Die Bauern halten Nutztiere und bauen Obst, Gemüse und Getreide an. Stimmt. In Wirklichkeit ist das aber nur ein klitzekleiner Teil ihres Jobs.

Unsere Vorstellungen haben oft recht wenig mit der Wirklichkeit zu tun. ©Unsplash

Am Hof von Elisabeth Obweger steht eine Zirbe. 50 Jahre muss die schon alt sein. Dabei sind dem Schwiegervater die Zirben immer eingegangen. Bis ihm ein alter Mölltaler Bauer erzählt hat, dass man Zirben genauso wieder einsetzen muss, wie man sie auch ausgegraben hat. Sind ihre Äste nach Süden ausgerichtet, müssen sie das auch am neuen Standort sein. Es ist das alte Wissen, das nicht verloren gehen darf, sagt Obweger. Altes Wissen weitergeben, “das man nicht aus dem Internet holen kann”, das ist mittlerweile ihre Berufung. Sie stellt Heilmittel her, arbeitet etwa mit Beinwell oder Arnika. Aber sie lässt die Menschen auch “selber tun”. Und das heißt?A “Rausgehen in die Natur, schauen, sammeln und verarbeiten.” Die halbe Heilwirkung stammt schon aus diesem Tun, meint sie. Und damit sind wir auch schon bei einem Mehrwert. Wissen weiter zu geben, wie man die eine oder andere Blessur mit dem heilen kann, das die Natur hergibt, ist mit Sicherheit ein Grund, warum die Gesellschaft nicht auf Bauern verzichten kann. Aber nicht der einzige. Das eben gestartete Projekt “Mehrwert Landwirtschaft” macht sie jetzt sichtbar.

Beginnen wir bei dem naheliegenden. Unsere Bauern pflegen die Natur und die Landschaft. So wie der Abtenauer Josef Quehenberger. Auf seiner Alm, die dank der Feuchtwiesen auch in Dürrezeiten nicht austrocknet, bewirtschaftet er eine Naturschutzfläche, eine drei Hektar große Mähwiese. Quehenberger pflegt die Flächen, denn sonst würden sie „zuwachsen“ und ihr Wert würde für die Biodiversität verloren gehen – „eine klassische Naturschutzaufgabe. Auf seinen steileren Almflächen grasen braune Bergschafe. Die sind vom Aussterben bedroht, dabei aber „super Weidepfleger, denn die gehen in die steilsten Flächen rein“. Nebenbei trägt Quehenberger also auch noch zur Erhaltung der genetischen Vielfalt bei Nutztieren bei.

Warum dieser Umwelt- und Naturschutz durch Bauern so wichtig ist? Ganz einfach: Weil die Zerstörung der Artenvielfalt und der Ökosysteme mittlerweile ein Niveau erreicht hat, das unsere Lebensgrundlage mindestens genauso bedroht wie die Klimakrise.

Eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht, das ist mehr als je zuvor in der Geschichte der Menschheit. Die Bewirtschaftung der heimischen Wiesen ist daher schlicht eine Zukunftsfrage für die Landwirtschaft. Waren artenreiche, bunte Wiesen früher wichtige Futterwiesen und dabei selbstverständliche Hotspots der Biodiversität – so müssen wir sie heute bewusst erhalten und neu schaffen.

Abgesehen davon? Schaffen die Bauern noch so einiges. Beispielsweise Plätze zur Naherholung – Sie wissen schon, Urlaub am Bauernhof. Maximal zehn Betten vermietet so ein Bauernhof. Die Gäste bekommen ganz individuelle Einblicke. Wußten Sie übrigens, dass ganze 69 Prozent aller Österreicher die Absicht hegen, Ferien auf einem Bauernhof zu verbringen. Gut ist da, dass es genug Wegenetze aus Bauernhand  gibt und die Kultur und Kulturlandschaft noch erhalten ist. Dann sind da noch eine Menge Arbeitsplätze im ländlichen Raum, die auf Bauern-Kappe gehen. Und sie sorgen für Austausch und Begegnung. Letztgenanntes ist übrigens auch bitter nötig, denn die Verunsicherung allem voran der urbanen Konsumenten steigt quasi stündlich. Schließlich hat man keinen Einblick, und damit auch keinen Durchblick. Es sei denn man hat bereits an einer After Work-am-Bauernhof-Landpartie teilgenommen, dabei Bauern direkt auf ihren Höfen getroffen und Antworten auf alle möglichen und  unmöglichen Fragen bekommen. 20 solche Partien gab es bereits. Die, die oft nicht mehr so viel Fragen, finden sich dagegen immer öfter auf den Green Care Bauernhöfen ein, Demenzkranke zum Beispiel am Alpakapoint Pointner im Mühlviertel. Den haben die Hofbesitzer Gottfried und Renate Pointner als Milchkuhbetrieb übernommen. Heute werden dort Demenzkranke tagsüber betreut. Aber nicht nur. Auch tiergestützte Pädagogik findet dank der mittlerweile dort lebenden Hasen, Ziegen und Alpakas ihren Platz. „Die von uns betreuten Menschen sind daheim entspannter, interessierter, sie schlafen besser und bei Testungen durch den Psychiater hat sich auch gezeigt, dass der Krankheitsverlauf verlangsamt werden konnte”, sagt Renate Pointner, die übrigens schon davor in der Pflege tätig war.

Green-Care, das 2011 mit einem Pilotprojet gestartet ist, reicht übrigens mittlerweile von der Wildnis- und Abenteuertherapie im Wald bis hin zu tiergestützter Therapie, Erfahrungslernen am Bauernhof oder sozialer Landwirtschaft. Eines ist ihnen allen gemein: Der Bauernhof lässt Menschen aufblühen. Noch immer nicht genug Mehrwert? Hier können Sie sich weiter in diese Themen vertiefen:

https://www.umweltdachverband.at/assets/Umweltdachverband/Publikationen/Eigene-Publikationen/UWD-Tausendsassa-Landwirtschaft-RZ-web.pdf

Veränderte Landwirtschaft

Die Landwirtschaft in Europa und Österreich hat sich seit der Nachkriegszeit radikal gewandelt. Die österreichische Land- und Forstwirtschaft ist nach wie vor im internationalen Vergleich kleinstrukturiert – dennoch hält der Trend zu größeren Betrieben an. Wurde 1951 von einem Betrieb im Durchschnitt eine Gesamtfläche von 18,8 Hektar bewirtschaftet, so waren es 2016 bereits 45,2 Hektar. Und dennoch werden mehr als 95 Prozent der heimischen Land- und Forstbetriebe seit Generationen familiengeführt. Aktuell arbeiten in Österreich nur noch rund drei Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft, mehr als die Hälfte davon melkt, pflügt und erntet im Nebenerwerb.