Die renommierte Eat-Lancet Kommission hat gerade eine Ideal-Diät vorgestellt, die 10 Mrd. Menschen gesund erhält und gleichzeitig die Umwelt schont.

Viel Gemüse, wenig Fleisch, soweit ist der Ernährungsplan erst mal nicht neu. © Brooke Lark/Unsplash

Zwischen sieben und 14 Gramm Rindfleisch oder 13 Gramm Ei pro Tag, 300 Gramm Gemüse und 200 Gramm Obst, außerdem 50 Gramm Nüsse, 75 Gramm Hülsenfrüchte, 250 Gramm Milchprodukte sowie 232 Gramm Getreide: So sollten sich künftige Weltretter laut der rennomierten Lancet-Kommission ernähren. Und die besteht immerhin aus einem Konsortium von 37 Experten aus 16 Ländern mit Fachwissen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, ökologische Nachhaltigkeit, Lebensmittelsysteme, Wirtschaft und Politik. Ein Umdenken sei unumgänglich, sagen die Forscher, weil die Welt bis 2050 auf 10 Mrd. Menschen anwachsen wird: “Die Ernährung der Welt muss sich dramatisch ändern. Mehr als 800 Millionen Menschen haben zu wenig Nahrung, während viele andere eine ungesunde Ernährung konsumieren, die zu vorzeitigem Tod und  Krankheiten führt”, so Walter Willett von der Harvard University. Ko-Autor Tim Lang von der Universität London wird noch deutlicher. “Wir sind in einer katastrophalen Situation”, sagt er. “Die Art und Weise, wie wir essen, ist einer der Hauptgründe für den Klimawandel, den Verlust von Biodiversität und für Krankheiten wie Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.” Was sich mit der so genannten “Planetary heath diet” konkret verändern würde? Beispielsweise würden wir doppelt so viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Nüsse essen, dafür aber halb so viel Fleisch und Zucker. Klingt gut, lässt sich aber nicht so nicht umsetzen? Wie soll man denn sieben Gramm Fleisch satt werden, und wie viel sind 13 Gramm Ei? Lassen Sie es uns anders ausdrücken: Pro Woche sollte man höchstens ein bis zwei Eier, eine Portion rotes Fleisch (etwa ein Fleischlaberl), eine Portion Hühnerfleisch und eine Portion Fisch konsumieren. Im Monat geht sich ein großes Steak aus. Und weil  das nicht genug Eiweiß ist, kommt der Rest aus pflanzlichen Quellen, Nüssen und Hülsenfrüchten – Bohnen, Linsen, Kichererbsen und Co. Obst und Gemüse sollten die Hälfte jeder Mahlzeit ausmachen. Und by the way: 13 Gramm Ei sind ungefähr ein Viertel eines Stücks der Klasse M.

Die Ausgangsbasis der Ernährung sind 2.500 Kalorien pro Tag. Quelle: The Lancet

“Planetary Health Diet” vs. Realität

“Die Lebensmittel, die wir essen, und die Art, wie wir sie produzieren, bestimmt über die Gesundheit der Menschen und des Planeten, aber das verstehen wir derzeit gravierend falsch”, sagt Tim Lang, Professor an der University of London und Co-Autor der Studie. Hierzulande versteht man das offenbar besonders falsch. Denn pro Mann und Nase konsumieren wir im Schnitt 65 Kilogramm Fleisch pro Jahr – das entspricht rund 178 Gramm pro Tag und liegt damit Lichtwelten von den empfohlenen sieben bis 14 Gramm entfernt. Und auch bei den Eiern schlagen wir zu. Der österreichische Pro-Kopf-Konsum lag 2017 bei 239 Stück. Das sind fast 0,7 Eier pro Tag und damit das dreifache des Vorschlags. In anderen Ländern sieht das aber nicht besser aus: Beispielsweise essen die Nordamerikaner fast das 6,5-fache der empfohlenen Menge an rotem Fleisch, während Länder in Südasien nur die Hälfte der empfohlenen Menge essen. Alle Länder essen mehr stärkehaltiges Gemüse (Kartoffeln und Maniok) als empfohlen, wobei die Aufnahme zwischen 1,5-fach über der Empfehlung in Südasien und 7,5-mal in Afrika südlich der Sahara liegt. Dass die Umsetzung aufgrund kultureller Essgewohnheiten schwierig sein könnte, lässt Willett nicht gelten: „Um gesund zu sein, müssen Diäten eine angemessene Kalorienzufuhr haben und aus einer Vielzahl von pflanzlichen Lebensmitteln, geringen Mengen von tierischen Lebensmitteln, ungesättigten statt gesättigten Fetten und wenigen raffinierten Körnern, stark verarbeiteten Lebensmitteln und zugesetzten Zuckern bestehen. Die von uns vorgeschlagenen Essensgruppen erlauben eine flexible Anpassung an verschiedene Nahrungsmittelsorten, landwirtschaftliche Systeme, kulturelle Traditionen und individuelle Ernährungspräferenzen – darunter zahlreiche omnivore, vegetarische und vegane Ernährungsweisen.“ Als konkrete „Motivationsmaßnahme“ schlagen die Autoren übrigens unter anderem vor, Steuern auf rotes Fleisch einzuführen.

Mensch und Umwelt profitieren

Dass sich unsere gegenwärtige Ernährung auch auf die Umwelt auswirkt, ist noch einmal ein ganz anderes Thema. Für die Umwelt würde der neue Ernährungsplan bedeuten, dass Anbauflächen, die jetzt für Tierfutter verwendet werden, für Gemüse- und Hülsenfrüchteanbau frei würden. Die Treibhausgasemmissionen würden weniger, der Wasserverbrauch auch. Und: Es bliebe uns eine größere Artenvielfalt erhalten. Gravierende Änderungen bringt die “Planetary health diet” für die Landwirtschaft mit sich. Um den Verlust der Biodiversität zu stoppen, muss die langfristig nachhaltiger agieren und auf fossile Brennstoffe verzichten. Die Forscher plädieren zudem für die Schließung von mindestens zehn Prozent der Meeresgebiete für den Fischfang- einschließlich der Hochseeregion zur Schaffung von Fischbanken. Außerdem müsse die Verschwendung von Lebensmitteln um 50 Prozent verringert werden. Dass von der Diät nicht nur der Planet, sondern auch der Mensch profitieren würde, liegt auf der Hand. Diabetes, Fettleibigkeit, Herzinfarkte und andere ernährungsbedingte Krankheiten würde es in der heutigen Ausprägung nicht mehr geben. Elf Millionen frühzeitige Tode könnten jährlich verhindert werden, sagen die Forscher. Reaktionen auf die eben im Fachblatt Lancet veröffentlichten Details zur “Planetary health diet” gibt es naturgemäß auch schon. Die Lebensmittelindustrie gibt sich erschüttert: “Sie geht ins Extrem, um maximale Aufmerksamkeit zu erlangen”, erklärte der Generalsekretär des europäischen Milchindustrie-Dachverbands EDA, Alexander Anton. Und Christopher Snowdon vom Institute of Economic Affairs in London sprach von “Plänen von Überfürsorge-Staat-Aktivisten”. Dem Weltwirtschaftsrat für nachhaltige Entwicklung (WBCSD) sagen die Pläne dagegen zu. Dort heißt es, die Regierungen müssten dabei helfen, den Wandel mit nationalen Ernährungsrichtlinien und der Neuausrichtung von Agrarsubventionen voranzutreiben.

Hier finden Sie den gesamten Bericht:

https://www.thelancet.com/commissions/EAT