Globetrotter-Hendln
Das Fleisch aus verarbeiteten Hendl-Produkten kommt zu rund drei Viertel mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aus Österreich, sagt ein aktueller Store-Check.
Bevorzugen Sie Fleisch aus aller Welt? Von Chile, über die Ukraine bis Polen? Dann sollten Sie im Supermarkt am besten zu mariniertem Geflügel, Spießen oder fertigen Paprikahendln greifen. In drei Viertel dieser Artikel steckt nämlich sehr wahrscheinlich genau das drin. 270 solche Artikel hat die heimische Geflügelwirtschaft in Kooperation mit der Landwirtschaftskammer gerade herkunftsmäßig gecheckt. Und einmal mehr zeigte sich, dass selbst rot-weiß-rot auf der Packung eigentlich gar nichts sagt. „Es gab ein Paprikahendl mit rot-weiß-rotem Herz auf der Packung und dem Hinweis ’hergestellt in Österreich’. Doch das Fleisch war aus Polen“, so Markus Lukas, Obmann der Geflügelmastgenossenschaft GGÖ. Dass sich die heimische Flagge auch auf Importware findet, weckt seinen Sarkasmus:
„Man glaubt gar nicht, wie weit Hühner fliegen können, 12.000 Kilometer von Chile bis zu uns.”
Im globalen Preiskampf unterlegen
Doch warum findet so viel weit gereistes Geflügel in unsere Tiefkühl-Regale? Der Grund ist naheliegend. In Österreich gelten höhere Tierschutzstandards, also ist die heimische Ware teurer. Billigware ist aber leichter an den Mann und die Frau zu bringen. Alleine wenn man die erlaubte Besatzdichte der EU mit der in Österreich vergleicht, wird klar, wovon wir sprechen. Gelten hier maximal 30 Kilo pro Quadratmeter, sind es in der EU 42 Kilo. In anderen Worten haben Masthühner hierzulande um 40 Prozent mehr Platz. Auch deshalb braucht man hier weniger Antibiotika, um genau 50 Prozent im Vergleich zu noch vor sechs Jahren. Billiger macht das das heimische Hendl freilich nicht. Am leichtesten ist ein ausländisches Hendl offenbar in Convenience-Form zu verkaufen. Bei Frischgeflügel ist der Österreich-Anteil nämlich deutlich höher: Etwa zwei Drittel davon kommen nachweislich aus dem Inland.
80 Prozent Auslands-Hendln in der öffentlichen Verpflegung
Lukas, der selbst 50.000 Hühner hält, redet gern Klartext. In öffentlichen Kantinen – von Kindergärten über Krankenhäuser bis hin zu Ämtern – kommen bis zu 80 Prozent der Hendln aus dem Ausland, sagt er. Bei fast zwei Millionen Mahlzeiten, die allein in der österreichischen Gemeinschaftsverpflegung täglich konsumiert werden, ergibt das eine nicht unwesentliche Summe. Die öffentliche Hand müsse bei Ausschreibungen auf Lebensmittel aus Österreich setzen, sagt Landwirtschaftskammer-Vertreter Ferdinand Lembacher. Es könne nicht sein, dass die Politik hohe Standards in den Ställen setze, auf diese aber im Einkauf pfeife.
Das nächste Jahr könnte die Wende bringen
Immerhin 13 Kilo Geflügel isst der Durchschnitts-Österreicher mittlerweile im Jahr. Dafür müssen schon einige Hühner dran glauben. Der Absatz läuft gut: 36.000 Tonnen Hendl- und Putenfleisch im Wert von 268 Millionen Euro wurden 2018 verkauft. Parallel dazu steigt der Außer-Haus-Konsum. Was wir da so essen, wissen wir gerade bei Convenience aber oft nicht. Im Bereich der verarbeiteten Produkte gibt es nämlich die meisten Kennzeichnungs-Grauzonen.
Ändern könnte sich das mit der Primärzutaten-Verordnung der EU, die im April nächsten Jahres in Kraft tritt. Ab diesem Zeitpunkt muss auf Produkten, die heimische Herkunft angeben, aber keine Primärzutat aus Österreich enthalten, genau das klar ersichtlich zusätzlich vermerkt werden. Hinweise wie ‘Hergestellt in Österreich’ werden sich dann kaum mehr finden, sagen Experten.
Um ganz sicher zu gehen, empfehlen wir: Schieben Sie lieber daheim ein Weidehendl in den Ofen!