280 Millionen Menschen mehr könnten weltweit 2050 hungern. Und wer ist schuld daran? Der Klimaschutz. Es geht aber auch anders, sagen Wiener Forscher

Klimaschutz-Maßnahmen, die nicht umsichtig genug sind, könnten mehr Hungernde bringen. ©Panthermedia

Der Klimaschutz an sich ist ja eine gute Sache. Jedenfalls haben wir das bis jetzt geglaubt. Doch was, wenn man sich ausschließlich um den Klimaschutz kümmert, zum Beispiel massiv Biomasse für die Energieherstellung produziert, ehemals landwirtschaftliche Flächen aufforstet, und alles andere außer Acht lässt? Dann, sagt ein Team um Shinichiro Fujimori vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA), könnten 2050 abhängig zusätzlich zu den 800 Millionen hunernden Menschen weitere 130 bis 280 Millionen Menschen von Hunger bedroht sein. Die gute Nachricht folgt glücklicher Weise auf dem Fuß: Diese “schädlichen Nebenwirkungen” lassen sich mit geringem finanziellen Aufwand vermeiden. Die Forscher untersuchten verschiedene wirtschaftliche Alternativen, darunter Agrarsubventionen, Nahrungsmittelhilfe für einkommensschwache Länder und Nahrungsmittelhilfe nur für Bevölkerungsgruppen, die von Hunger bedroht sind. Die Kosten der Alternativen betrugen zwischen 0 und 0,46 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukt. Das sind sehr bescheidene Zahlen im Vergleich zu den Kosten des Klimaschutzes.

Mehr oder weniger künstliche Bewässerung?

Ganz abgewendet ist das Dilemma damit freilich noch nicht. Denn da ist noch die künstliche Bewässerung. Die wird oft als Wunderwaffe für die Ernährungssicherheit angesehen, weil man damit auch in Gegenden und Zeiten ohne ausreichend Niederschlag Ertrag produzieren kann, sagen Amandine Pastor und Amanda Palazzo vom gleichen Institut, die sich dieses Themas annahmen. Zwischenzeitlich werden allerdings 70 Prozent des benutzten Frischwassers zur Bewässerung von Getreide und anderen Feldfrüchten eingesetzt. In anderen Worten stammen 40 Prozent der Lebensmittel von bewässerten Flächen. Dass dadurch natürliche Ökosysteme an Wassermangel leiden, liegt auf der Hand. Pastor und Palazzo fragten sich: Könnte man die natürlichen Wasservorkommen weltweit nicht besser schützen, indem man weniger Felder künstlich berieselt? Die Antwort ist durchaus überraschend und lautet ja. Doch wer mehr Wasser in der Umwelt lassen will, der muss die Landwirtschaft zum Teil in regenreichere Gebiete verlagern oder  keine Sorten mehr anbauen, die viel Wasser benötigen und nur auf den Regen setzen. Die dadurch entstehenden Verluste? Sollte man ausgleichen, in dem man die Produktion in niederschlagsreichen Regionen steigert und den Handel mit den Feldfrüchten verdreifachen, damit sie gut aufgeteilt werden. „Richtlinien oder Ziele, die darauf abzielen, eine wachsende Bevölkerung mit ausreichend Nahrung und Wasser zu versorgen, stehen möglicherweise im Widerspruch zu Richtlinien zum Schutz der Umwelt”, sagt Palazzo. Daher sei es äußerst wichtig zu verstehen, wie sich die Kompromisse zwischen Nachhaltigkeit und Entwicklungszielen vor Ort auswirken. Ob das die Klimaschützer auch so sehen? Die Hoffnung ist sehr leise, aber stirbt ja bekannter Weise ja erst zuletzt.