Deutsches Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) entwickelt ein mikrofluidisches Chipsystem als Alternative zu Tierversuchen.

Wird es bald keine Tierversuche mehr geben? ©Panthermedia

Tiere als Modellorganismen sind für die pharmazeutische Forschung bislang (leider) häufig unverzichtbar – oft liefern sie wichtige Informationen über die Wirksamkeit von Medikamenten oder die Schädlichkeit von Chemikalien für den Menschen. Der Schutz des Tieres steht dabei der Notwendigkeit entgegen, für den Menschen sichere und geeignete Medikamente zur Verfügung zu stellen.

In Österreich, in Deutschland und generell auf EU-Ebene gibt es daher rechtlich enge Beschränkungen für Tierversuche. Geeignete Alternativmethoden sollen dabei helfen, Tierversuche zu reduzieren und zu vermeiden. Das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt die Suche nach Ersatzmethoden, indem es seit 1980 rund 600 wissenschaftliche Projekte mit einem Fördervolumen von insgesamt mehr als 190 Millionen Euro finanziert hat 

Bedeutender Beitrag zum Tierschutz

Wissenschaftler forschen heutzutage an sogenannten mikrophysiologischen Systemen, die verschiedene Organsysteme des menschlichen Körpers, wie z. B. Leber, Lunge, Niere oder Nervenzellen, nachbilden und miteinander vernetzen.

Das im Juni 2019 gestartete BMBF-Projekt „VISION“ hat sich zum Ziel gesetzt, Tierversuche durch die Entwicklung einer speziellen Analyseplattform zu verringern. Dabei geht es um die Kombination eines mikrofluidischen Organkultursystems (in vitro) und bioinformatischer (in silico) Analysen von Krankheitsmechanismen. „VISION“ entwickelt und validiert die In-vitro-/In-silico-Analyseplattform speziell für inhalationstoxikologische Studien, die im regulatorischen Bereich, in der anwendungsorientierten sowie in der Grundlagenforschung Tierversuche reduzieren könnte.

Gleichzeitig eröffnet das mikrofluidische Chipsystem neuartige Möglichkeiten zur Modellierung von verschiedenen Zell- und Gewebetypen in vitro, um unter physiologisch relevanten Bedingungen biologische, pharmakologische und toxikologische Daten für die In-silico-Methodenentwicklung zu generieren. Biomedizinische Technik sowie biologisch-medizinische und pharmazeutische Wissenschaft aus dem Saarland kooperieren eng miteinander, um die „VISION“-Analyseplattform basierend auf einer Kombination 

a) eines In-vitro-Lungen-Leber-Modells,

b) der bioinformatischen Analysemethodik und

c) der Integration klinischer Daten zu entwickeln, was eine detaillierte biologische, pharmakologische und toxikologische Analyse ermöglicht.

Im wahrsten Wortsinn modellhaft

Im Rahmen des Verbundprojekts hat das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT die Aufgabe übernommen, sensitive In-vitro-Systeme (Lungenmodell und Lebermodell) zur Simulation der Lungenbarriere und des Metabolisierungsprozesses in der Leber und deren Integration in mikrofluidische Systeme zur Bestimmung spezifischer Effekte von Schadstoffen oder therapeutischen Wirkstoffen nach pulmonaler Aufnahme in den Organismus zu entwickeln und zu optimieren. Unter Anwendung dieser Methoden werden aussagekräftige In-vitro-Analysen durchgeführt, um fundierte Datenmengen als Grundlage für die Entwicklung des In-silico-Modells zu generieren. 

Die zwei Verbundpartner kombinieren in „VISION“ ihre jeweiligen Expertisen. Das Fraunhofer IBMT trägt insbesondere mit der Herstellung des mikrofluidischen Chipsystems und der daran angeschlossenen humantoxikologischen Analysesysteme bei. Die Universität des Saarlandes, Medizinische Klinik V, koordiniert das Projekt, bringt klinische Daten in das Projekt ein und beschäftigt sich insbesondere mit Fragen der Zellbiologie und spezifischer Krankheitsmodelle, wie z. B. COPD. Die Fakultät Pharmazie der Universität des Saarlandes entwickelt die bioinformatischen Analysemethoden.