Essen von vis-à-vis
Sich großteils von dem ernähren, was ums Eck angebaut und hergestellt wird? Geht das? Ja, in Kärnten ist genau das in den Slow Food Villages bereits Realität.
Rückbesinnung auf die Stärken eines Dorfes
Wer dabei sein will, der muss das kulturelle und kulinarische Erbe als Chance erkennen. Das heißt auf gut Deutsch, dass sich ein Zusammenschluss der Dorfbewohner gemeinsam um eine verantwortungsvolle Ernährungs– und Esskultur in ihrer unmittelbaren Umgebung kümmert und regionalen Genuss sichtbar und erlebbar macht. Doch was genau unterscheidet denn nun ein Slow Food Village von einem normalen Dorf?
In einem Slow Food Village erzeugen heimische Bauern und Lebensmittelhandwerker ihre Produkte gut, sauber und fair. Gastwirte, Köche und Beherbergungsbetriebe übernehmen Verantwortung für regionale Lebensmittel und bieten Saisonales. Wissen über gesunde Ernährung, Rezepte, aber auch alte Handwerkstechniken werden bei Informations- und Bildungsveranstaltungen weiter gegeben. Lokale Lebensmittel werden auf örtlichen Marktplätzen verkauft.
„In der Verteidigung und zum Erhalt des gastronomischen Erbes ist der Schutz von Dörfern in ländlichen Regionen ein wichtiger Bestandteil. Dörfer sollen wieder zu den Keimzellen des guten, sozialen Lebens werden.” So formuliert es Carlo Petrini, der Gründer von Slow Food.
Slow Food Villages brauchen:
- Eine Gemeinschaft, die sich für eine verantwortungsvolle Ernährungs- und Esskultur einsetzt und sich um gutes, gesundes Essen bemüht.
- Lebensmittelproduzenten (Bauern/Lebensmittelhandwerker), die gute, saubere Lebensmittel zu fairen Preisen erzeugen.
- Aktivitäten im Kindergarten und in der Volksschule, um schon den Kleinsten gesundes Essen zu bieten. Kinder sollen die Herstellung von Lebensmittel erleben.
- Gastwirte und Köche, die frische, unverfälschte lokale und regionale Lebensmittel beim Kochen verwenden und die Information auch an die Gäste aktiv weitergeben (Herkunft, Zubereitung und aktive Kommunikation in der Speisekarte).
- Marktplätze bzw. Geschäfte im Dorf, wo die lokalen, frischen und regionalen Lebensmittel erhältlich sind (Direktvermarkter, Ab-Hof-Verkauf, Nahversorger, Märkte).
- Aktivitäten und Erlebnisse, bei denen die Erzeuger die Verarbeitung erlebbar machen (Verkostungen, Koch- und Backworkshops, etc.).
Geht es nach ihm, dann sollen die neuen Impulse des Slow Food Village-Projekts auch und allem voran der ländlichen Abwanderung entgegenwirken und weltweit Vorbild für andere Länder werden. Denn wo es sich gut lebt, da will keiner mehr weg. Dass die ganze Geschichte auch Touristen anspricht, liegt auf der Hand. Wer mag authentisches Essen und gute, regionale Produkte nicht? “Schließlich ist Nachhaltigkeit dann kein reines Lippenbekenntnis, sondern gelebte Praxis”, sagt Sebastian Schuschnig, Landesrat für Wirtschaft und Tourismus. Und davon profitieren letztlich nicht nur Gäste, sondern auch alle Lebensmittelproduzenten und die Einheimischen. Eine echte Win-Win Situation sozusagen, die auch den Kärntner Bauern mit ihren Produkten neue Chancen bietet. Das erste Slow Food Projekt in Kärnten ist das übrigens nicht. Das Bundesland hat im Auftrag von Slow Food International bereits die weltweit erste „Slow Food Travel Region“ im Gailtal und Lesachtal entwickelt. Weitere Regionen sollen folgen. Als Marketingaktivität will man beides nicht sehen, sondern als Projekt für den gesamten Lebensraum Kärnten.
Regionale Produzenten, Gastwirte und Nahversorger sind wichtig für eine lebendige Dorfgemeinschaft und tragen so zu einem guten Ort des Lebens bei.”
Davon ist Projektentwickler und -koordinator Eckart Mandler überzeugt. Und natürlich die sieben Dörfer aus Kärnten, die bereits Slow Food Villages sind und jetzt ausgezeichnet wurden – Arriach, Berg im Drautal, Millstatt, Irschen, Nötsch im Gailtal, Obervellach und St. Daniel im Gailtal. Sie alle erfüllen nicht nur die geforderten Kriterien, sondern haben sich auch auf den oft nicht ganz einfachen Wandlungsprozess vom Dorf zu einem Slow Food Village eingelassen. Bei Gemeinden oder Dörfern mit weniger als 5.000 Einwohnern geht das nur mit einer starken Gemeinschaft aus aktiven Akteuren – Bauern, Gastronomen, Privatpersonen, Pädagogen etc. Die Ziele hat man sich hoch gesteckt. Sinn des Projekts sei, dass man alles aus dem Dorf bekomme, sagt Elisabeth Suntinger, die Organisatorin Slow Food Irschen. Sie will die Menschen motivieren, mehr anzubauen und dadurch den Lebensmitteln wieder mehr Wertschätzung zu verschaffen. “Was man selber anbaut, das schätzte man mehr.” Und weil man mittlerweile weiß, wie’s geht, wurde von den Dörfern bei der Auszeichnung auch gleich das erste praxisorientierte Handbuch mit Anleitungen präsentiert, wie lokale Produzenten, Veredler und Abnehmer, beispielsweise Gasthäuser, Kindergärten, Schulen und Pflegeheime, bestmöglich zusammenarbeiten können.
Über Slow Food Kärnten
2018 wurde Slow Food Kärnten gegründet, um die Vielfalt der heimischen Lebensmittel sowie die regionalen Küchen- und Esstraditionen zu erhalten. Partner von Slow Food Kärnten sind die Kärnten Werbung, Genussland Kärnten, Wirtschaftskammer Kärnten, Landwirtschaftliche Fachschulen Kärnten, Slow Food Convivium Alpe Adria, Brothandwerker Kärnten und Obmann Gottfried Bachler. Unterstützt wird Slow Food Kärnten auch vom Land Kärnten. http://www.slowfood-kaernten.at
Über die internationale Slow Food Bewegung
Seit 30 Jahren beschäftigt sich die Non-Profit-Bewegung von Slow Food weltweit mit Ernährung. Gemeinsam mit Netzwerkpartner setzen sich Millionen von Menschen für ein gutes, sauberes und faires Essen ein. www.slowfood.com/de