Erdbeeren demonstrieren uns geschmackvoll die Bedeutung von Regionalität und der Ernte zum richtigen Zeitpunkt. Sie sind aber auch eine Liebeserklärung.

Erdbeere

Foto: unspash

Am Anfang war die Walderdbeere. Schon ein Handvoll, mühevoll gesammelt, ist ein Schatz, ein Geschenk der Natur. Ihr Geschmack ist unvergleichlich. Die fruchtigen Winzlinge wurden bei uns bereits im Mittelalter kultiviert. Damals schon kannte man Methoden, um sie früher oder später reifen zu lassen. Nur größer züchten lassen wollte sich die Waldbeere einfach nicht. Unsere heute bekannten Gartenerdbeeren haben ihre Vorfahren in Amerika. Die Scharlach-Erdbeere wurde von französischen Siedlern entlang des Sankt-Lorenz-Stroms im 18. Jahrhundert entdeckt, und kam dann zu uns nach Europa. Gleichzeitig fand auch die Chile-Erdbeere, mit noch größeren Früchten, ihren Weg auf das europäische Festland. Aus deren Kreuzung entstand um 1750 in der Bretagne die Urform der Gartenerdbeere, von der die meisten heute kultivierten Sorten abstammen.

Über 1000 verschiedene Sorten

Wußten Sie, dass die Erdbeere botanisch gesehen keine Beere ist?

Die Erdbeere (botanisch: Fragaria) gehört nämlich, wie auch die Himbeeren und die Brombeeren, zu den sogenannten Sammelnußfrüchten. Das rote Fruchtfleisch ist nur eine Scheinfrucht, während die eigentlichen Früchte der Erdbeere die kleinen, gelben Körper an der Oberfläche sind, die Nüßchen genannt werden. Diese Körnchen sind die eigentlichen Einzelfrüchte der Erdbeeren.

Die Zahl der unterschiedlichen Erdbeersorten macht schwindlig – über 1000 gibt es heute. Sie geben sich facettenreich. Sind weiß, hell- und dunkelrot. Kleinfruchtig und großfruchtig. Kugelrund und länglich. Zuckersüß und säuerlich. Je nach Reifezeit spricht man von frühen, mittleren und spät reifenden Sorten. Es gibt Erdbeeren, die nur einmal tragen. Ab Mitte Mai bilden sie die ersten Früchte und Ende Juni, spätestens Anfang Juli, ist ihre Zeit schon wieder vorüber. Im Gegensatz dazu, kann man die immertragenden oder remontierenden Erdbeeren wie die “Ostara” oder die “Mara du bois” erst mit Ende Juni, Anfang Juli pflücken. Sie tragen aber nach einer kurzen Ruhephase noch weitere Früchte bis zu Beginn des Frostes. Erdbeeren unterscheiden sich nicht nur in Farbe, Größe, Form, Geschmack und Erntedauer, sondern stellen auch verschiedene Ansprüche an ihre Umgebung. Es gibt Bodendecker, Hängeerdbeeren und Klettererdbeeren. Manche Erdbeeren schmecken am Besten “von der Hand in den Mund”. Andere wiederum eignen sich besonders gut zum Backen oder um Marmelade und Saft zu machen. Und dann gibt es die Erdbeeren, die man am besten mit Schokoladenüberzug oder in Knödelform genießt.

Mieze Schindler – Eine reife Lady

Mieze Schindler©Wikipedia

Sie ist aber auch eine Zicke. Beim Pflücken hat man es schwer mit ihr. Sie ist kapriziös, wird nicht gerne
angefasst. Reagiert sofort pampig, wird matschig und macht Flecken. Der Weg vom Beet in die Küche ist für sie bereits eine kaum zumutbare Strapaze. Neben ihrem  “weichen Charakterzug” kreidet man ihr im Reifezustand ihre dunkle Farbe an. Mancher könnte meinen, sie sei faul. Größenmäßig kann sie es mit den anderen ihrer Art nicht aufnehmen, auch ist ihr Strauch weniger ertragreich. Zudem benötigt sie zusätzlich eine Bestäubersorte. Alles Gründe warum sie so schlecht “handelbar” ist  und sich eigentlich nur für den Eigenanbau eignet. Aber das eigenwillige Früchtchen mit den deutlich eingesenkten Kernen und dem rosigen Fruchtfleisch ist das Nonplusultra für Geschmacksnostalgiker, die Praline unter den Erdbeeren. Ihr unvergleichlich süßes und intensives Waldbeerenaroma macht Sommerlaune und glücklich. Zudem hat sie eine romantische Geschichte: Prof. Otto Schindler erschuf sie 1925 in Dresden-Pillnitz und benannte sie nach seiner geliebten Frau. Aber es gibt noch eine Reihe von alten Erdbeersorten, die es geschmacklich in sich haben. Seit den 50iger Jahren ist die ebenfalls deutsche “Senga Sengana”,  intensiv rot, aromatisch und säurearm, im Angebot. Die “Polka” besticht durch ihre Kegelform, schmeckt süß säuerlich und kommt aus den Niederlanden. “Königin Luise” ist eine besonders widerstandsfähige Sorte. Sie gedeiht sogar in schweren Böden und eignet sich vor allem zum Weiterverarbeiten, also zum Einlegen oder konservieren. Besonders gerne mögen es all diese alten Sorten, wenn sie in einer Mischkultur gepflanzt werden. 

Die ersten Erdbeerfelder haben schon geöffnet. ©unslash

Geduld wird jetzt belohnt

Auf den Erdbeerfeldern unserer heimischen Bauern werden starke, robuste, wenig pilzanfällige und ertragreiche Sorten angebaut, wie Rumba, Honet, Kimberley, Sonata, Florence, Malina u.a . Sie werden reif geerntet und sind vollmundig im Geschmack. Reife Erdbeeren haben übrigens auch einen höheren Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen und bioaktiven Substanzen. Es lohnt sich also in jedem Fall, den Kreislauf der Natur zu berücksichtigen, und sich die heimischen Erdbeeren ab jetzt schmecken zu lassen.