Wie Hardcore-Fleischfans es schafften, die gesunde, umweltbewusste “Planetary Health Diet” der Eat Lancet Kommission gezielt zu unterwandern.

Gut für Mensch und Klima: Weniger Fleisch, mehr Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse zu essen. ©Unsplash

Wenn Fleischtiger sich auf sozialen Medien zusammentun und mobilisieren, dann scheitern auch 37 Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen aus 16 Ländern an ihnen. Selbst dann, wenn sie etwas so Wohlüberlegtes präsentieren, wie die “Planetary Health Diet”. Die stellte die Eat Lancet Kommission im vergangenen Jänner vor. Durch den Konsum von maximal 35 Gramm an rotem Fleisch pro Tag, dafür mehr Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse, sollen Mensch und Klima profitieren. Um 20 Prozent weniger vorzeitige Todesfälle soll es am Ende geben. Win-Win? Ja, sagten weltweit die etablierten Medien wie The Guardian oder New York Times.  Um Gottes willen Nein, sagten die Fleischliebhaber, und starteten schon Tage vor der Publikation der Ernährungsempfehlungen eine Gegenkampagne auf Twitter, wie man heute weiß. Und damit erreichten sie mehr Menschen als die Forscher, so eine gerade publizierte Analyse.

Hashtag “#yes2meat”

Was tat sich da auf Twitter? “Hochpolarisierte Online-Debatten, inklusive Desinformation, Verschwörungstheorien und persönlichen Attacken in Zusammenhang mit dem Hashtag ‘#yes2meat'”, so die Autoren der aktuellen Analyse vom Stockholm Resilience Centre und dem Complexity Science Hub (CSH) Vienna. Ganze 8,5 Millionen Tweets haben sich die Komplexitätsforscher Victor Galaz, David Garcia und Stefan Daume angesehen, die 4.278 Nutzer in Zusammenhang mit dem Thema “#EAT-Lancet” und “#yes2meat” zwitscherten.

So stellen sich die Forscher eine Ernährung vor, die Mensch und Klima schützt. ©Eat Lancet

Und dabei fiel eines auf: Schon als die neuen Ernährungsempfehlungen der Öffentlichkeit noch gar nicht zugänglich waren, startete unter “#yes2meat” eine zunächst eher in neutralem Ton gehaltene, aber durchaus lebhafte Debatte. Nach der Publikation wurde der Ton rauer und die Angriffe auf die Erkenntnisse der Kommission direkter. Und dann passierte noch einmal etwas Interessantes.

Die Reichweite der negativen Kampagne auf Twitter überstieg die Reichweite der ausgewogenen Berichterstattung. Die Fleischfans und Gegner erreichten 26 Millionen Menschen, die Wissenschaftler und Befürworter eine Million weniger.

Wurden dabei so genannte “Social Bots” genutzt – also Programmen, die automatisch Nachrichten versenden, aber so tun als wären sie “echte” Nutzer? Nein, alle Tweets waren offenbar echt. Die Hauptkritikpunkte? Gern genannt wurde die Vermutung, hinter der Planetary Health Diet stecke eine gezielte Aktion von Veganern. Aber auch der Hinweis auf Mangelernährung fand sich des öfteren. Einen der ersten Tweets zum Thema setzte übrigens Frederic Leroy ab: Er verweist darin auf einen Beitrag auf EFA News, einer agrarnahen Website. Koautor Galaz zeigt sich jedenfalls erschüttert.

“Es ist zutiefst beunruhigend zu sehen, dass Erkenntnisse aus einer ambitionierten und sorgfältigen wissenschaftlichen Analyse in sozialen Medien derart erfolgreich konterkariert werden können”.

Die “‘yes2meat”-Bewegung ist ein Rückschlag für den EAT-Lancet-Bericht, sagen die Forscher auch. Warum? Weil die Negativ-Kampagnisierer viele unentschlossene User auf ihre Seite ziehen konnten. Die Analyse zeigt auch das. Gab es zuerst Befürworter, Kritiker und Unentschlossene, so haben letztere später sechsmal so häufig Tweets von Kritikern retweetet. Tatsächlich ist es offenbar sehr einfach, gezielt und erfolgreich Stimmung gegen die Empfehlung zu weniger Fleischkonsum zu machen.

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