Die Zukunft von Erdäpfeln und Gerste dürfte gesichert sein. Im deutschen Halle züchteten Forscher hitzeresistente Gerste, in Erlangen-Nürnberg gelang das gleiche bei Erdäpfeln.

Das Forscherteam um Uwe Sonnewald (ganz links) mit ihren hitzeresistenten Erdäpfelpflanzen. ©FAU Uwe Sonnewald

Erdäpfel würden skandinavische Sommer wählen, wenn sie denn eine Wahl hätten. Rund um 21 Grad am Tag und 18 Grad nachts sind ideal für die Knollenbildung. Bei diesen Temperaturen und der richtigen Tageslänge wird in den Blättern ein knolleninduzierendes Eiweiß gebildet. Das signalisiert der Pflanze, Knollen zu bilden, um auf Kälteperioden vorbereitet zu sein. Klettert das Thermomether  auf 29 Grad und darüber tagsüber und gibt es nachts Tropennächte, pfeift die Pflanze drauf. Entweder sie bildet dann gar keine Knollen mehr oder deutlich weniger. Sie fährt dann auf einer Art Wachstumsprogramm und bildet mehr grüne Triebe und Blätter statt Knollen. Dummerweise kommt aber noch etwas dazu: Die wenigen Knollen haben einen geringeren Stärkegehalt und keimen schneller – sie sind also nicht so nahrhaft und verderben auch schneller.

Der Erdapfel als Sonnenanbeter?

Keine gute Aussicht für Erdäpfelliebhaber angesichts der immer heißeren Sommer in Europa. Mal ganz abgesehen davon, dass die Erdäpfeln in unseren Breiten zu den Grundnahrungsmitteln zählen. Doch glücklicher Weise gibt es Biochemiker. In diesem Fall finden sie sich an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und haben herausgefunden, woran das liegt: Steigt die Temperatur, blockiert eine sogenannte „kleine RNA“ die Knollenbildung. Was also tun? Diese kleine RNA ausschalten und so wärmeresistente Kartoffelpflanzen erzeugen. Genau das ist den Forschern jetzt gelungen.

Bilden auch bei Hitze perfekte Knollen: Die Erdäpfelpflanzen mit ausgeschalteter RNA.©FAU Uwe Sonnewald

Und dann? Die Wissenschaftler um Uwe Sonnewald setzten diese Pflanzen hohenTemperaturen im Gewächshaus aus. Das Ergebnis:  Perfekte Knollen. Sonnewald ist sicher: „Unsere Ergebnisse bieten die Chance, dass wir auch in Zukunft bei steigenden Temperaturen noch Kartoffeln anbauen können. Der nächste Schritt: die Kartoffelpflanzen unter Feldbedingungen testen und prüfen, ob die Pflanzen auch unter realen Bedingungen der Hitze trotzen.

Wilde Kreuzungen bringen’s

Andernortens forscht man auch in Sachen Ernährungssicherheit. An der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg (MLU) nimmt man sich die Gerste zur Brust. Das Ziel dabei: Eine neue Gerstenlinie zu kreieren, die selbst bei schlechten Umweltbedingungen für gute Ernteerträge sorgt. Die Idee, dafür eine gängige Sorte mit verschiedenen Wildgersten zu kreuzen, ging auf. “Wildgersten haben sich praktisch über Millionen Jahre an widrige Umweltbedingungen angepasst. Sie verfügen noch heute über eine reichhaltige Biodiversität”, erklärt Pillen. Im Idealfall, so die Idee, lassen sich die vorteilhaften Eigenschaften beider Getreidearten miteinander kombinieren”, sagt Pflanzenwissenschaftler Klaus Pillen.

Feldversuche bestätigen die Idee

Gesagt getan: Eine typische Gerstensorte wurde mit 25 Wildgersten gekreuzt. Dabei entstanden unter anderem 48 genetisch voneinander verschiedene Pflanzenlinien, die das Forschungsteam dann jeweils an fünf sehr unterschiedlichen Standorten auf der Welt anbaute: Dundee (Großbritannien), Halle (Deutschland), Al Karak (Jordanien), Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) und Adelaide (Australien). Jeder dieser Orte hat seine eigenen Rahmenbedingungen: Australien und Dubai leiden unter sehr stark versalzenen, trockenen Böden, Al Karak und Dubai unter Hitze und Dürre. In Deutschland werden die Äcker immer zusätzlich mit Stickstoff gedüngt, um die Ernteerträge zu erhöhen. Die Linien wurden aber nicht nur angebaut, das Wachstum der Pflanzen wurde auch beobachtet und ihr Erbgut analysiert.

Die Gerstenernte der wilden Einkreuzungen in Halle zeigte: Der Feldversuch ist gelungen. ©Nadja Sonntag

Und siehe da, es zeigte sich:  einige Pflanzen waren nicht nur hitze- und dürrebeständiger, sie liefern in vielen Fällen auch höhere Ernteerträge als die lokalen Vergleichssorten. “Wir haben dann jeweils die Pflanzen aus unserer Zucht ausgewählt, die vor Ort besonders gut wuchsen und ihr Erbgut genauer untersucht”, so Pillen weiter. Damit wollten die Forschenden Rückschlüsse auf das Zusammenspiel von Genen, Umwelt und Ernteerträgen ziehen.

Warum perfektes Timing alles ist

Noch etwas zeigte die Studie: Timing ist bei der Entwicklung der Pflanzen extrem wichtig. Was ist damit gemeint? Zum Beispiel die Tagesdauer, die je nach Breitengrad unterschiedlich ist: Je näher ein Ort am Äquator liegt, desto kürzer ist die tägliche Sonnenscheindauer. Und das hat einen großen Einfluss. “In Nordeuropa ist es für Pflanzen vorteilhaft, wenn sie eine späte Blüte haben. Je näher man an den Äquator kommt, desto besser ist es, wenn sich die Pflanzen deutlich schneller entwickeln”, sagt Pillen. Anhand von genetischen Analysen der Pflanzen konnte das Team auch Rückschlüsse auf die Genvarianten ziehen, die dafür verantwortlich sind. Aus dem Wissen darüber, welche Genvarianten für welche geographische Region vorteilhaft sind, lassen sich nach dem Baukastenprinzip Pflanzen kreuzen und züchten, die besonders gut an die lokalen Bedingungen vor Ort angepasst sind. Und das lohnt sich: Selbst unter den widrigen Bedingungen lieferten die besten halleschen Gersten bis zu 20 Prozent höhere Erträge als heimische Pflanzen.

Die beiden Studien finden Sie hier:

www.nature.com/articles/s41598-019-42673-1

https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0960982219304257