Veganes Fleisch und milchähnliche Pflanzendrinks: “Lebensmittel-Imitate” wie diese behagen der Landwirtschaftskammer gar nicht. Deshalb lud man zum Talk.

Jüngster Hauptdarsteller im veganen Business. Der Beyond Meat Burger ©Beyond Meat

Es ist sein Sommer. Jeder will ihn heuer auf den Griller werfen. Er schmeckt exakt wie Fleisch, hat den selben Biss, die selbe Konsistenz, sieht so aus und liegt bei Metro und Co im Kühlregal neben dem echten Fleisch: Die Rede ist vom Beyond Meat Burger aus Erbsenprotein, den selbst Experten nicht von Fleisch unterscheiden können. Wer zu ihm greift, der tut was für die Gesundheit und für’s Klima. So oder so ähnlich denken sich das viele. Der gerade erfolgte Börsergang des Herstellers gilt als einer der erfolgreichsten der letzten Jahre.  Die heimische Landwirtschaftskammer hat im Gegensatz zu den Konsumenten naturgemäß keine Freude mit solchen Höhenflügen pflanzenbasierter Imitate. Dennoch lud man zur Diskussion darüber. Allerdings nur Vertreter derselben Meinung, interessantes zum Thema hatten die dennoch zu sagen.

Vegane Hamburger mit Tierleid?

Zu Wort kam unter anderem Lebensmittelchemiker Udo Pollmer.  Seine Kernaussage kennt man schon. Vegane Ernährung ist für ihn eine “endlose Heuchelei”. Was hinter dem Ganzen steckt, weiß er auch. BSE nämlich “Keiner wollte mehr etwas mit Hirn essen und die Fachwelt griff diese Entwicklung dankend auf. Das Ergebnis war eine Flut an unüberschaubaren Labels wie fettfrei, fairer Handel, Freiland, gluten-, zucker-, alkohol- und kalorienfrei bis hin zu bio und dem letzten Höhepunkt vegan. Diese Entwicklung habe zahllose Start-ups auf den Plan gerufen, die nun mit Hochdruck an einer effizienten Fleischproduktion aus Stammzellen arbeiten und somit mit Tieren angeblich nicht mehr in Berührung kommen. Doch Pollmer sagt, die Stammzellen brauchen für das Wachstum Hormone, die von ungeborenen Kälbern auf fragwürde Weise gewonnen werden. “Für das Kälberserum wird mit einer Hohlnadel durch die Rippen direkt ins Herz des Fötus gestochen und Blut abgesaugt. Alles für Hamburger ohne Tierleid”. Dabei seien Zellkulturen alles andere als effizient. Diese müssten genauso gefüttert werden, allerdings nicht wie ein Rind mit billigen Futtermitteln, sondern mit einer höchst anspruchsvollen Nährlösung. Neben dem Fötenextrakt enthalte die Lösung gentechnisch erzeugte Aminosäuren, Zucker, Spurenelemente, Schaumverhüter und Puffersysteme.

Ist Gemüse zum Statussymbol einer grünen Bourgeoisie geworden?

Nils Binnberg, Buchautor und Journalist aus Berlin, erzählte, er habe unzählige Diäten gemacht, bis bei ihm Orthorexia nervosa festgestellt wurde: das übertriebene Bedürfnis sich gesund zu ernähren, Alleine sei er damit nicht. “In Deutschland sind schätzungsweise über eine Millionen Menschen davon betroffen und der Veganismus ist die Königsdiät der Krankheit”, so Binnberg. Man fühle sich tugendhaft wie der Dalai Lama, obwohl man nur Quinoa-Kekse knabbere oder Lebensmittel mit weniger als fünf Inhaltsstoffen esse. “Nicht ohne Grund heißt einer der größten Food-Trends ‘Clean Eating’. Der Verzehr von Avocados löst Gefühle von Reinheit aus. Sich pflanzenbetont zu ernähren, gilt als gesund. Nicht etwa, weil der positive Einfluss auf die Gesundheit wissenschaftlich erwiesen wäre. Vielmehr ist Gemüse zum Statussymbol einer grünen Bourgeoisie geworden, frei nach dem Motto: Schaut her, ich bin nicht einer dieser wahllosen Allesvertilger, ich achte auf meine Gesundheit. Andersherum gilt Fleisch heute als ungesund”, so Binnberg. “Galt Fleischkonsum vor etwa fünfzig Jahren als Statussymbol, so definieren sich heute viele Menschen darüber, was sie nicht essen.” Auf Instagram würden unter dem Hashtag ‘Food’ gegenwärtig fast 350 Millionen Fotos angezeigt. Essen sei ein Teil unserer Identität geworden, der ähnlich sinnstiftend wirke wie Religionen.

63,4 Kilo Fleisch essen wir netto pro Kopf und Jahr

Landwirtschaftskammer-Vertreter Adolf Marksteiner hat damit kein Problem. Für ihn ist Fleisch als eines der wertvollsten Lebensmittel hervor und die heimische Produktion effizient, tier- und ressourcenschonend. “Wir haben hierzulande die beste Stätte der Fleischproduktion mit einem hohen Grünlandanteil und einem der höchsten Selbstversorgungsgrade bei Soja und Futtereiweiß von über 80 Prozent”. Es sei eine ethische Fragestellung, ob der Mensch einen Nutzungsanspruch an das Tier habe – einen solchen erhebe aber auch jeder Heimtierhalter an Hund und Katze. “Wer auf Tierschutz schaut, soll auf die Herkunft achten. Transparenz ist hier angesagt. Klarerweise verbraucht Fleisch mehr Ressourcen, als wenn man Gras, Futtergerste und Silomais direkt in die menschliche Ernährung bringen würde – manches davon kann trotzdem nur ein Wiederkäuer verwerten”. Die hauseigene Direktvermarktungs- und Ernährungsexpertin Katrin Fischer brachte schließlich die Überschätzung einzelner Nährstoffe ein. “Das Zusammenspiel macht ein Lebensmittel aus”. Sähe man sich etwa beim Pflanzendrink aus Mandeln die Inhaltsstoffe genauer an, so seien in der Regel nur 2% Mandel enthalten, was sechs Mandeln auf 1 Liter entspreche. Damit das Produkt aber eine milchähnliche Konsistenz bekomme, seien Stabilisatoren und Emulgatoren erforderlich, deren Erzeugung nicht immer der Umwelt zuträglich sei. “Bei der Herstellung von Vitaminen etwa fallen viele Schwermetalle und Schadstoffe an.” Zudem gehe die Mandelproduktion in Kalifornien mit einem hohen Wasserverbrauch und einer hohen Besatzdichte in einer monotonen Umgebung einher. “Das geht sich für mein Verständnis von vegan nicht mehr aus”, so Fischer. Die pflanzenbasierten Imitate sieht sie aber ohnehin als Übergangsprodukte, “bis wir wieder herausfinden, wie wir am besten Gemüse als Hauptdarsteller in einer Speise verwerten.”