Ein ausgiebiges Frühstück könnte im Kampf gegen Übergewicht und zu hohe Blutzuckerwerte helfen. Das lässt eine deutsche Studie hoffen. Teil I

Beim Frühstück wird doppelt so viel Energie umgesetzt wie beim Abendessen. ©Andrea Knura

Welche Rolle spielt also die Tageszeit, zu der eine Mahlzeit aufgenommen wird, bei der Verbrennung der verzehrten Kalorien? Forscher sind der Bedeutung der Tageszeit für den nahrungsinduzierten Energieumsatz seit Jahren auf der Spur – mit teils widersprüchlichen Ergebnissen. Eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte, randomisierte Blindstudie hat kürzlich untersucht, ob die nahrungsinduzierte Thermogenese (NIT) – also der Energieverbrauch, der bei der Verdauung, Speicherung und beim Transport der aufgenommenen Nahrung anfällt – bei identischen Mahlzeiten tageszeitlich variiert. Darüber hinaus wollten die Forscher von der Sektion für Psychoneurobiologie der Universität zu Lübeck unter der Leitung von Prof. Kerstin Oltmanns erfahren, ob eine mögliche tageszeitliche Variation des Energieumsatzes von der Menge aufgenommener Kalorien abhängt; ob also diese Regulation im Vergleich zu hochkalorischen Mahlzeiten auch nach kalorienarmer Nahrungszufuhr erhalten bleibt. 

Kalorienverwertung morgens vs. abends

Dafür erhielten 16 normalgewichtige Männer zunächst über drei Tage hinweg ein niederkalorisches Frühstück (11 % des individuellen täglichen Kilokalorienbedarfs) und ein hochkalorisches Abendessen (69 %). Im zweiten Versuch erhielten sie umgekehrt ein hochkalorisches Frühstück und ein niederkalorisches Abendessen. 

Zur Messung der nahrungsinduzierten Thermogenese wurde die indirekte Kalorimetrie herangezogen. Dabei wird die freigesetzte Wärmemenge indirekt über den Sauerstoffverbrauch berechnet, um so auf den Energieumsatz schließen zu können. Darüber hinaus haben die Forscher auch den Glukosestoffwechsel der Teilnehmer beobachtet sowie das Auftreten von Hungergefühlen und ihren Appetit auf Süßigkeiten miteinander verglichen.

Höhere Thermogenese nach Frühstück

Die beeindruckenden Resultate fasst die Ernährungswissenschafterin und Studienleiterin Juliane Richter in einer Presseaussendung wie folgt zusammen: „Die Ergebnisse zeigen, dass eine identische Kalorienzufuhr sowohl nach hoch- als auch nach niederkalorischen Mahlzeiten zu einer 2,5-fach höheren NIT am Morgen im Vergleich zum Abend führt.“ Weiters sei der Anstieg des Blutzucker- und Insulinspiegels bei den Probanden nach dem Frühstück deutlich geringer als nach dem Abendessen gewesen. Um Übergewicht oder Blutzuckerspitzen bei Diabetes mellitus zu vermeiden, würden die Forscher nach diesen Ergebnissen selbst bei kalorienarmer Ernährung ein ausgiebiges Frühstück einem üppigen Abendessen vorziehen. 

Während der Studie habe das niederkalorische Frühstück übrigens auch zu verstärkten Hungergefühlen während des gesamten Tages geführt, so Richter. Selbst nachmittags nach dem Mittagessen hatten die Teilnehmer mit einem „kleinen“ Frühstück noch öfters Hunger – und einen besonderen Appetit auf Süßigkeiten, wie Oltmanns ergänzt. Das erkläre das Bedürfnis, im Tagesverlauf öfter zu Snacks zu greifen; durch ein großes Frühstück werde dieses Bedürfnis reduziert. 

Relevanz auch bei Diäten

Aus den Ergebnissen schließen die Forscher, dass der menschliche Energieumsatz, also die Kalorienverbrennung, nach einer Mahlzeit grundsätzlich am Morgen deutlich höher ist als nach einer Mahlzeit am Abend. Dieser Tagesrhythmus ist laut Oltmanns genetisch bedingt und betrifft möglicherweise auch den Rohumsatz. Das nachzuweisen ist aber äußerst schwierig, denn: „Wenn wir Probanden den ganzen Tag nüchtern lassen würden, wäre das vollkommen unphysiologisch und wir könnten keine Schlüsse daraus ziehen. Bekämen die Probanden zu essen, wäre wieder nur eine Auswertung in Verbindung mit den aufgenommenen Kalorien möglich.“ 

Der in der Studie festgestellte Tagesrhythmus bleibt auch bei niederkalorischer Ernährung erhalten – das bedeutet, auch bei Diäten. Ein Umstand, der Oltmanns zu weiteren Untersuchungen inspiriert: „Übergewichtige lassen häufig das Frühstück weg, weil sie abnehmen möchten, und essen abends eine große Hauptmahlzeit, wenn der Hunger übermächtig wird.“ Die Wissenschafterin möchte deshalb in einer Folgestudie nachweisen, dass Übergewichtige bereits dadurch abnehmen, dass sie dieselbe Kalorienmenge hauptsächlich in der ersten Tageshälfte zuführen.

Woran liegt‘s?

„Den Mechanismus, der hinter der tageszeitlich unterschiedlichen Thermogenese steckt, kennen wir noch nicht“, räumt Oltmanns ein. Theoretisch könnte es damit zusammenhängen, dass die Nährstoffe unterschiedlich vom Darm aufgenommen oder verwertet werden. Eine Hypothese besagt, dass die Mitochondrien – die Kraftwerke in unseren Zellen – abends weniger arbeiten als morgens. „Aber hier bewegen wir uns noch im Bereich der Spekulationen“, so die Forscherin.

Und woher kommt der verstärkte Heißhunger auf Süßes? Eine Antwort auf diese Frage liefert eventuell eine andere aktuelle Studie von österreichischen und deutschen Wissenschafterinnen an der Universität Wien. Sie wollten mehr über die bisher kaum erforschten molekularen (Geschmacks)Mechanismen herausfinden, über die Zucker unabhängig von seinem Energiegehalt die Nahrungsaufnahme beeinflusst. …

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