Die Melisse. Frisch, zitronig und vielseitig
Sie ist Seelenkraut und sanfte Heilerin. Melisse ist das beste Kraut für’s Herz und wirkt antimikrobiell. Aber auch als Küchenkraut hat sie richtig Talent.
Die Melisse, eine der ältesten Heilkräuter, ist der Beweis dafür, dass die Schönheit (und so viel mehr) in den kleinen Dingen des Lebens liegt. Auf den ersten Blick ist sie ein eher unscheinbares Pflänzchen, auch wenn sie gerne wuchert. Behaarte Stängel mit hellgrünen, herzförmig gezähnten Blättern, eine grobe Äderung. Dabei sieht sie in Ihrer Bescheidenheit doch einzigartig und besonders aus. Man kann einfach nicht an ihr vorbeigehen, ohne sie zu berühren, ohne ihre Blätter zwischen den Fingern zu zerreiben, um ihren zitronig frischen Duft zu genießen. Deshalb wird sie auch Zitronenmelisse genannt. Von Juli bis August öffnen sich zudem kleine, weiß duftende Blüten. Bei näherer Betrachtung lassen sie die typische Lippe der Lippenblütler erkennen.
Die Bienen sind ganz verrückt …
nach diesem süßen Schmaus. Dass die Bienen auf die Melisse „fliegen“, bemerkten schon die „alten Griechen“. Deshalb gaben sie ihr auch den Namen: „meliteion“ in Anlehnung an den Honig „meli“. “Den Bienen sind keine Blüten lieber als die Melisse”, schrieb der römische Gelehrte Plinius um 70 nach Christus in die Naturalis historia. Dennoch offenbart sich die Schönheit der Melisse nicht in üppiger Blütenpracht. Zwischen all den bunt blühenden Pflanzen im Garten ist sie ein wohltuender Ruhepunkt. Und es ist das Blatt, das durch seinen intensiven Duft besonders betont ist. Verantwortlich dafür ist das darin enthaltene ätherische Öl, das sich unter anderem aus den Substanzen Citral, Geranial, Neral und Citronellal zusammensetzt.
Wenn die Gedanken Karussell fahren
Der intensive Duft der Melisse zeugt von einem stark harmonisierenden Bezug auf die Rhythmen des Menschen, beispielsweise auf unser Herz-Kreis-Lauf System. Dieses vermittelt zwischen den verschiedenen polar zueinander stehenden Funktionsabläufen im Menschen wie zum Beispiel Verdauung und Sinnestätigkeit. Die Melisse fungiert als eine Art Vermittlerin und gleicht Störungen aus. Sind wir durch zu starke Sinnestätigkeit angespannt und nervös, beruhigt uns die Melisse durch ihr „sanftes Wesen“. Sie kann die Muskulatur im Darm entspannen und so Blähungen und Völlegefühl lindern. Schon ihre volkstümlichen Namen wie Nervenkräutel und Herztrost weisen auf diese Fähigkeiten hin. Paracelsus (1493-1541) wandte die Pflanze im Sinne der Signaturenlehre wegen ihrer herzförmigen Blätter bei Herzkrankheiten an:
“Melisse ist von allen Dingen, die die Erde hervorbringt, das beste Kraut für das Herz.“
Sie soll sogar die Fähigkeit haben, die Gehirnleistung zu verstärken und dadurch Demenzkranken Unterstützung zu bieten. In der mittelalterlichen Heilkunde war die Melisse zudem ein weit verbreitetes Frauenmittel, was sich in den Namen „Mutterkraut“ und „Frauenwohl“ niederschlug. Melissentee sollte demnach die Menstruation fördern, die Gebärmutter reinigen und die Empfängnis vorbereiten.
Gegen Viren und Erkältungen
Melisse wirkt stark antiviral, antimikrobiell und antifungal. Experimente im Labor haben gezeigt, dass Zitronenmelisse Herpes-simplex-Viren bekämpft. Rosmarinsäure, der Gerbstoff in der Pflanze, wirkt gegen das Andocken des Virus an die Wirtszelle und verhindert so die Vermehrung von Herpes. Jeder weiß, bei Erkältungen ist Vitamin C ein guter Helfer. Uns kommt da natürlich sofort die Zitrone in den Sinn. Aber! In den frischen Blättern der Melisse steckt mehr Vitamin C, nämlich fünf Mal so viel als in so einer Zitrone. Auf 100 Gramm frische Melissenblätter kommen bis zu 253 Milligramm Vitamin C, während die Zitrone auf die gleiche Menge gerade einmal 53 Milligramm mitbringt. Neben Vitaminen finden sich in der Melisse auch Nährstoffe wie Kalium, Calcium, Magnesium, Schwefel, Phosphor und Chlorid. Zudem sind die Melissenblätter reich an Eisen, Zink, Kupfer und Mangan.
Melisse für die Haut
Um die Eigenschaften von Melisse zu nutzen, trinken wir das Kraut zumeist also Tee. Der Tee kann aber auch äußerlich angewendet werden. Ein Melisse-Dampfbad ist wirksam gegen fettige Haut. Melisse gleicht unreine sowie allergische Hautzustände aus. Melissensud, fünf bis sechs Stunden oder über Nacht ziehen gelassen, ist eine gesunde Haarkur. Melisse wird außerdem häufig als entspannender, duftender Zusatz in Ölen sowie Dusch- & Badeprodukten verwendet.
Eine frische Note
Und weil Melissenblätter auch so gut schmecken wie sie duften, sind sie ein ideales Küchenkraut. Eigenartig! Viele beschränken sich beim Einsatz der Melisse immer noch auf die Dekoration von Desserts. Dabei kann sie doch so viel mehr! Die frischen Blätter dienen zum Würzen von Salaten, Wild- und Pilzgerichten sowie zum Aromatisieren von Likören und Tee. Im Hochsommer verleiht die Zitronenmelisse auch Sirupen, Konfitüren, Sorbets oder Bowlen eine zitronige Note. Besonders gut ist ihr Zusammenspiel mit Erdbeeren, Himbeeren oder Marillen. Daraus ergeben sich sehr aparte Kompositionen fürs Cocktail- und Einmachglas.
Oder wie wäre es mit einem Pesto aus Melisse? Dazu werden frische Melissenblätter zerkleinert und mit Parmesan, Olivenöl, Pinienkernen und etwas Salz püriert. Serviert wird das Ganze zu Gegrilltem oder gebratenem Fisch, Gemüse, Käse, hellem Fleisch und – natürlich – zum Klassiker Pasta. Einfach köstlich! Wichtig ist dabei nur – die Melisse immer frisch verwenden, denn beim Kochen geht ihr Aroma verloren.
FAZIT: Die Zitronenmelisse muss auch in der Küche die Konkurrenz anderer mediterraner Kräuter wie Thymian, Rosamarin oder Salbei nicht scheuen. Die berühmte Naturkundlerin Hildegard von Bingen († 1179) beschrieb die Melisse als „warm“. „Ein Mensch, der sie isst, lacht gerne, weil ihre Wärme die Milz beeinflusst und daher das Herz erfreut wird.“ Und lachen, das tun wir doch alle gern!!