Liegen geblieben
Dank Mäusen, Vermarktungsnormen und Konsumentenerwartungen bleiben bis zu drei Prozent des Ertrages auf den Feldern. Der Großteil wäre marktfähig.
„Ein Millimeter Durchmesser mehr oder weniger kann das Schicksal einer einwandfreien Zwiebel schon besiegeln“, sagt Gudrun Obersteiner vom Institut für Abfallwirtschaft der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). Vermarktungsnorm heißt der Grund, warum diese eigentlich einwandfreie Zwiebel auf dem Feld vor sich hingammelt statt auf unseren Tellern zu landen. Die schlechte Nachricht: es gibt noch mehr davon: Witterungs- und Bodenverhältnisse oder Erntetechnik beispielsweise, Maus- und Rehbisse oder Sonnenschäden. Letztgenannte führen dazu, dass z.B. bei Kürbissen ganze Früchte entsorgt oder am Feld gelassen werden – ungeachtet dessen, dass nur ein kleiner Teil beschädigt ist und sie gesundheitlich unbedenklich wären.
„Ein Millimeter Durchmesser mehr oder weniger kann das Schicksal einer einwandfreien Zwiebel schon besiegeln“
Weltfremde Konsumenten?
Besonders problematisch sind zudem die Konsumentenerwartungen. „Eine ungewöhnliche Form oder Farbe von Produkten wird häufig fälschlicherweise mit geringerer Qualität assoziiert – eine Fehleinschätzung, die sich unweigerlich auf den Umgang mit Lebensmitteln entlang der gesamten Wertschöpfungskette auswirkt“, erläutert Obersteiner. Besonders bei Sorten, die schnell verderben – etwa Salaten -, stünden die Bauern vor einer logistischen Herausforderung: „So wird etwa bei sommerlichen Grillwetter deutlich mehr Salat benötigt als bei kühler Witterung – trotzdem wird erwartet, dass die erforderlichen Mengen jederzeit bereitstehen.“
Nachernten als Schlüssel
Eine probate Option, die dieses Problem lösen könnte, ist das so genannte „Nachernten“. Was darf man sich darunter vorstellen? Das Einsammeln von am Feld liegen gebliebenen ess- bzw. verwertbaren landwirtschaftlichen Produkten nach der eigentlichen Ernte. Während dieses Vorgehen hierzulande noch relativ unbekannt ist, finden sich in den USA oder Großbritannien bereits Netzwerke mit tausenden freiwilligen Mitgliedern, die sich der Sache annehmen. Der EU ist Lebensmittelverschwendung jedweder Form allerdings auch ein Anliegen, daher hat sie das Projekt Strefowa ins Leben gerufen, in dem erstmals Daten zum Lebensmittelabfallvermeidungspotential in der Landwirtschaft gesammelt werden. In Österreich tut das die BOKU. Genauer gesagt untersuchte das Institut für Abfallwirtschaft in einem Pilotversuch insgesamt rund 20 ha Feldfläche von zwei verschiedenen Betrieben – dem Erdäpfel-und Zwiebelproduzenten Prischink sowie dem Adamah Biohof.
So rettet man 1,5 Tonnen Gemüse
Das Ergebnis steht für sich: Nachgeerntet wurden 1,5 Tonnen einwandfrei genießbare Lebensmittel von sieben verschiedenen Gemüsesorten – Erdäpfel, Karotten, Kürbis, Zeller, Rote Rüben, Schwarzwurzel und Salat. In Zahlen zeigte sich, dass drei Prozent des Feldertrages auf den Feldern verblieben waren. Das scheint auf den ersten Blick vernachlässigbar? Ist es nicht, sagt Obersteiner: „Tatsächlich handelt sich jedes Mal um mehrere hundert Kilo Verlust. Abhängig von der Feldfrucht sowie den Erntebedingungen und -technik sind bis zu 70 Prozent dieses Gemüses marktfähig“. Profitiert haben diesmal übrigens Biowirte und das Wiener Hilfswerk von dem nachgeernteten Gemüse. Jetzt ist man dran, ein Nachernte-Netzwerk in Österreich aufzubauen und interessierte Stakeholder zusammenzubringen. Was es braucht, um dieses Ziel zu erreichen? Entsprechende Lager- und Transportoptionen, eine Testung alternativer Vermarktungswege für B-Ware und die Organisation von Nachernte-Nachmittagen. Wer gerne daran teilnehmen möchte, kann sich beim Institut für Abfallwirtschaft (ABF-BOKU) melden.
Sie suchen nähere Infos zum Thema? Hier finden Sie sie!
http://www.postharvestnetwork.com
http://www.interreg-central.eu/Content.Node/STREFOWA.html