Pizza-Schock
Wer sich um’s Klima sorgt, der greift zu frischer Ware. Klingt logisch, ist aber falsch. Die Klimabilanz von Tiefkühl-Pizza & Co ist mit selbst zubereiteter Nahrung vergleichbar.
Wer frische Produkte verwendet, der tut was für’s Klima. No, na sagen Sie? Schließlich wird durch die Verarbeitung zusätzliche Energie notwendig- man muss sie ja haltbar machen, etwa tiefkühlen. Mitnichten, sagt das Öko-Institut in Freiburg im Breisgau in seiner Klimabilanzstudie im Hinblick auf die tiefgekühlte Waren wie Weizenweckerl, Hühnergeschnetzeltes, Erbsen Salamipizza Pizza und Erdäpfelpuffer. Darüber, ob ein Produkt eine gute oder schlechte Klimabilanz hat, entscheidet nämlich nicht nur die Rezeptur, sondern auch das Einkaufsverhalten der Kunden, die Lagerung daheim und die Zubereitung.
Unser Einkaufsverhalten entscheidet
Genauer gesagt hat es laut Carl Otto Gensch vom Öko-Institut nur einer in der Hand, ob frische oder Tiefkühlware zum CO2-Killer wird: der Konsument und sein Umgang mit den Lebensmitteln. Wie aber kam man zu dieser Erkenntnis? Indem die Ergebnisse in Sachen Treibhausemissionen entlang des gesamten Produktlebenswegs der Tiefkühlwaren mit anderen möglichen Angebotsformen verglichen wurden. Insbesondere Transport und Lagerung fällt CO2-mäßig bei den Tiefkühlprodukten viel weniger ins Gewicht als man glaubt. Bei Hühnergeschnetzeltem liegt der Anteil an der Gesamtbilanz etwa lediglich bei zwei Prozent. Nicht viel schlechter schneidet mit sechs Prozent die Tiefkühlpizza ab; auch hier entscheidet der Konsument über das Prädikat Klimakiller: Wer z.B. den Weg zum Supermarkt zwecks Tiefkühlpizzakauf mit dem Auto zurücklegt, der tut aktiv einiges zur negativen Klimabilanz. Einkauf, Lagerung im Haushalt, Zubereitung und Spülen verursachen bei der Tiefkühlpizza 181 bis 206 Gramm CO2 – immerhin 33 Prozent der Gesamtemissionen. Zum Vergleich: Bei ungekühlter Pizza fallen beim Endverbraucher 140 Gramm CO2 an, bei selbstzubereiteter Pizza 200 Gramm.
Über die eh nicht so bösen Tiefkühlprodukte
Besonders drastisch zeigt sich der Käufer-Einfluss auch bei den Weckerln – egal, ob eingefroren oder frisch. Über die Hälfte der Treibgasemissionen fällt bei da entlang der gesamten Wertschöpfungskette beim Endverbraucher an – beim Einkauf, der Lagerung und Zubereitung. Die Komplettfertiggerichte kämpfen CO2-mäßig mit den Rohwaren. Beim stellvertretend untersuchten Hühnergeschnetzelten stellen diese beispielsweise zwei Drittel (62%) oder anders gesagt 139 Gramm CO2-Emissionen und damit den größten Anteil. Allerdings verhält sich das auch hier bei der selbst gekochten Variante nicht anders. Auch da verursachen die Rohwaren, sprich die Fleischproduktion, die höchsten Emissionswerte. Ganz neu ist die Geschichte mit den eh nicht so bösen Tiefkühlprodukten freilich nicht. Tiefkühl-Nachhaltigkeitsvorreiter Frosta hatte sich schon 2009 gefragt: Kann man CO2 sparen, wenn man zu Hause immer frisch selber kocht? Verglichen wurde damals der CO2-Fußabdruck von Tiefkühl-“Tagliatelle Wildlachs“ im Vergleich zum frisch gekochten, selben Gericht. Und auch da erbrachten die Berechnungen Überraschendes: Mit frischem Freilandgemüse aus der Region selbst gekocht, verursachte das Gericht geringfügig mehr CO2 als die Tiefkühlware.
Frostas Tomaten & das CO2
Frosta erklärte die Sache stellvertretend anhand von Tomaten so: Würden in Nordeuropa im März Paprika oder Tomaten geerntet, müssten dazu die Gewächshäuser beleuchtet oder beheizt werden; es werde praktisch ein künstlicher Sommer erzeugt. Was sich dann gewaltig auf den Energieverbrauch auswirke und sich auch entsprechend im CO2-Fußabdruck niederschlage. Hingegen würden die Tomaten für das Tiefkühlgericht sofort nach der Ernte eingefroren und seien danach monatelang ohne Qualitätseinbuße haltbar. Deshalb könne man sie immer dort anbauen, wo die klimatischen Bedingungen optimal seien – permanent Freilandgemüse einsetzen und dieses dann per Schiff oder Lkw zur Verarbeitung transportieren.
Was ist mit der Fairness?
Kaum ist aber die CO2-Frage scheinbar gelöst, kommt Kritik aus einer anderen Ecke. In diesem Fall jener der Stayfair GmbH bzw. dessen Geschäftsführer Hans Klaus Schuppert. Dort beschäftigt man sich ebenfalls mit Tiefkühl-Pizza. Die Zutaten dafür, sagt Stayfair, müssten aus verschiedensten Ecken Europas, Asiens oder Afrikas herangeschafft werden. Für Zulieferer, wie z.B. die Bauern, bedeute das, dass sie für ihre Produkte nur Cent-Beträge erhielten. “Ein Tomatenlieferant aus Italien z.B. bekommt gerade mal zehn Cent für ein Kilo seiner Tomaten.“ Bestätigt wird das von Paul Trummer, Autor des Buchs “Pizza Globale“, der bei Recherchen staunte: “Am schlimmsten fand ich die Ausbeutung der Erntehelfer in den süditalienischen Anbaugebieten. Meist sind es Saisonarbeiter aus Afrika, die dort unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen, in einfachsten Behausungen für einen winzigen Lohn.” Doch Stayfair und Trummer kritisieren noch mehr. Fleisch für die Salami käme meist aus osteuropäischen Ländern – Stichwort Massentierhaltung. Das nötige Mehl für den Teig werde häufig aus Getreide hergestellt, das aus Russland stamme. Als Germlieferant diene meist der größte Germhersteller der Welt in Frankreich, während Oregano aus der Türkei und Ägypten käme. Der Knoblauch schließlich werde aus China importiert und der Käseersatz, der sich gern auf Fertigpizzen finde, enthalte indonesisches Palmöl. Unser Fazit: Ziemlich multikulti, so eine Tiefkühlpizza, fair nicht unbedingt, dafür aber auch nicht so klimaschädlich, wie gedacht. Mit der Holzofenpizza vom Lieblingsitaliener kann sie sich naturgemäß trotzdem nicht messen. Und am allerbesten machen sich sowieso unsere niemals tiefgefrorenen Alpengarnelen aus Tirol auf Ihrer nächsten selbst gemachten Pizza.