Sie werden geschlagen, getreten, sogar die Augen werden ihnen ausgestochen. Neue Videos zeigen die Reisen unserer Nutztiere, die bis in den Libanon gehen.

Tierschutzorganisationen wie die Vier Pfoten dokumentieren die Transportzustände unaufhörlich. ©Vier Pfoten

“Das Ausstechen von Augen bei lebenden Nutzieren ist in Ägypten keine Ausnahme”.  Was Filmemacher Manfred Karreman gesehen hat und in diesem lapidaren Satz zusammenfasst, sollte jeden erschauern lassen, der sich in der dieser Zeit einen Rest Menschlichkeit bewahrt hat. Karremann hat den gestern ausgestrahlten Film “Tiertransporte grenzenlos” gedreht und sagt, Bilder wie diese sind gängig. So würden etwa im Libanon die meisten Tiere brutal aus Schiffen auf Lastwagen getrieben. “Auch werden aus so ziemlich jedem Schiff einige Tiere mit einem Kran entladen, weil sie schwer verletzt sind, aber noch transportiert und geschächtet werden sollen. Würde Derartiges selten vorkommen, würde ich es in meinem Film vernachlässigen. Es passiert aber leider ständig – ebenso wie Griffe in die Augen der Tiere.” Jetzt geht Ihr Kopfkino an? Gut so. Das, was da mit Nutztieren passiert, darf uns nicht kalt lassen. Und genau darum dürfen wir auch die Augen vor libanesischen Schlachthäusern nicht verschließen. Da landen unsere Nutztiere nämlich auch oft. Und werden dort nebeneinander mit einer unglaubliche Anzahl an anderen Rindern und Schafen ohne Betäubung unter Sichtkontakt geschlachtet. Davor stehen sie „knöcheltief“ in einem Blut-Urin-Kot-Gemisch. Später werden die Rinder an einem Bein hochgezogen, und sämtliche Knochen brechen, noch bevor sie ausgeblutet sind. Der Ausdruck in den Augen der Tiere? Angst und Panik, völlige Hilflosigkeit.

Die Transport-Regeln

Laut EU-Verordnung dürfen Rinder insgesamt 29 Stunden transportiert werden, wobei eine Stunde Pause eingehalten werden muss. Bei Schweinen beträgt die zulässige Transportdauer 24 Stunden. Nach einer Pause von 24 Stunden darf die Maximaldauer aber beliebig oft wiederholt werden. Auch nicht-entwöhnte, also noch säugende Jungtiere dürfen transportiert werden.

Vor dem Augen-Ausstechen und dem Knochen Brechen stehen Landwirte, die Kälber an einen Händler verkaufen. Oft gehen die wenigen Wochen alten Tiere anschließend direkt in eine Mast in Länder wie Spanien. In einem Fall, den die Reportage aufdeckte, wurden sogar schwangere Kühe als Zuchttiere ordnungsgemäß aus Bayern nach Osteuropa transportiert. Von dort aber dann mit anderen Papieren als Schlachtvieh nach Spanien gekarrt und auf ein Schiff mit Libyen als Ziel verladen. Oft sind die Frachter mehr als drei Wochen unterwegs, für die Tiere eine Tortur. Die Zustände auf den Massentransport Schiffen sind naturgemäß der absolute Horror. Gut, zumindestens erleidet kein heimisches Nutztier diese Qualen? Falsch. Auch Österreich exportiert Zuchtrinder. Und nicht zu wenige. 1.014.000 waren es zwischen 2008 und 2018. 221.464 davon karrte man in Drittstaaten. Türkei, Algerien, Russland, Usbekistan und Aserbaidschan sind die Ziele nach ihrer Häufigkeit sortiert. Wobei, wer in der Türkei landet, noch Glück hat, sagt Karremann: “Anders als in Ägypten sind nur wenige willkürliche Quälereien zu sehen. Wenn es – abgesehen vom betäubungslosen Schlachten – zu Tierleid kommt, hat das eher logistische Gründe. Es passiert dann, wenn beispielsweise Rinder fast zwei Wochen an der Grenze stehen, weil Papiere fehlen.”

Mit dem Schlauch geschlagen, der Schwanz verdreht, die Kehle aufgeschlitzt

Wer es bis Minute 38:00 in Karremanns Dokumentation schafft, der trifft auf Kälber aus oberösterreichischen Betrieben, die konkret aus dem Bezirk Braunau über Spanien bis in den Libanon transportiert werden. Dann taucht ein Tier mit einer Ohrmarke aus Eggelsberg auf, dem im Libanon bei vollem Bewusstsein die Kehle aufgeschlitzt wird. Wobei der spanische Käufer der österreichischen Kälber keinen Hehl daraus macht, dass diese als Jungrinder in den Libanon weiter exportiert werden – diese Information findet sich sogar auf der Webseite des Unternehmens. Und man weiß auch längst, wie die bis zu 19 Stunden dauernde Reise von gerade einmal zwei, drei Wochen alten männlichen Kälbern von Westösterreich nach Italien oder Spanien aussieht:

Die Kälber werden auf ihrer Reise mit Gummischläuchen geschlagen, der Schwanz wird ihnen verdreht, sie werden an den Ohren gezogen. Transportzeiten werden problemlos überschritten, Ruhezeiten nicht eingehalten und es gibt keine oder nicht genug Einstreu, um die Exkremente zu absorbieren. Oft bleiben die Jungtiere auch noch unversorgt, weil sie die angebrachten Getränkenippel nicht verstehen und noch kein Heu fressen können.

All das wurde auch vor Karremans Film schon dokumentiert.  Warum gibt es diese Transporte? Um sie in Südeuropa unter niedrigeren Haltungsstandards als in Österreich mästen zu können.

Dass der Weg der Tiere weiter Richtung Libanon gängige Praxis ist, hat die heimische Tierschutzorganisation Verein gegen Tierfabriken (VgT) erstmals erfolgreich dokumentiert. Verfolgt wurde der Leidensweg dreier Kälber von der Geburt in Österreich über die Mast in Spanien bis zur Schlachtung im Libanon. Die Daten der Ohrmarken belegen, dass sie von Milchwirtschaftsbetrieben in Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg stammen. Im Dezember 2018 wurden sie über die Kälbersammelstelle in Bergheim bei Salzburg nach Spanien transportiert. Jede Woche haben hier sogenannte Langstreckentransporte nicht entwöhnter Kälber aus ganz Österreich ihren Ursprung. Über 21 Stunden waren die Kälber dann auf ihrem Weg unversorgt, weil es keine geeigneten Tränksysteme auf den Transportern gibt. Nach der Mast blieben die Tiere dann aber nicht in Spanien. Die drei dokumentierten Rinder tauchen im August 2019 im Libanon auf – sie wurden nach einem zweiwöchigen Transport per Schiff in den Nahen Osten gebracht und kurz darauf bei vollem Bewusstsein geschlachtet. Aktuelle Aufnahmen der Organisation Animals International zeigen den minutenlangen Todeskampf  eines österreichischen Kalbes im Libanon. Es wird gegen seinen Willen auf dem Boden festgehalten, die Kehle wird ihm bei vollem Bewußtsein mit zwei Schnitten durchgeschnitten. Das Blut spritzt, das Rind atmet aber weiter. Zwei Minuten dauert das Video, in dem das Blut des noch lebenden Tieres unaufhörlich sprudelt. In Realität dauert es länger, bis der Tod eintritt. Circa zehn Minuten. Das sagt Veterinär Alexander Rabitsch, Österreichs profundester Kenner der Tiertransport-Problematik.Was er zu dem ganzen Dilemma sonst noch zu sagen hat, lesen Sie an dieser Stelle!

http://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/37-tiertransport-grenzenlos-102.html