Craftbeer ist der handwerkliche Gegenentwurf zum Großbrauerei-Allerweltsbier. Doch wer braut sowas überhaupt? Die ab Freitag im Kino laufende Doku “Bier” zeigt’s.

Bier der Film

So sieht es aus, wenn Craftbeer-Brauer Christoph Bichler und Team ihre Ware verkosten. © Filmladen Filmverleih

Dass Bier auf keinen Fall deppad ist, das wusste schon weiland Mundl Sackbauer. Dass es auch ein richtiges Geschmackserlebnis sein kann, das dürfte an ihm und seinem sechzehner Blech aber vermutlich vorübergegangen sein. Damit steht er freilich nicht alleine da. In diese Riege reiht sich auch Filmemacher Friedrich Moser. Dazu muss man nämlich bereits an einem so genannten Craftbeer genippt haben. Das tat auch Moser erst bei seinem letzten Film „A Good American“ in Washington. Und Herr Moser? “Das war eine Aroma-Explosion, wie ich sie bis dorthin noch nie erlebt habe.” Logisch, dass den Filmemacher das Thema ab da nicht mehr los ließ. Und er der Frage nachgehen musste, ob es auch heimische Craftbeer-Brauer gibt. Die Antwort? Ja. Ganz oben auf der Liste steht Christoph Bichler, Head of Brewing beim tirolerischen Bierol. In dessen Mountain Pale Ale schockverliebte sich Moser 2014 denn auch, als es herauskam.

Von der Hopfenverknappung zum Film

Der Rest ist Geschichte. Es kam, wie es kommen musste. Vor zwei Jahren saß Moser mit seinem Co-Regisseur Maarten Schmidt – no na – in einem Craftbeer-Pub. Nach einer Diskussion über die Hopfenverknappung und Bierstile stellte man dann die Frage aller Fragen. „Was ist eigentlich der Film zum Bier, den man gesehen haben muss? Niemandem fiel einer ein. Also drehte man ihn. Die Doku “Bier” soll ein Fenster öffnen – einerseits in die Welt hinter dem Bier, zu den Hopfenbauern, zum Malz, zur Hefe – und andererseits die heutige bierische Bandbreite zeigen. Warum es das braucht? Weil es an die 150 verschiedene Hopfensorten und an die 200 verschiedene Malzsorten gibt, die beim Bierbrauen verwendet werden, und es nicht nur helles und dunkles Bier gibt. Nur weiß das eben kaum jemand, obwohl statistisch gesehen jeder in Österreich lebende Mensch, von 1 bis 111, etwa ein Seidl pro Tag inhaliert. Denn noch immer sind viele handwerkliche Alternativen zum industriellen Massenerfrischungsgetränk lokale Besonderheiten.

“Bier ist meine Kunst”

Dass Craftbeer-Brauer Christoph Bichler im Film an vorderster Front mit von der Partie ist, liegt auf der Hand. Schließlich greift der Trend zum Craftbeer seit einigen Jahren auch in Österreich um sich und Bichler ist der Shooting-Star der Szene. Gleich zu Beginn des Films kommt in der Doku aber Peter Bouckaert zu Wort. Und der sagt, was vermutlich viele denken: “Bier ist meine Kunst”. Er könne eben nicht Malen oder sich auf sonstige Weise künstlerisch verwirklichen, so der belgische Braumeister, auch ein Wegbereiter des kreativen, vielfältigen Brauens abseits von “Big Beer”.  Damit sind übrigens die Braukonzerne wie Anheuser-Busch, Heineken oder Carlsberg gemeint. Die liefern 50 Prozent der Biermenge weltweit und fahren 70 Prozent des Profits ein. Doch die Kleinen halten dagegen, und den Konsumenten gefällt’s. In Österreich arbeiten insgesamt etwa 200 Brauereien, weltweit sind es fast 20.000, die meisten davon brauen kleine Mengen für ein neugieriges, offenes Publikum. Als Kunst kann man das durchaus bezeichnen. Damit liegt Bouckaert gar nicht so falsch.

Von bodenständig zu nerdig

Was filmerisch folgt sind schöne Bilder, und eine Erzählung von Handwerk und Leidenschaft zwischen Tirol, Belgien, Italien, Deutschland, England  und den USA. Was die Craftbeer-Szene und ihre Protagonisten da allerdings mitunter so treiben, sagen wir es mal liebevoll, der Mundl würde sich auf den Kopf greifen. Da wird über Geruchs- und Geschmacksnoten in Antrunk und Abgang philosophiert und die Vorzüge einzelner Hopfennoten werden bis ins kleinste Detail analysiert. Dass das ab und an ein bisschen elitär und nerdig rüberkommt, ist vielleicht gewollt oder ergibt sich aus der Sache. „Mit dem Hopfen verhält es sich ganz ähnlich wie mit den Trauben”, sagt etwa Bichler. “Boden und Klima machen extrem viel aus. Hopfen aus den USA oder aus Neuseeland etwa schmeckt viel intensiver als deutscher Hopfen. Dabei gibt es eine Stunde von München weg das größte Hopfenanbaugebiet der Welt – aber die Qualität ist lange nicht so hoch.” Dass die Regionalität dabei auf der Strecke bleibt, wurmt ihn selbst: “Wir wollen trotzdem regionaler werden, und sind derzeit mit burgenländischen Bauern im  Gespräch, die für uns Hopfen anbauen könnten.“

Film Bier Bierol Hefen

Christoph Bichler kultiviert seine eigenen Hefen. Zugegeben, das kommt etwas nerdig rüber. © Filmladen Filmverleih

Abgesehen davon bewegt man sich beim Craftbeer-Handwerk auf einem schmalen Grad zwischen dem Anspruch des ethisch korrekten Brauens und einem Gschäft, das man auch machen will, eigentlich muss. Man wolle dem hohen  Prozentsatz der Craftbeer-Trinker gerecht werden, der abseits der Geschmacksexplosion auch  “Werte” mitkonsumieren will, sagt etwa Cloudwater Brewery-Mitbegründer Paul Jones, während neben ihm das handwerkliche gebraute Bier in den Öko-Alptraum Aludosen abgefüllt wird. Was dem ethischen Anspruch dann wiederum ein bisserl widerspricht. Auch bei Regionalitätspreisträger und Gault & Millau Gewinner Bierol hat man keine Angst vor Dosen.

Was das kleine Pflänzchen bedroht

Und dann ist da noch eine Tatsache, die aufhorchen lässt: Der Craftbeer-Vertrieb ist in Österreich zu einem großen Teil in internationaler Hand. Der größte Craftbeer Vertrieb in Österreich, Ammersin, gehört mittlerweile auch zur Brau Union und damit zu Heineken. “Das ist eine Riesenbedrohung für die Vielfalt, weil 99 Prozent der Craftbeers bis jetzt über Ammersin gelaufen sind”, sagt Regisseur Moser. Und da werde irgendwann mal die Kostenfrage eine Rolle spielen, und es werde wegrationalisiert werden. Übrig bleiben würden Craftbiere, die Heineken selber zugekauft habe, wie etwa Beavertown oder Lagunitas. “Und das wäre ein riesiger Schaden für das zarte Pflänzchen der Österreichischen Craftbeer-Szene. Der Marktanteil ist derzeit unter ein Prozent.” Es ist also nicht alles eitel Wonne im heimischen Craftbeer-Land, aber wie sagt der Regisseur so schön über seine Intention: “Und dann haben wir uns gedacht, vielleicht sollten wir den Film über persönliche Geschichten machen.” Der ist absolut gelungen. Aber sehen Sie selbst, ab Freitag in den Kinos.