Die beste Zeit um Tomaten (Paradeiser) zu essen ist jetzt, frisch geerntet.  Dabei kann man auch gleich nachdenken – über Saisonalität und Herkunft.

Tomaten gibt es in einer unglaublichen Vielfalt. ©Andrea Knura

Kindheitserinnerung und Tomaten gehören irgendwie zusammen. Da wird mit leuchtenden Augen erzählt, von sonnengereiften Früchten, die man in Omas – oder auch dem eigenen Garten – gepflückt, und gleich verspeist hat. Und die haben so unglaublich gut geschmeckt. Ja, eh klar. Schließlich sind sie so gewachsen, wie es sich für Tomaten gehört. Nämlich mit den Wurzeln in der Erde und den Blättern in der Sonne. Das Gegenteil, das wir oft im Supermarkt kaufen, hat nie Erde gesehen, wird mittels Nährstofflösung großgezogen, und vielfach auch mit künstlichem Licht zur Reifung gebracht. Das funktioniert zwar auch, schmeckt aber logischerweise nicht so gut. Deshalb schauen wir jetzt mal genauer hin, wie das so ist mit den Tomaten – die botanisch gesehen übrigens dem Obst zugeordnet werden. Wenn man allerdings einen Koch fragt, dann sind Tomaten eindeutig ein Gemüse.

Beliebt, beliebter, Tomate

Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von rund 29 Kilogramm pro Person und Jahr sind Paradeiser, also Tomaten, das beliebteste Gemüse der Österreicher. Woher kommen aber die vielen Tomaten (für alle Westösterreicher) und Paradeiser (für die Ostösterreich) das ganze Jahr über? „Vielen Menschen ist nicht bewusst, welche Umweltauswirkungen unser persönlicher Speiseplan haben kann. Daher ist es umso wichtiger genau hinzuschauen, wie, wann und mit welchem Ressourceneinsatz das Gemüse gezogen wird, das auf unseren Tellern landet“ so Raphael Fink, Global 2000 Nachhaltigkeitsexperte. Moderne Technologien ermöglichen, dass es das ganze Jahr über frische Tomaten aus heimischem Anbau  gibt. Dass wir uns dennoch mit unserem Lieblingsgemüse nur zu 20 Prozent selbst versorgen, liegt vor allem an weiterverarbeiteten Tomaten. Die Hersteller von Ketchup, Sugo und Co verwenden Tomatenmark aus dafür gezüchteten Sorten, oft aus Freilandanbau in China. Im Bereich der Frischtomaten gibt es in Österreich eine Überproduktion, wenn im Hochsommer Bio-Tomatenbauern und Hausgärtner ernten und die Ganzjahreskulturen und Foliengewächshäuser Ernte-Hochsaison haben. Die komplette Technik, das ausgeklügelte Know-How, die Baustoffe und auch die Mehrzahl der Jungpflanzen kommen aus den Niederlanden. Die Sortenzüchtung erfolgt ebenfalls zumeist dort. Dieses System ist eingespielt und ein verlässlicher Partner für den Lebensmitteleinzelhandel. Aber wo bleibt in diesem System der heimische erdgebundene Anbau im Folientunnel? Er besetzt die Bio-Nische. Diese wird ihm aber von ausländischer Biokonkurrenz streitig gemacht, welche aufgrund klimatischer Vorzüge früher auf den Markt kommen kann. Eine Gruppe kleiner bäuerlicher Produzenten sucht und geht seit ein paar Jahren neue Wege. Die Forschung hilft ihr dabei.

Saisonale Paradeiser aus Freiland- und Folientunnelanbau überzeugen

Im Ressourcen-Check klar vorne liegt die Tomatenproduktion im Freiland oder im Folientunnel, die zwischen Juni und September – also gerade jetzt – Hochsaison hat. Im Folientunnel werden die Pflanzen direkt in der Erde, aber im Gegensatz zum Freilandanbau geschützt unter einer Folie angebaut. Beheizt werden Folientunnel meist gar nicht. Aus ökologischer Sicht ergibt diese Art von Anbau damit den vergleichsweise geringsten Ressourceneinsatz.

Der Großteil der jährlich rund 55 000 Tonnen in Österreich produzierten Tomaten wird in Glashäusern gezogen: diese sind meist etwa zehn Monate im Jahr mit Pflanzen belegt und werden während der kalten Jahreszeiten beheizt. Die meisten Tomaten aus dem Glashaus (außer Biotomaten) werden erdelos auf Substrat, z.B. auf Steinwoll- oder Kokosmatten, gezogen. Der Erntezeitraum im Glashaus ist wesentlich länger als der im Freiland und läuft in etwa von April bis November. Damit ergibt sich ein wesentlich höherer Energie- und Ressourceneinsatz als in der saisonalen Folientunnelproduktion.

Regional allein ist nicht genug

Regionalität ist ein Mega-Trend beim Einkauf: daher werden mittlerweile auch in Österreich im Winter Tomaten produziert, um für den wachsenden Absatzmarkt das ganze Jahr über für regionalen Paradeiser-Nachschub sorgen zu können. Das ist allerdings nur unter unverhältnismäßig hohen ökologischen Kosten möglich. Da die Tage im Winter kalt und kurz sind, Tomaten aber viel Licht und Wärme zum Wachstum brauchen, wird das Glashaus nicht nur beheizt, sondern auch mit speziellen Hochleistungslampen beleuchtet. Dementsprechend energieintensiv ist die Produktion. Wegen des mit der Winterproduktion verbundenen hohen Kapital- und Investitionsaufwandes können es sich nur große Betriebe leisten, so zu produzieren, was zu riesigen Produktionsstandorten mit mehreren Hektar Größe führt. Diese wiederum können als einzelne Betriebe große Teile der im Handel benötigten Tomaten produzieren, und diese über oft exklusive Lieferbeziehungen absichern. Aufgrund des Erntezeitraums von Oktober bis Juni kommt es außerdem zu Überschneidungen mit der regulären Glashausproduktion. All das bedeutet weiteren Druck in Richtung landwirtschaftlicher Strukturwandel hin zu immer größeren Betrieben. Eine Situation, in der langfristig nur wenige, große Player in der Paradeiserproduktion übrig bleiben, ist nicht ausgeschlossen.

Ob im Folientunnel oder im regulären Glashaus: klaren Vorzug bekommen aus Öko-Sicht, die Bio-Tomaten, bei deren Produktion keine chemisch-synthetischen Düngemittel und Pestizide verwendet werden, und die auch im Glashaus auf Erde wachsen.

„Gerade kleinere Betriebe produzieren oft ressourcenschonend im Rhythmus der Jahreszeiten. Wer einen Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum Erhalt der bäuerlichen Familienbetriebe leisten will, der kauft also auch bei Tomaten regional, am besten bio, und genießt sie dann, wenn Paradeiser wirklich Saison haben. Diese Ehrlichkeit überzeugt auch im Geschmack.“

Am besten bio, regional und saisonal kaufen!

Wer einen Beitrag zu Nachhaltigkeit leisten und auf gesunde Ernährung achten will, der genießt Tomaten jetzt – und weicht im Winter auf andere Gemüsesorten aus. Denn das Herkunftsland der gekauften Tomaten ist und bleibt von großer Wichtigkeit. Der Kauf von nicht-heimischen Tomaten fördert niedrige Sozialstandards und einen hohen Wasserverbrauch in ohnehin wasserarmen Herkunftsländern wie z.B. Spanien oder Marokko.

Es geht also nicht um die Frage, ob im Winter Tomaten aus Spanien oder Österreich „besser“ sind. „Die ökologisch beste Tomate ist die, die jetzt in Österreich Saison hat und biologisch produziert wird. Außerhalb der Saison ist und bleibt es jene, die im Winter gar nicht erst produziert oder gekauft wird. Vor wenigen Tagen war Welterschöpfungstag, also der Tag an dem rein rechnerisch die Ressourcen der Erde eines Jahres aufgebraucht sind: es ist dringend an der Zeit, dass wir verantwortungsvoll mit den Ressourcen unserer Erde haushalten“ so Raphael Fink.

Damit jede und jeder von uns beim Einkauf damit beginnen kann, fordert auch bauernladen.at mehr Transparenz bei der Kennzeichnung von Obst und Gemüse ein.  „Nicht nur die regionale Herkunft, sondern auch die tatsächliche Herkunft, also aus welcher Art von Produktion ein Erzeugnis stammt, muss beim Kauf klar nachvollziehbar sein – nur so können Konsumenten sich aktiv für Nachhaltigkeit beim Einkauf entscheiden“ so Raphael Fink abschließend.

Tipp: Der Verein Land schafft Leben hat alles zum Tomantenanbau in Österreich recherchiert.

Zahlen und Fakten

Sommerparadeiser sind das Lieblingsgemüse der Österreicher. Im Schnitt werden pro Kopf und Jahr 29,2 kg gegessen, das ist beinahe eine Verdoppelung in den vergangenen 20 Jahren. 2019 haben die etwa 70 steirischen Paradeiser-Bauern 6.800 t dieser erlesenen Früchte kultiviert, das ist mehr als ein Zehntel der österreichischen Gesamternte. 500 t davon sind Ochsenherz-Arten. Die Steiermark ist nach Wien, dem Burgenland und Niederösterreich das viertwichtigste Paradeiser-Anbauland Österreichs.