Pestizide, Schimmel, Keime? Wovor fürchten wir uns, wenn es um Lebensmittel geht? Und wovor sollten wir uns fürchten? Nicht immer stimmt beides überein.

Jeder hat andere Bedenken, geht es um die Lebensmittelsicherheit. Die größte Angst gilt dem Pflanzenschutz. ©Panthermedia

Manch einer fürchtet sich ja vor nichts, außer dem Urteil der Mittesser, wenn er kocht. Andere davor, dass es ihnen nicht bekommt. Wieder andere vor Spritzmitteln. Einige scheuen Hendln wie der Teufel das Weihwasser, aus Angst vor Salmonellen. Und dann gibt es noch die, denen die Düse geht, wenn sie Schimmel erblicken. Geht es um das Thema Lebensmittelsicherheit, scheiden sich die Geister, wie bei sonst kaum einem Thema. Doch was sagen eigentlich die dazu, die es wissen sollten? Lebensmittelsicherheits-Experten etwa. Und wie sehen Ärzte und Journalisten das Thema? Die heimische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) hat genau diese Fragen jetzt geklärt. Und herausgefunden: Es gibt wenig Einigkeit darüber, worüber wir uns beim Thema Lebensmittel wirklich Sorgen machen müssen.

Antibiotika-Resistenzen vs. Spritzmittel

Antibiotika-Resistenzen, krankmachende Keime und neue Tier- und Pflanzenkrankheiten: Experten für Lebensmittelsicherheit der EFSA (Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde) sagen, das sind die Top-3 unter den Gefahren weltweit. Heimische Ärzte, Journalisten und auch die Bevölkerung sehen das völlig anders. Für sie ist der Pflanzenschutz seit Jahren die Nummer Eins auf der Angstskala. “Diese Wahrnehmung deckt sich nicht mit den Ergebnissen von tausenden Untersuchungen, die wir durchgeführt haben”, sagt AGES-Geschäftsführer Thomas Kickinger, der es eher besorgniserregend findet, wie wenig die Österreicher über das Risiko von Krankheitserregern in Lebensmitteln nachdenken. Und das “obwohl es jedes Jahr tausende Erkrankungen und auch Todesfälle gibt.” Die Beunruhigung der Menschen, sagt er, hätte leider oft nichts mit einem tatsächlichen Risiko zu tun. Dazu beitragen dürfte die Hauptinformationsquelle: Das Internet.

Auf bisher Unbekanntes, wie zum Beispiel Mikroplastik in Lebensmitteln oder neue Lebensmitteltechnologien, reagieren die Menschen mit großer Beunruhigung, so Kickinger, “unabhängig davon, ob überhaupt ein Risiko besteht”. Antworten sucht man erstmals hauptsächlich im Netz, gefolgt vom Fernsehen und Zeitungen. Dennoch fühlen sich ganze zwei Drittel der Österreicher nicht ausreichend informiert, was die Lebensmittelsicherheit angeht. Die letzte EU-weite Umfrage zu diesem Thema ist übrigens bereits zehn Jahre her. “Die Gesellschaft hat sich in dieser Zeit sehr verändert, und auch die Art und Weise, wie wir Lebensmittel herstellen und konsumieren, hat sich geändert”, betont EFSA-Direktor Bernhard Url.  “Die eine Sorge”, die in allen EU-Mitgliedstaaten überwiegt, gibt es nicht. Aber drei Themen, die mehr Angst machen, als andere: der Missbrauch von Antibiotika, Hormonen und Steroiden bei Nutztieren, Pflanzenschutzmittel-Rückstände in Lebensmitteln und Lebensmittelzusatzstoffe. Gentechnik tangiert die Europäer immer noch erstaunlich wenig, während neue Themen wie Mikroplastik erstmals auf dem Lebensmittelsicherheits-Radar auftauchen. Insgesamt sorgt man sich allerdings nicht übermäßig über den Inhalt auf den eigenen Tellern. Und wo sieht der EFSA-Direktor eigentlich die größten Risiken? Er nennt Antibiotika-Resistenzen, lebensmittelbedingte Krankheiten und klimawandel-bedingte Risiken wie Mykotoxine (Schimmelpilzgifte) als große Herausforderungen.

Transparenz als oberstes Gebot

Themen, wie veränderte Marktrealitäten einer globalen Lebensmittelkette, weltweite Tiertransporte, Lebensmittel-Betrugsfälle und den zunehmenden Internet-Handel. Auch Ulrich Herzog, Leiter der Lebensmittelsicherheit und des Veterinärwesens im Sozialministerium, kennt diese Themen. Er plädiert für mehr Transparenz, wenn es um Risiken geht: “Die Erwartungen der Gesellschaft an eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion mit besonderen Anforderungen an den Tierschutz, den Pflanzenschutzmittel- oder Antibiotika-Einsatz sowie Trends zur Bekämpfung von Food-Waste oder neue Informationsanforderungen an Lebensmittel müssen sich auch in der Struktur der Kontrolle entlang der Lebensmittelkette widerspiegeln”, sagt er. Wie das geht? Nur wenn man Interessensgruppen, Experten aus NGOs, Wissenschaft und Wirtschaft, müssen stärker in die Planungstätigkeiten der Kontrollbehörden einbindet. Dann, sagt Herzog, könne Risikokommunikation erfolgreich sein. Experten der EFSA, des Sozialministeriums und der AGES sind derzeit übrigens intensiv mit der Umsetzung eines umfassenden Lebensmittelsicherheitspakets befasst: “Smarter rules for safer food” lautet das Motto der Europäischen Kommission für ein Bündel an Maßnahmen. Das Regulierungspaket vereinheitlicht Kontrollvorschriften für alle Segmente der Lebensmittelkette von Pflanzengesundheit, Pflanzenschutz, Futtermittelsicherheit, Tierschutz, Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit. Ab Dezember 2019  gilt es auch national.

Risikobarometer Umwelt & Gesundheit 2019

In Ergänzung zum jährlich erhobenen “Risikobarometer Umwelt & Gesundheit”, einer Befragung der Bevölkerung gemeinsam mit dem Umweltbundesamt, hat die AGES erstmals praktische Ärzte und Journalisten nach ihrer Einschätzung in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit befragt. Ärzten bereitet demnach Mikroplastik in Lebensmitteln die meisten Sorgen, während Journalisten hormonähnliche Stoffe als größte Risiken wahrnehmen. Die österreichische Bevölkerung schätzt Mikroplastik als größtes Risiko ein, gefolgt von “Täuschung durch unrichtige Information” sowie “Antibiotikarückstände in Lebensmitteln” und “Auswirkungen von Chemikalien und Schadstoffen”.