrochen worden seien, das sei ein falsches Gerücht, das sich in der Bauernschaft verbreitet habe.

Keine Konsumententäuschung mehr

Die Bauernschaft beharrt derweil weiter auf ihre Forderungen. Auch die rot-weiß-roten Fähnchen auf Lebensmittel aus dem Ausland sind ihr ein Dorn im Auge. „Wir brauchen eine praxistaugliche Umsetzung der Primärzutatendurchführungsverordnung”, heißt es. Abgesehen davon sei man Teil der Lösung und nicht Teil des Problems, etwa bei der Bewältigung des Klimawandels, und wolle als solcher gesehen werden.  Der Handelsriese aber benehme sich „wie ein Feudalherr“, dessen Dumping-Preis-Aktionen eine fehlende Wertschöpfung für qualitative und regionale Lebensmittel und die kleinstrukturierte Landwirtschaft zur Folge habe. Verbale Zurückhaltung sucht man auch hier vergebens. Bauernbund Präsident Georg Strasser  nimmt angesichts eines jährlichen Spar-Konzerngewinns von 352 Mio. Euro die Worte “unehrlich und unfair” in den Mund.  Bauernbund-Direktor Paul Nemecek spricht von einem unsäglichen Kampf zwischen Groß und Klein: “Rund 38.000 bäuerliche Betriebe in Niederösterreich stehen wenigen Handelsriesen gegenüber. Die Erzeugerpreise stagnieren oder sinken, während die Handelsketten riesige Gewinnspannen einstreichen.”

Sind die Bauernproteste ein ernsthaftes Signal?

Hannes Royer, Obmann des Vereins “Land schafft Leben”, sagt ja. Wach werden müsse allerdings nicht nur der Handel: „Wenn wir weiterhin Lebensmittel aus Österreich konsumieren wollen, müssen wir uns wieder als Teil ein und desselben Systems betrachten. Dazu gehören Bauern, Verarbeiter, Handel, Tourismus und Konsumenten. Es geht dabei nicht um eine reine Preisdebatte, sondern um ein Überdenken unserer Werte, unserer Konsumkompetenz und dessen, was ein partnerschaftliches Miteinander innerhalb eines Systems ausmacht“, so Royer. Die Politik habe dabei die unterstützende Aufgabe einzunehmen, unsere Lebensmittelproduktion zukunftsfähig auszurichten. Dazu gehöre eine ökologisch-ökonomische und zukunftsvisionäre Landwirtschaft, aus der mit Selbstverständnis nachgefragt und konsumiert werde.

Über Konsumentenmacht und Verantwortung

Auch die Konsumenten nimmt Royer ins Visier. Tatsächlich sind diese gefragt, aber offenbar nicht bereit, das große Geld für Lebensmittel auszugeben. Lediglich 9,7 Prozent des Haushaltseinkommens buttert man im Schnitt in Lebensmittel.  Royer appelliert, sich der Machtrolle bewusst zu werden und nachzudenken, was einem heimische Lebensmittel wert sind. Dabei gehe es nicht nur um den Preis, sondern auch um unseren Lebensraum, soziale Standards, Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz. Royer sieht aber auch alle Teilnehmer der Wertschöpfungskette in der Verantwortung. Das Grundübel? Lasse sich in “Geiz ist geil” zusammenfassen. Der Handel baue seit Jahrzehnten seine Werbestrategie darauf auf. “Damit spricht er jene Areale im Konsumentenhirn an, die noch immer nach Steinzeitlogik funktionieren. Mit der Aussicht auf leichte und billige Beute lockt der Handel den Urmenschen im Konsumenten ins Geschäft. Das ist die einfache aber funktionierende Logik hinter den ausufernden Aktionen. Werte und bewusstes Kaufverhalten werden dabei über Bord geworfen.” Das Problem? Innerhalb dieser Logik habe die heimische Lebensmittelproduktion mittel- bis langfristig keine Überlebenschance. Noch dazu bei unseren hohen Produktionsstandards. Die belege übrigens auch eine jüngst veröffentlichte internationale Studie der Zeitung The Economist, die Österreichs Landwirtschaft als die nachhaltigste unter 67 untersuchten Ländern ausweist. Gibt es noch Aussichten auf ein Happy End? Könnte sein. Fakt ist jedenfalls: Die europäische Welle an Bauernprotesten ist jetzt auch in Österreich angekommen.