Seit fünf Tagen leben wir ökologisch auf Kredit. Denn die Ressourcen der Erde für dieses Jahr sind aufgebraucht. Darüber sollen wir uns Gedanken machen.

Rien ne vas plus. Nichts geht mehr. Rein rechnerisch gibt die Erde seit 29. Juli diesen Jahres nichts mehr her. Aber eben nur rein rechnerisch. Von daher verbrauchen die Menschen munter weiter. Und deshalb spricht die Organisation Global Footprint Network auch davon, dass wir auf Pump leben. Um die von der Menschheit pro Jahr so verbrauchten ökologischen Ressourcen wie Wasser, Land, Holz und saubere Luft zu liefern, wären derzeit nämlich exakt 1,75 Erden notwendig. Die richtig schlechte Nachricht daran: Das mit dem Pump beginnt immer früher. Voriges Jahr fiel der sogenannte Erdüberlastungstag noch auf den 1. August und vor 20 Jahren lag er Ende September. Damit aber nicht genug der schlechten News. Würden alle Menschen so leben, wie wir hier in Österreich, dann wären die Ressourcen, die alle Ökosysteme im gesamten Jahr erneuern können, sogar bereits am 15. April  verbraucht gewesen. Die Kosten dafür? Werden immer sichtbarer, etwa durch Abholzung, Bodenerosion, den Verlust der Artenvielfalt oder den Anstieg von CO2 in der Erdatmosphäre.

Earth Overshoot Day

Der “Erdüberlastungstag” (oder auch «Earth Overshoot Day» genannt) markiert den Tag, ab dem wir aus ökologischer Sicht über unseren Verhältnissen leben. Das bedeutet, dass die Menschheit vom 1. Januar bis zum 29. Juli so viel von der Natur verbraucht haben wird, wie die Ökosysteme der Erde im ganzen Jahr erneuern können. Rein rechnerisch beansprucht die Weltbevölkerung mittlerweile 1,75 Erden. Die ökologische Buchhaltung zur Berechnung dieses Tages wird vom Global Footprint Network zusammen mit der York University bereitgestellt. www.overshootday.org

Woran liegt’s im Allgemeinen und woran hapert es im Besonderen hierzulande? Die Übernutzung der natürlichen Ressourcen geht zu etwa 60 Prozent auf das Konto der überschüssigen CO2-Emissionen, die nicht mehr in natürliche Kreisläufe zurückgeführt werden. Immerhin werden diese höchst alarmierenden Folgen zumindest von der internationalen Politik bereits als Gefahr erkannt – sichtbar an Zielvorgaben wie den SDGs (Sustainable Development Goals) und den Pariser Klimazielen. Konkrete Maßnahmen und Umsetzungen fehlen allerdings nach wie vor. Österreich findet sich in Sachen Reduktion der Treibgasemissionen leider unter ferner liefen. Statt zu fallen, sind sie seit 1990 bei uns um 4,6 Prozent gestiegen. EU-weit sind sie im selben Zeitrum um etwa ein Fünftel gefallen. Der Biodiversität tut das hier wie da nicht gut.WWF Klimasprecherin Lisa Plattner bringt es beinhart so auf den Punkt: “Weltweit sind bis zu einer Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Schrumpfende Lebensräume, hoher Bodenverbrauch und die intensivere Nutzung durch industrielle Land- und Forstwirtschaft verursachen das Artensterben, die Klimakrise beschleunigt den Niedergang.” Die Politik? Die drücke sich vor den großen, wirksamen Maßnahmen beim Verkehr, den Gebäuden und der Industrie – sowohl weltweit als auch in Österreich. Also muss der Naturschutz es richten: „Angesichts der Klimakrise zählen intakte Ökosysteme zu den besten Versicherungen für Mensch und Natur“, sagt Plattner.

Schlimmer geht’s immer

In der Reihung nimmt Österreich allerdings nicht den obersten Stockerlplatz ein. Ganz oben findet sich das Emirat Katar. Da ist der Erdüberlastungstag bereits nach 42 Tagen erreicht, in Luxemburg nach 46 Tagen.

Estland und Dänemark erreichen den Overshoot-Day nach etwa drei Monaten. Der Erdüberlastungstag ist nämlich ein globaler Durchschnittswert. Und das heißt in anderen Worte, dass es von Land zu Land beim Ressourcenverbrauch gewaltige Unterschiede gibt. Und die werden so berechnet:

Insgesamt bietet die Erde etwa 12,2 Milliarden Hektar bioproduktiver Fläche. Der rechnerische Anteil für jede Person beträgt demnach etwa 1,7 Globale Hektar (gha). Der durchschnittliche Österreicher beansprucht dem gegenüber derzeit etwa 6,0 gha. Daraus folgt folgende Erkenntnis: Würden alle Erdenbürger auf ähnlich großem Fuß leben wie wir in Österreich, wären über drei Planeten nötig, beim US-amerikanischen Lebensstil sind es übrigens tatsächlich fast fünf. Gibt es auch Länder, die es besser können? Ja, die gibt es. In Kroatien beispielsweise fällt der Earth Overshoot Day auf den 1. Juni, in Ungarn auf den 14. Juni und in Bulgarien auf den 22. Juni. Damit stehen alle drei besser da als der EU-Schnitt. Der fällt nämlich mittlerweile bereits auf den 10. Mai. Und Kuba, Marokko und der Niger machen quasi alles richtig. Sie kommen fast bis zum Jahresende mit ihren Ressourcen aus. Da könnte sich jetzt manches Land gern ein Beispiel daran nehmen.

  • Wenn wir nur halb so viel mit dem Auto fahren und ein Drittel mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen würden, den Rest durch Wandern oder Radfahren überbrückten, könnten wir den Overshoot Day um 12 Tage verschieben.
  • Die Menge der verschwendeten Lebensmittel macht etwa 9 Prozent des globalen ökologischen Fußabdrucks aus. Wenn wir die Lebensmittelabfälle weltweit halbieren würden, würden wir den Overshoot Day um 11 Tage verschieben.
  • Würden wir 350 Millionen Hektar Wald wiederaufforsten, würden wir den Overshoot Day um 8 Tage verschieben. Aber auch ein naturnaher Garten hilft unserer Umwelt.
  • Wenn wir den globalen Fleischkonsum um 50 Prozent reduzieren und mehr Kalorien aus Pflanzen verbrauchen würden, würden wir den Overshoot Day um 5 Tage verschieben.