Die mögliche Schließung des Agrana-Zuckerwerks in Leopoldsdorf war und ist eines der Themen der letzten Wochen innerhalb der agrarischen Welt.

Traktor am Rübenfeld

Der Anbau von Zuckerrüben ist für viele Bauern nicht mehr rentabel. Foto: Pixabay

Die Zuckerrübe als wirtschaftlich interessante Feldfrucht ist ein wichtiger Bestandteil der Fruchtfolge vieler Ackerbaubetriebe. Notwendig dafür ist die Abnahmegarantie durch die Zuckerwerke der Agrana. Der drohende Wegfall eines der beiden in Österreich bestehenden Zuckerwerke würde die Verarbeitungskapazität massiv einschränken, die Eigenversorgung Österreichs mit Zucker wäre nicht mehr gesichert.

Ausgangspunkt für die Diskussion um den Agrana-Standort Leopoldsdorf war und ist die in Österreich seit Jahren sinkende Zuckerrüben-Anbaufläche. Verarbeitungsstätten können nur weiter bestehen, wenn der notwendige Rohstoff gesichert ist. Die in den letzten Jahren verstärkt auftretenden Trockenphasen samt Schädlingsbefall machen den Anbau im Osten Österreichs für viele Betriebe unrentabel: Aus dieser Abwärtsspirale gilt es nun, wieder herauszukommen. Denn Zucker als wesentliches Grundnahrungsmittel sollte in ausreichendem Maße vor Ort produziert werden, um keine Import-Abhängigkeit zu schaffen. Die Lebensmittel-Eigenversorgung ist für einen neutralen Staat wie Österreich von höchster Bedeutung und könnte bzw. sollte wohl auch gesetzlich im Verfassungsrang festgehalten werden.

In zwei „Spitzengesprächen“ mit Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger wurden gemeinsame Maßnahmen erarbeitet, um den Zuckerrüben-Anbau in Österreich wieder zu stärken und damit die Eigenversorgung mit Zucker abzusichern. Agrana bietet nun den Landwirten – aktiven Rübenbauern ebenso wie Neueinsteigern – einen Drei-Jahres-Vertrag, welcher der Zuckerrübe einen signifikanten Wettbewerbsvorsprung und damit ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Ackerkulturen bringt. Garantierte Mindestpreise bedeuten Planungssicherheit für die Landwirte und im Falle eines Rübenumbruches wegen Rüsselkäferbefalls werden die Saatgutkosten nicht verrechnet. Das Vertragsmodell ist eingebettet in ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das mit Landwirtschaftsministerium und dem Rübenbauernbund vereinbart wurde. Mit diesem Paket soll der notwendige Anstieg der Rübenfläche in allen österreichischen Anbaugebieten erzielt und damit die Weiterführung der Zuckerproduktion mit zwei Fabriken möglich gemacht werden.

Regionalität im Zuckerpackerl. Foto: Agrana

Das Maßnahmenpaket im Detail

Dabei wurde der „Pakt zur Rettung des heimischen Zuckers“ mit folgenden Maßnahmen unterzeichnet:

  • 3-Jahres Vertragsmodell bis 2022 mit Mindestpreisen von 32 € netto (+ zwei € Rübenplatzmiete) für Lieferrechtsrüben und somit um zwei € mehr als 2020.
  • Wiederanbauprämie von 250 Euro pro Hektar bei Zerstörung durch Schädlinge (für Rübenbauern, die über die Hagelversicherung versichert sind). Die Kosten dafür teilen sich der Bund und die betroffenen Bundesländer.
  • Saatgut für den Wiederanbau wird gratis zur Verfügung gestellt.
  • Notfallzulassung für die Verwendung von mit Neonicotinoid-gebeiztem Saatgut wird nach positivem Abschluss des Bienenmonitorings gewährt.
  • Fortführung und Intensivierung der Forschungsaktivitäten mit einer Gesamtdotation von einer Million €, damit Ergebnisse rasch für die Praxis zur Verfügung stehen.
  • Die Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Burgenland und Wien bekennen sich im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches zur Absicherung der Rübenproduktion.

Diese Maßnahmen und Garantien im Rahmen des Paktes zur Rettung des heimischen Zuckers sollen die notwendige Steigerung der 34.000 ha Anbaufläche 2020 auf die notwendigen 38.000 ha 2021 möglich machen.

Ein Bundesland als Beispiel

Der oberösterreichische Rübenanbau hat im letzten Jahrzehnt eine wechselhafte Geschichte erlebt. Die bis 2016 geltenden Zuckermarktordnung (OÖ durfte 13,8 Prozent der österreichweiten Produktion liefern) verhinderte den Neueinstieg von Betrieben, gleichzeitig erhöhte sich die Anbaufläche pro Betrieb. Resultat war eine eher abnehmende Anzahl an Rübenbauern. Seit 2019 werden hingegen intensiv Neuanbauer in OÖ gesucht – mit Erfolg. Die Flächensteigerung um 900 ha im Vergleich 2020 zu 2019 basiert zu rund 50 Prozent auf den 90 Neuanbauern und zu rund 50 Prozent auf der Steigerung durch die bestehenden Rübenanbauer.

Das Bundesland hat sich in den letzten Jahren aufgrund des Klimawandels immer mehr zur Gunstregion für Zuckerrüben gewandelt. Höhere Temperaturen bei gleichzeitig ausreichenden Niederschlägen führen zu einer geringeren Anfälligkeit für den im Osten stark auftretenden Derbrüsselkäfer. 2020 wird in OÖ ein Durchschnittsertrag von 92 Tonnen im Vergleich zu 84 t österreichweit erwartet. Viele Standorte in OÖ sind für den Zuckerrübenanbau sehr gut geeignet; es gibt innovative Lösungen für einfachere Unkrautbekämpfung, der Anbau und die Ernte können auch überbetrieblich organisiert werden.

Der Verlust der Zuckerfabrik in Leopoldsdorf würde die Anbaumöglichkeit in Oberösterreich massiv beschränken und damit gut 1.000 Betriebe allein in Oberösterreich finanziell hart treffen. Bei der durchschnittlichen Anbaufläche von sechs ha pro Betrieb würde sich ohne Zuckerrübenanbau ein fehlender Deckungsbeitrag von bis zu 5.000 Euro pro Jahr ergeben. Doch die Zusagen im Rahmen des Zuckerrüben-Pakts sollten Neueinsteigern die notwendige Sicherheit geben, sich in diesen Produktionszweig zu wagen. Mit neuen Logistikkonzepten soll der Transport – beim großen Volumen der Zuckerrüben immer eine Herausforderung – verbessert = großteils auf der Schiene abgewickelt werden. Die 2020 in Oberösterreich zu erntende Menge von 570.000 Tonnen füllt rund 11.400 Waggons. Würde man die gesamte Rübenmenge Oberösterreichs in einem Zug zusammen hängen, hätte dieser eine Länge von rund 140 km, würde also vom Zuckerwerk in Leopoldsdorf fast bis zur oberösterreichischen Landesgrenze zurückreichen …