Die Europäische Union hat am Freitag zwar ihr Klimaziel für 2030 deutlich verschärft, muss sich aber dennoch harte Kritik gefallen lassen.

Vorrangtafeln CO2

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Um mindestens 55 Prozent soll der Ausstoß von Treibhausgasen unter den Wert von 1990 sinken, hat der EU-Gipfel heute (Freitag) früh beschlossen. Bis dato galt ein Ziel von minus 40 Prozent. Rats-Chef Charles Michel lobte dafür unseren Kontinent via Twitter: „Europa ist im Kampf gegen den Klimawandel führend.“

Der Einigung waren stundenlange Verhandlungen mit Ländern wie Polen, Tschechien und Ungarn vorausgegangen, die mehr finanzielle Hilfe für den Übergang von ihrer kohlegestützten Energieerzeugung zu nicht fossiler Stromproduktion gefordert hatten. 

Bis 2050 verpflichtet sich die EU zur Klimaneutralität, also dazu, nicht mehr Treibhausgas zu produzieren, als durch Wälder und andere natürliche CO2-Speicher ausgeglichen werden kann.

EU-Parlament als nächste Hürde

Eine gemeinsame Position der Mitgliedsstaaten ist Voraussetzung für die noch anstehenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament. Die Abgeordneten hatten sich im Oktober darauf verständigt, für ehrgeizigere Ziele einzutreten. Sie fordern ein Reduktionsziel von 60 Prozent für 2030. Vor dem virtuellen UNO-Klimagipfel am Samstag war der Druck zusätzlich hoch: Bei der Videokonferenz will die EU ihre verschärften Klimaziele vorstellen.

Gemäß dem Pariser Klimaschutzabkommen sind alle Vertragsstaaten, auch die EU, verpflichtet, bis zum 31. Dezember überarbeitete nationale Pläne bei der UNO einzureichen. Für die EU, die sich selbst als Vorreiter beim Klimaschutz sieht, wäre es eine Blamage gewesen, auf dem Klimagipfel mit leeren Händen zu erscheinen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte den Kompromiss: „Er bringt uns auf einen klaren Weg in Richtung Klimaneutralität in 2050.“ Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz, der am Verhandlungsmarathon in Brüssel teilgenommen hatte, zeigte sich erfreut über das Ergebnis. „Ich bin froh, dass es uns nun fünf Jahre nach Abschluss des Pariser Klimaabkommens gelungen ist, eine Einigung auf ein neues Klimaziel für 2030 zu erreichen.“

Gleichzeitig betonte er, dass auch die Wirtschaft nicht vergessen werden dürfe: „Parallel dazu müssen Maßnahmen gesetzt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhalten. Es muss verhindert werden, dass europäische Unternehmen in Zukunft abwandern und anderswo unter schlechteren Standards produzieren und somit in Europa Arbeitsplätze vernichtet werden. Dazu bekennt sich der Europäische Rat in aller Klarheit.“

Erfreut äußerte sich auch Umweltministerin Leonore Gewessler. „Diese Einigung ist ein dringend notwendiger Schritt, um die Klimakrise abzuwenden. Jetzt müssen dem Beschluss Taten folgen. Wir haben keine Zeit zu verlieren, es gibt keine Ausreden mehr. Das bedeutet auch: Es sind nun alle Mitgliedsstaaten gefordert, ihren Beitrag zu leisten.“

Den NGOs ist das zu wenig

Die Umweltschutzorganisation WWF Österreich bewertet die Einigung der Staats- und Regierungschefs auf das neue EU-Klimaziel als „mutlosen Kompromiss auf Kosten der Zukunft“. Der aktuell geplante Schritt gehe nicht annähernd weit genug. „Das ist eine verpasste Chance. Um dem Pariser Klimavertrag gerecht zu werden, müssen die CO2-Emissionen bis 2030 um zumindest 65 Prozent sinken – und das ohne Tricks und Schlupflöcher. Unser Klima kann nur dann stabilisiert werden, wenn der C02-Ausstoß massiv und rasch reduziert wird“, sagt WWF-Klimasprecher Karl Schellmann. „Die Politik muss die Empfehlungen der Klimawissenschaft endlich ernst nehmen anstatt sie zu ignorieren.“

Der WWF kritisierte die Verhandlungsposition von Bundeskanzler Sebastian Kurz, der Österreich in Brüssel entgegen dem Regierungsprogramm und entgegen einem Parlamentsbeschluss nicht als Klimaschutz-Vorreiter positioniert hatte. „Als öko-innovatives Land profitiert Österreich von ambitionierten EU-Klimazielen besonders stark“, meint Schellmann. „Wer hier zögert und zaudert, schadet der Natur, dem Klima und der Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft.“

Umso mehr sei die Bundesregierung jetzt gefordert, ihre Hausaufgaben zu machen. „Wir brauchen eine große Energiespar-Offensive, eine Mobilitätswende und eine komplette Ökologisierung des Steuersystems“, verlangt Schellmann. „Parallel dazu muss der Schutz der Natur auf allen Ebenen verbessert werden, um wertvolle CO2-Speicher zu bewahren.“

Auch Global 2000 sieht weiteren Verbesserungsbedarf: „Damit wir eine gefährliche Überhitzung des Weltklimas verhindern können, braucht es noch viel weitergehende Schritte der EU“, meint Sprecher Johannes Wahlmüller.

„Eine Reduktion um mindestens 65 Prozent ist machbar und notwendig.“