Ein Striezel ist nicht einfach nur ein Zopf aus Germteig, also ein süßes Gebäck. Er hat vor allem zu Allerheiligen Tradition, ist Vorbote eines gesegneten Jahres.

Allerheiligenstriezel werden im Burgenland auch Verehrerstriezel genannt, waren einst eine Liebesgabe. @Canva

Tauf- und Firmpaten schenken noch heute zum Fest Allerheiligen einen Allerheiligenstriezel. Die Größe des Striezels richtete sich früher nach dem Alter der Patenkinder: Je jünger das Kind, umso größer der Striezel. Zusätzlich zum Striezel erhielten die Kinder manchmal Äpfel, Nüsse und Dörrobst. Oft wurde in den Striezel auch eine Geldmünze eingebacken. Was einst mal für Kinder am Land etwas ganz besonderes war, hat heute, in Zeiten von Überfluss, seinen Hurra-Effekt etwas verloren. “Früher bedeutete das Geschenk einen Ausgleich zu den üblichen Tagen des Darbens und Sparens,“ schreibt Roland Girtler in seinem Werk “Sommergetreide: vom Untergang der bäuerlichen Kultur”. Nach altem Volksglauben stiegen in der Allerseelenwoche die „Armen Seelen“, die Verstorbenen im Fegefeuer, aus dem Purgatorium zur Erde auf und erholten sich für kurze Zeit von ihren Qualen. Stellvertretend für diese beschenkte man mittellose Menschen und Kinder mit Allerheiligenwecken und Allerheiligenstriezel. Die Wurzeln der Striezeltraditon liegen aber in antiken Trauerkulturen, als man die geflochtenen Haare abschnitt, um seine Trauer auszudrücken. 

Striezel: eine Wiener Erfindung?

Peter Rosegger schildert, wie der Brauch im 19. Jahrhundert in der Steiermark abgelaufen ist: Schon ein paar Tage vor Allerheiligen wurde in den Bauernhäusern begonnen, die Striezel zu backen. “Am Vorabend des Allerheiligenfestes nun ziehen die Armen in ganzen Familien scharenweise von Haus zu Haus, von Ort zu Ort. Sie grüßen mit dem vielstimmigen Ruf ‚Bitt gar schön um einen Allerheiligenstriezel!'”. Die “Striezelbettler” wurden von den Bauern mit Freude willkommen geheißen, denn eine große Anzahl von Heiligenstriezelsammlern galt als Vorbote eines gesegneten Jahres. Jedes “Vergelt’s Gott, Allerheiligen” sei, so der Glaube, für das Kornfeld mehr wert als ein Fuder Dünger.

Striezelschnapsen

Ein anderer Brauch, der sich rund um den Allerheiligenstriezel rankt, ist in vielen Orten des Weinviertels lebendig geblieben. Schauplatz des “Striezelpaschens” oder “Striezelschnapsens” ist das Dorfwirtshaus. Dort wird um die Striezel gewürfelt oder Karten gespielt. Im Burgenland spielte der Heiligenstriezel einst als Liebesgabe oder “Verehrerstriezel” eine wichtige Rolle. Längst vergessen ist der in Wien und Graz teilweise bis zur Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert übliche Brauch, dass die Bäcker ihren Stammkunden den Allerheiligenstriezel als Geschenk überreichten.

Natürlich gibt es auch reichlich Aberglauben rund um das Gelingen des Backwerks. Ging der Teig nicht auf bedeutete das großes Unglück, ja sogar den eigenen Tod. Gut, dass wir zumindest darüber hinweg sind. Sonst würde sich wohl niemand trauen einen Striezel zu backen. Und das wäre echt schade. Denn natürlich essen wir ihn noch immer gerne. Ein frisch gebackener, süßer, luftiger Germteigzopf mit Rosinen und mit Zucker bestreut ist eine Gaumenfreude. Brauch hin oder her. So ein Allerheiligenstriezel ist einfach eine feine Sache. Mit Marmelade bestrichen, dazu Kaffee oder Tee. Und natürlich schmeckt es umso besser, wenn man weiß wo es herkommt.