Die Inka sahen in der Sonnenblume einen Gott, die Griechen ein verliebtes Mädchen. Blumenexpertin Katharina Uebel zeigt uns ihr Bild der großen Blume.
Jetzt ist der Höhepunkt der Sonnenblumen-Saison! Von Juli bis Oktober stehen sie auf den Feldern, die Köpfe immer der Sonne zugewandt. Ihr unverwechselbares Aussehen und ihre überwältigende Masse für eine Blume, die innerhalb kurzer Zeit aus einem winzigen Sämling heranwächst, prägen sich sofort ins Gedächtnis ein. Für Katharina Uebel von Rosalies Blumen zählt sie zu den faszinierendsten Pflanzen.
Schon vor 5000 Jahren begeisterte die Sonnenblumen die Menschen, genauer genommen die Inka, die wohl als größter Fan gelten. Sie sahen in ihr die Gottheit, “Tayta Inti”, also Vater Sonne, und pflanzten sie als Zierpflanze an. Erst später wurde sie von anderen indigenen Völkern in ihrem Ursprungsland Nordamerika als Nutzpflanze gezogen. Als 1552 spanische Konquistadoren ihre Kerne verschifften, erreichte sie auch in Europa ihren Durchbruch.
In der griechischen Mythologie ist die Sonnenblume kein Gott, sondern ursprünglich das Mädchen Clytia, das in den Sonnengott Helios bzw. Apollon verliebt war. Obwohl er Clytia mehrfach abwies, beobachtete sie ihren Geliebten trotzdem immer dabei, wie er Tag für Tag die Sonne in seinem Wagen über den Himmel zog – bis sie sich schließlich in die erste Sonnenblume verwandelte.
Abgeleitet ist diese Geschichte von der wirklichen Eigenschaft der goldenen Blume, den Kopf immer der Sonne entgegen zu richten und ihrem Lauf mit Blüte und Blättern zu folgen. Dieses Phänomen heißt Heliotropismus, der Name kommt von helios (Sonne) und tropé (Wendung), genauso wie der botanische Name der Sonnenblume, Helianthus, auch von Sonne und anthos (Blume). Das außergewöhnlichste am Heliotropismus der Sonnenblume ist, dass sie nachts den Kopf wieder nach Osten dreht, also in die Himmelsrichtung, von der sie, woher auch immer, weiß, dass ihre Lichtquelle am nächsten Morgen wieder aufgehen wird.
Immerhin braucht die Sonnenblume die Sonne nicht nur zum Wachsen, sie liebt sie so sehr und kann nie genug Sonnenstrahlen erhalten. Sie erträgt die heißen Temperaturen mit Leichtigkeit und nimmt die Dauerbestrahlung überaus gerne an, durch die andere verbrennen würden. Je sonniger der Standort, umso schöner werden die Blüten. Wenn man darüber nachdenkt, wirkt die Sonnenblume gleich viel mächtiger, fast schon erschreckend mächtig, oder?
Deshalb steht diese Blume für Selbstbewusstsein. Sie prangt stark und entschlossen, strahlt Mut, Durchsetzungsvermögen und Unabhängigkeit aus. Die Sonnenblume unterstützt einen dabei, seinen Weg zu finden, so wie sie ihn gefunden hat: Immer der Sonne nach. Ihre leuchtende Aura verschenkt positive Energie, erlöscht das Dunkle und löst von Ängsten. Wenn jemand ‘strahlt’, dann lacht er. Die Sonnenblume, wie die Sonne, strahlt hell, dementsprechend lacht sie einen immer freundlich und bekräftigend an.
Rekordverdächtig – Öl und Kerne
Und an dieser Stelle stelle man sich eine Sonnenblumenblüte mit einem Durchmesser von 60 Zentimetern vor – so riesig können die Blüten der größten Sonnenblumensorte, der ‘American Giant’ werden. Die höchste Sonnenblume hat es durch die Pflege des Hobbygärtners Hans-Peter Schiffer übrigens auf 9,17 Meter gebracht. Sogar im Weltall war die Sonnenblume bereits, näher an der Sonne dran, als sie es sich je erträumt hätte. Der Astronaut Don Pettit nahm ihre Samen nämlich mit und brachte sie tatsächlich außerhalb der Erde zum Blühen.
So sensationell, wie die Sonnenblume auch ist, global ist ihr Kapital ihr Öl. Erstmals dafür angepflanzt wurde sie im 19. Jahrhundert in Russland. Auch heutzutage ist Russland, was die Sonnenblumenölproduktion angeht, sehr weit oben. Weltweit am meisten Sonnenblumenöl produziert die Ukraine mit jährlich 13,626,890 Tonnen Öl auf 6.086.700 Hektar Anbaufläche. Im Vergleich erzeugen Österreich auf dem 31.Platz der weltweiten Produktion 59.917 Tonnen auf 18.189 Hektar und Deutschland an 36.Stelle 35.700 Tonnen.
Die Sonnenblume sorgt auch durch andere Qualitäten dafür, gebraucht zu werden: Kerne, Blüten und Knospen sind nahrhaft, Blätter ein ausgezeichnetes Futter für Rinder, aus Blüten kann gelber, aus Samen violetter Farbstoff und aus Fasern kann Papier hergestellt werden. Interessant für die Forschung ist das weiße, innere Mark der Stängel, welches als eine der leichtesten bekannten Substanzen zählt. Es wird daher unter anderem als Verpackungsmaterial verwendet.
Auch eine Heilpflanze ist die Sonnenblume. Früher wurde sie bei den unterschiedlichsten Symptomen verwendet. Sie half bei Brust-, Magen- und Kopfschmerzen, bei Fieber, Nieren- und Harnwegsinfektionen, Prellungen, Bissen und anderen Wunden. Eine weitere Besonderheit der Sonnenblume ist ihre hohe Giftbindefähigkeit. Aus verseuchtem Boden und kontaminiertem Wasser zieht sie beispielsweise Blei, Strontium oder Cäsium, welches nach einem Atomunfall darin gelandet war, und sammelt es in sich selbst. Diese Fähigkeit behält die Sonnenblume auch bei, wenn sie einige Minuten als Öl im Mund gespült wird. Dabei nimmt sie, also das Öl, Quecksilber und weiteres auf und entgiftet sogar den Menschen.
… und die Kunst
1794 war sie der Mittelpunkt in einem englischen Gedicht von William Blake und 1881 Hauptdarsteller in dem Gemälde von Claude Monet. Besonders Van Gogh haben die Sonnenblumen es angetan, er malte in den Jahren 1888 und 1889 nur Gemälde mit zwei bis fünfzehn Sonnenblumen, immer wieder, manche mehrfach, manche nur im Gelbton, manche im Kontrast zu blau oder halb verwelkt. Von Van Gogh weiß man, dass er sich ein Teil seines Ohres abgeschnitten hat – dies passierte während seiner Sonnenblumen-Phase. Möglicherweise malte er diese starke Blume, um seinen seelischen Zustand auszudrücken oder zu besänftigen. Van Gogh sagte in einem Brief sogar “Die Sonnenblume gehört mir”. Er wollte sie zu seinem Aushängeschild machen. Sein ehemaliger enger Freund Paul Gauguin zeichnete 1901 ebenfalls die Sonnenblumen. Und Gustav Klimt drückte mit seinen Sonnenblumen-Gemälden 1907 das verselbstständigende Eigenleben der Natur aus. Eine einsame, stark beblätterte, hohe Sonnenblume.