Wie viele andere Grundbedürfnisse hat sich die Ernährung durch die Pandemie bzw. deren soziokulturelle und wirtschaftliche Entwicklungen stark gewandelt.

Reichlich gedeckter Tisch mit Weinglas

Unsere Essgewohnheiten sind auch durch die Pandemie im Wandel. ©Panthermedia

Kaum etwas ist zugleich so grundlegend und doch problematisch wie die Ernährung: Immer mehr Menschen werden real oder gefühlt krank davon, haben Angst davor, essen zu wenig oder zu viel, glauben an die Verschwörung der Industrie, sie zu vergiften. Es zählt nicht nur mehr nur der Bezug zur eigenen Gesundheit, sondern auch die Folgen des Lebensmittelkonsums, z.B. in puncto globale Ökosysteme, Artenvielfalt und Abholzung der Regenwälder.“

Top-Food-Trend 1: „Flexitarier“

Fleisch wird durch Skandale und Umwelt-Aspekte immer mehr zum Problem-Thema. Die Ernährung ist bekanntlich Klima-Killer Nr. 1: Die Weltbevölkerung wächst stetig, während die Ressourcen sowie das Konsumverhalten wenig nachhaltig sind. Insbesondere das Wachstum der Mittelschicht, die sich den Verzehr von Fleisch nun leisten kann, belastet die Umwelt – nicht nur die Soja- und Getreideproduktion zur Herstellung von Tierfutter rückt immer mehr in die öffentliche Debatte, sondern auch Themen wie Überweidung, Überfischung, Waldschädigung und Treibhausgase.

Veganer sind keine Randgruppe mehr – auch nicht in Österreich. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2019 ernähren sich in Österreich bereits acht Prozent der Bevölkerung vegetarisch oder vegan, weitere 17 Prozent tun dies zumindest zeitweise. Eine andere Hochrechnung kommt auf eine geschätzte Anzahl von etwa 80.000 Veganern, 765.000 Vegetariern und 4,2 Millionen „Flexitariern“ – Menschen, die den Konsum von Fleisch oder Milchprodukten aus unterschiedlichsten Gründen reduzieren. Die Coronakrise erweist sich dem Marktforschungsinstitut Nielsen zufolge sogar als Katalysator. 

Konzerne wie Unilever haben sich darauf eingestellt und ihre Umsatzziele für pflanzliche Produkte erhöht. Pure-Player wie Beyond Meat, Else Nutrition und The Very Good Company genießen allerdings mehr Verbrauchervertrauen und werden daher am meisten profitieren. Der extreme Börsenerfolg von Beyond Meat markierte erst den Anfang einer langen Rallye in diese Richtung. 

Top-Food-Trend 2: Convenience 2.0 

Mit Convenience Food 2.0 sind Produkte gemeint, die der Schnelligkeit des Alltags Rechnung tragen, dabei aber nicht zwangsläufig ungesund sind. Die Light-Lüge bei Convenience-Produkten haben wir längst durchschaut, aber inzwischen bekommen wir es immer öfter mit der Aufschrift „weniger Zucker“ zu tun.

Blenden lassen sollten wir uns davon aber nicht, denn weniger als unterverantwortlich viel kann immer noch ungesund viel sein.

Top-Food-Trend 3: Snackification

Auch der Wandel von einer traditionellen zu einer modernen Esskultur ohne strikte Abläufe ist nicht neu. Vor allem Vertreter der urbanen und mobilen Mittelklasse läuteten damit das Ende der klassischen drei Mahlzeiten pro Tag, wie sie früher üblich waren, ein und legten ein immer flexibleres, spontaneres und individuelleres Essverhalten an den Tag.

Diese Entwicklung wurde durch den Lockdown abrupt unterbrochen. In der häuslichen Quarantäne gewannen die traditionellen Mahlzeiten wieder ihre alte, strukturgebende Funktion. Eine Rückkehr ins kulinarische Biedermeier und eine Renaissance der Drei-Gang-Menüs im Alltag ist Stahr zufolge aber trotzdem unrealistisch: Der Trend wird weiterhin in Richtung Mini-Mahlzeiten gehen, die individuell kombiniert werden.

Top-Food-Trend 4: Do-it-Yourself

Stay-at-home und Lockdown führten zwangsläufig auch zu mehr Do-it-Yourself in der eigenen Küche und zum Anbau von Kräutern, Salaten und Gemüsen auf Balkonen, Fensterbänken sowie in Gärten. Das ist keine reine Pandemie-Erscheinung, sondern es waren bereits vor Jahren die jungen Großstädter, die das Garteln im urbanen Raum für sich entdeckten.

Fotos von selbst zu bereitetem Essen füllen die Social-Media-Kanäle, um der Krise auch symbolisch zu trotzen und das Banner des Genießens hochzuhalten. Auch Rezeptaustauschbörsen und Online-Kochanleitungen werden abseits der Foodie-Szene verstärkt genutzt. Ernährung wird somit immer mehr zum Selbstverwirklichungstool und dient zur Selbsterfahrung und Selbstdarstellung.

Was man isst, sagt künftig genauso viel über den Menschen aus wie das, was man nicht – mehr – isst!