Welcher Essig darf es denn sein?
Er ist in jedem Haushalt vertreten, wird aber puncto Aromareichtum und Einsatzmöglichkeiten absolut unterschätzt. Denn Essig ist nicht gleich Essig.
Nein, es reicht nicht auf den Einkaufszettel einfach Essig zu schreiben. Etwas mehr Information ist hier unbedingt erforderlich. Welcher Essig soll’s denn sein? Ansonsten degradieren wir ein wunderbares Genussmittel, das als das älteste Würzmittel der Welt unsere Hochachtung verdient. Schließlich bekommt erst durch sein Zutun so manche Speise ihren besonderen Geschmack. Als Zutat in der Küche wird Essig aber noch mehr geschätzt als in Zitaten. So heißt es hier: „Niemand sieht gerne ein Essigfaß“ oder „Ohne Spaß wird der Mensch ein Essigtopf“. Für manchen Winzer gilt er als „verdorbenes Lebensmittel“, obwohl er genauso edel sein kann wie ein Wein.
Essig für den Feinschliff
Er würzt und bindet gemeinsam mit Öl, Salate, Kräuter und Gemüse. Essig zaubert den Geschmack von Rosen und Nüssen auf knackiges Blattwerk (Lukashof Genussmanufaktur Rosenblüten Gewürzessig). Zusätzlich reduziert er dort eventuell vorhandene Keime, senkt doch seine Säure den pH-Wert der Speisen und verhindert, dass sich Bakterien und sogar Viren weiter vermehren können. Tröpfchenweise eingesetzt, verleiht Essig so mancher Soße ihren letzten Schliff. Mit einem alten Balsamico kann man etwas Süße in eine dunkle Soße zaubern, und Champagneressig (und ein bisschen Honig) sind in einer Weißweinsoße das fehlende Tüpfelchen auf dem I. Essige runden nicht nur den Geschmack und besonders die Süße einer Speise ab, sie reduzieren auch die Salzigkeit, gleichen den Fettgehalt aus und können sogar die Schärfe mildern. Ein Cranberryessig wird mit Mineralwasser zu einem isotonischen Getränk, dass den Kreislauf anregt, ein Schuss Himbeeressig in einem guten Glas Sekt ergibt einen wunderbaren Aperitif. Ein Schokoladenbalsamessig ist der perfekte Begleiter zu Erdbeeren und Vanilleeis.
Sein Einsatzbereich – Zimmer, Küche und Kabinett
Auch der sauerste unter den Essigen hat seine Berechtigung – zum Einlegen und Konservieren von Gurken und anderen Gemüsesorten oder als neutrales Putzmittel und meisterhafter Kalkentferner. Als einzigartiges Naturprodukt wird Essig schon seit jeher auch in der Kosmetik (für Haut und Haar), aber auch für gesundheitliche Belange verwendet. Sogar als Weichspüler kommt er zum Einsatz, denn er enthärtet das Wasser und entfernt Rückstände von Kalk.
Gärungsessig, Säureessig und aromatisierte Essige
Eine Übersicht der verschiedenen Essige zeigt: In einem ersten Schritt unterscheidet man zuerst einmal zwischen einem richtigen Gärungsessig und einem Säureessig. „Gärungsessig liegt vor, wenn die Essigsäure durch doppelte Fermentation entstanden ist“ , liest man diesbezüglich im österreichischen Lebensmittelbuch. So entsteht beispielsweise ein Himbeeressig, indem die reifen Himbeeren zuerst zu einem alkoholischen Getränk vergoren werden. In Folge wird durch Zuführung von Essigbakterien in einer Essigvergärung der Himbeer Cider in Himbeeressig umgewandelt. Säureessig entsteht durch Verdünnen von Essigsäure mit Wasser. Diese wird nicht durch Vergärung, sondern synthetisch hergestellt. Aromatisierter Essig besteht meist aus Weinessig, dem Kräuter und Gewürze, aber auch Beeren zugesetzt werden können.
Wie wird mit dem Essig „verfahren“?
Essig wurde im Altertum bereits von Ägyptern, Persern, Römern und den Griechen hergestellt. Zwischenzeitlich haben sich verschiedene Verfahren zur Essigherstellung entwickelt. Im ursprüngliche Verfahren, der sehr zeitaufwendigen „Orléans Methode“, wird alkoholische Flüssigkeit mit Essigbakterien „geimpft“ und der Fermentationsvorgang in warmen Räumen sich selbst überlassen. Auf der Flüssigkeitsoberfläche bildet sich ein sichtbarer Film aus Bakterien (Kahmhaut), die den Alkohol in Essig umwandelt. Dann wird der Essig unter der Haut vorsichtig abgelassen und anschließend, um den Reifeprozess fortzusetzen und das Aroma noch zu verbessern, in Fässern gelagert. Beim Schnellessigvefahren, auch Fesselverfahren genannt, kommt schwimmendes Trägermaterial (Holzspäne, Kunststoffkügelchen, neuerdings auch, Keramikscherben zum Einsatz), daß die Oberfläche zum Ansiedeln der Bakterien vergrößert und so die Umwandlung beschleunigt. Beim modernen Submersverfahren wird ohne Trägermaterial gearbeitet, die Bakterien sind direkt in der Flüssigkeit suspendiert (sozusagen untergetaucht daher auch der Name des Verfahrens). Das Soleraverfahren ist die klassische Vorgehensweise bei der Essigherstellung. Hierbei wird die Ausgangsessenz von Wein-Essig weiterveredelt, indem man in Criaderas (übereinanderliegende Fassreihen) jeweils den schon gealterten Jungessig mit einem bestimmten Prozentsatz von frischem Traubenmost der neuen Ernte ansetzt.
Vielfalt durch die Natur
Ist der grundlegende Prozess der Essigvergärung immer der gleiche, so ist das Ausgangsmaterial doch ganz unterschiedlich. Hier spiegelt sich die Vielfalt der Natur wieder – denn Essig kann aus allen Früchten, Gemüsesorten und Getreidearten, die vergärbar sind, hergestellt werden.
Fruchtessige sind alle Essige, deren Ausgangsprodukt eine Frucht ist. Ihr Säureanteil ist nicht sehr hoch, deshalb sind sie auch eher mild und fruchtig im Geschmack. Der Apfel ist natürlich der Favorit unter den Fruchtessigen. Zudem hat er gesundheitsfördernde Eigenschaften. Er wirkt antibakteriell und entgiftend, wenn man täglich zwei Esslöffel verdünnt zu sich nimmt. Apfelessig enthält viele Mineralstoffe, zum Beispiel hat er einen hohen Kaliumanteil. Dann gibt es wiederum Früchte wie die Erdbeere, die sich ganz und gar nicht zur Vergärung von Essig eignen, da ihr Geschmack den Gärungsprozess nicht übersteht. Ein Erdbeeressig ist meist ein mit Erdbeerpüree aromatisierter Essig. Auch für Kräuteressige werden fertige Essige mit Kräutern versetzt.
Weinessig wird aus Obstwein hergestellt. Im Grunde ist er also auch ein Fruchtessig, ist doch das Ausgangsprodukt eine Traube. Der Unterschied liegt allerdings im höheren Alkoholgehalt. Daher hat der Weinessig auch einen höheren Essigsäureanteil und schmeckt nicht so lieblich wie ein Fruchtessig, sondern sehr viel saurer. Ein Rotweinessig ist durch die enthaltenen Gerbstoffe viel herber als ein Weißweinessig. Auf die gleiche Weise wie Weinessige werden auch Champagneressig und Sherryessig hergestellt.
Branntweinessig schmeckt scharf und hat eine „spitze Säure“. Meist wird er zum Einlegen und Konservieren verwendet. Meist ist er nicht sehr hochwertig, da er vor allem aus billig hergestelltem Branntwein (z. B. aus Zuckerrüben) gewonnen wird. Als Genussmittel eignet er sich nicht.
Gemüseessig wird aus vergorenem Gemüsesaft/Maische erzeugt. Sehr gerne werden Karotten, Tomaten, Rote Beete, Gurken und Spargel zum Essigmachen verwendet. Durch den niedrigen Zuckergehalt ist die Umwandlung von Gemüse in Essig sehr aufwendig.
Essig aus Malz, Bier, Honig und Molke
Auch Gerste eignet sich zur Essigherstellung. Der Malzessig entsteht aus der vergorenen Malzmaische, für den Bieressig wird der normale Brauvorgang für Bier weitergeführt und aus dem fertigen Bier entsteht durch Fermentation der Bieressig. Je nach Bier treten hier ganz unterschiedliche Essige zutage… Auch aus vergorenem Honig und vergorenerer Molke wird Essig erzeugt. Gärungsessige unterschiedlichen Ausgangsmaterials dürfen laut österreichischen Lebensmittelhandbuch miteinander verschnitten werden. Wer gerne asiatisch kocht, der greift zum Reisessig.
Edel und gut: Balsamessig
Der Favorit in unseren Breiten ist aber neben dem Apfelessig der Balsamessig und insbesondere der Balsamico di Modena. Balsamessig besteht immer aus einem durch Einkochen verdickten Most. Beim Balsamico di Modena wird Traubenobst verwendet, es kann aber auch aus Apfel- oder Birnenmost ausgezeichneter Essig vergoren werden. Der Name „Aceto Balsamico Tradizionale“ ist rechtlich geschützt. Grundlage dafür bildet der eingedickte Most der weißen Trebbianotraube. Diese Essigsorte muss mindestens zwölf Jahre in Holzfässern reifen. Durch das Holz erfolgt eine Verdunstung und der Essig wird konzentriert. Je älter er ist, umso dickflüssiger ist er.
Die österreichische Antwort auf Aceto Balsamico ist Veltsam und Zweisam(also Veltliner Balsamico und Zweigelt Balsamico) von der Balsamico-Manufaktur MAYER + MAYER in Krems aber natürlich auch Pecoraro aus Klosterneuburg.
Mehr über Essigherstellung und warum nicht jeder Essig vegan ist: Der Essig-Physiker