Immerhin: Gute Vorsätze
Während der Wintertagung des Ökosozialen Forums sollen diese Woche „blinde Flecken aus dem Green Deal entfernt“ werden – zunächst einmal rhetorisch.
Die Corona-Pandemie mit geschlossenen Grenzen und leeren Supermarktregalen hat klar vor Augen geführt, wie wichtig die Selbstversorgung mit heimischen Lebensmitteln entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist. Die Menschen haben gesehen: Die Landwirtschaft ist nicht nur systemrelevant, sie ist relevant für das Überleben. Denn die Supermärkte stellen zwar Regale auf, aber die Bäuerinnen und Bauern füllen sie mit frischen regionalen Lebensmitteln.
Die 68. Wintertagung des Ökosozialen Forums hat am 21.1. begonnen und dauert noch bis Donnerstag, 28.1. Sie ist die größte Diskussionsveranstaltung der österreichischen Agrarbranche. Heuer diskutieren die Experten zum Thema „Gemeinsam is(s)t man besser. Gemeinsam aus der Krise lernen. Gemeinsam zukunftsfit werden.“ die Folgen von Covid-19 sowie Chancen und Zukunftsperspektiven für die Bäuerinnen und Bauern. Dass das Thema der heurigen Wintertagung des Ökosoziales Forums u.a. mit FAO-Generaldirektor Qu Dongyu, EU-Kommissar Johannes Hahn und der deutschen Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, den Nerv der Zeit trifft, zeigen die Anmeldungen: Mit 7.000 Teilnehmern gibt es einen neuen Rekord.
Green Deal darf Feuer im Amazonas nicht anheizen
„Europa muss jederzeit und ganz besonders in der Krise in der Lage sein, sich selbst zu versorgen“, fordert der Präsident des Ökosozialen Forums Österreich & Europa, Stephan Pernkopf. „Die Corona-Pandemie ist dabei ein Game Changer für die heimische Landwirtschaft. Sie zeigt uns klar, dass wir die Lebensmittelversorgung am eigenen Kontinent sichern und als Teil der strategischen Autonomie Europas erhalten müssen.“ So sei der Green Deal der Europäischen Kommission zwar prinzipiell zu begrüßen, da bei der Lösungssuche die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet wird. „Aber der Green Deal, der nun am Tisch liegt, verkennt die Zeichen der Zeit“, kritisiert Pernkopf. „Er ist ein Deal aus der alten Welt vor Corona, macht unsere Volkswirtschaft verwundbar und schwächt unsere Selbstversorgung. Denn unter diesem grünen Deckmantel versucht besonders der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, die Stilllegung von landwirtschaftlichen Flächen zu erreichen.“
So würden laut Berechnungen des US-Landwirtschaftsministeriums die Produktion um 12 Prozent und die landwirtschaftlichen Einkommen für die europäischen Bauern um 16 Prozent sinken. Flächen still zu legen, gefährdet damit die bäuerlichen Betriebe und die Selbstversorgung mit Lebensmitteln, erhöht die Abhängigkeit von anderen Ländern und erhöht den Hunger auf der Welt. Zudem wird nirgendwo so umweltgerecht produziert wie in Europa. Pernkopf nennt mehrstöckige Schweinefarmen in China mit 150.000 Tieren oder das Niederbrennen von Regenwäldern für Palmöl und Rinderfarmen als Negativbeispiele, wie außerhalb Europas produziert wird. Die steigenden Importe aus diesen Ländern würden den Green Deal samt Farm to Fork- und Biodiversitätsstrategie zur Sackgasse machen. Pernkopf: „Wir hätten zwar Blühstreifen von Portugal bis Lettland, aber dafür kommen unsere Lebensmittel aus Südamerika. Dieser Deal würde das Feuer im Amazonas weiter anheizen. Diese falsch verstandene Blühstreifenpolitik darf nicht am Ende zu mehr Kondensstreifen führen. Erdbeeren und Rindfleisch müssen nicht fliegen.“
Nachhaltige Investierung
Die Farm to Fork-Strategie habe ihren Namen eigentlich nicht verdient, stellt Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger klar. „Eine Strategie, die Lösungen für die gesamte Wertschöpfungskette vorschlägt, kann nicht ohne eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung auskommen. Kurze Transportwege sind das erste, an das man denkt, wenn man vom Acker bis zum Teller hört. Unsere Bauern produzieren aber auch unter höheren Klima- und Umweltstandards und regionaler Qualität. Das muss für die Konsumenten auch transparent erkennbar sein. Unsere Bauern liefern, was wir täglich brauchen.“ Die österreichische Landwirtschaft hat das in der Corona-Krise eindrucksvoll bewiesen: Sie sichert die Lebensmittelversorgung und deckt damit den Tisch. Köstinger: „Wir müssen den Weg der Selbstversorgung immer gemeinsam mit den Bauern gehen. Billigimporten durch Freihandelsabkommen wie Mercosur darf niemals der Vorzug gegenüber der heimischen Produktion gegeben werden. Es braucht ein klares Bekenntnis gegen unfaire Freihandelsabkommen und Lebensmittel, die über den halben Erdball transportiert werden.“
Das Ökosoziale Forum fordert ein Umdenken und das Modell der nachhaltigen Intensivierung, das sich in Österreich bewährt hat. Pernkopf: „Nachhaltige Intensivierung bringt Produktion und Natur in Einklang und sichert das Einkommen für die Bauern, die damit nachhaltig agieren können. Das ist der ökosoziale Gedanke: Arbeit schaffen, Wirtschaft stützen und gleichzeitig die Umwelt schützen.“ Und noch einmal Köstinger: „Die Corona-Krise hat uns allen vor Augen geführt, wie wichtig die Versorgung mit hochqualitativen Lebensmitteln ist. Unser Weg, bei der Lebensmittelversorgung auf Familienbetriebe und nicht auf die Agrarindustrie zu setzen, war und ist der einzig richtige. Was es daher in Zukunft für die Versorgungssicherung braucht, sind unsere kleinen Strukturen. Nur wenn wir die Wertschätzung für die harte Arbeit der Bauern erhöhen, werden diese auch eine Zukunft in der Landwirtschaft sehen. Wir brauchen daher den Schritt von einer Wertschöpfungs- hin zu einer Wertschätzungskette.“
Bleibt zu hoffen, dass aus den guten Vorsätzen auch konkrete Verbesserungen werden …