Wie viel Wasser verbraucht ein Kilo Fleisch? Die Antwort ist erschütternd. Die plastischen Vergleiche auch. Oder ist etwa allein die Frage schon irreführend?

Verbraucht die Steak-Herstellung nun tatsächlich exorbitant Wasser oder kann man das so gar nicht sagen? ©Panthermedia

„Legt man ein 200 Gramm schweres Rindersteak auf den Grill, verdampfen damit gleich 3.000 Liter Wasser. Das entspricht dem durchschnittlichen Wasserverbrauch einer Person in Österreich für 23 Tage“. Dieser doch ziemlich starke Tobak kommt von der Ernährungswissenschaftlerin Andrea Knieli. Knieli arbeitet bei der Umweltberatung. Dort nimmt man den Sommer gerade zum Anlaß, um einmal mehr darauf aufmerksam zu machen, dass der Wasserverbrauch für unsere Nahrungsmittel enorm ist. Übersetzen lassen sich die Zahlen übrigens so: Drei Wochen lang duschen verbraucht genauso viel Wasser wie der Genuß eines Steaks.

Die größten Wasserverbraucher

Die Produktion von Rindfleisch benötigt bis zu 47 Mal mehr Wasser als die von Gemüse und Obst. Für die Produktion eines Kilos Rindfleisch bis zu 15.455 Liter Wasser verbraucht, sagt die Unesco. Doch auch bei Obst und Gemüse gibt es Ausnahmen. Um eine Avocado zu produzieren, braucht es zwei Badewannenfüllungen Wasser. Verschärft wird das Problem noch durch den Anbau in besonders wasserarmen Regionen wie Israel und Spanien. Die weitaus größten veganen Wasservernichter sind der Anbau von Kakao mit 27.000 und Kaffee mit bis zu 21.000 Liter pro Kilogramm.

Das muss man erst mal sacken lassen. Dahinter steckt ein fataler Kreislauf: Unsere Ernährung beeinflusst das Klima massiv. Mit der Klimaerwärmung wird auch das Wasser knapp. Ein Großteil des Wassers wird für die Lebensmittelproduktion verbraucht. Und Fleisch, so sagen unterschiedlichste Wissenschaftler, liegt ganz weit vorn. Die Lösung der Umweltberatung: Wer sparen will, greift öfter mal zu vegetarischen Alternativen. Doch so einfach ist die Rechnung leider nicht. Wer sich in den Wasserverbrauch bei der Herstellung von Lebensmitteln einarbeitet, der stößt sogar auf vegane Sünder. Kakao und Röstkaffee finden sich da etwa auf den Stockerlplätzen. Ihr Anbau verbraucht mit 27.000 bzw. 21.000 Liter pro Kilo wesentlich mehr Wasser als die durchschnittliche Produktion von einem Kilo Fleisch. Die braucht laut Unesco 15.455 Liter. Nüsse und Hirse brauchen 5.000 Liter. Und roher Reis liegt bei 3.470 Liter Wasser pro Kilo. Unter dem Gemüse finden sich Wassersparer, wie etwa Tomaten mit 110 Litern pro Kilogramm, gefolgt von Karotten, Kartoffeln, grünem Salat sowie Erdbeeren und Zwiebeln. Aber es gibt auch das andere Extrem. Die Avocado beispielsweise. Um beim Duschvergleich zu bleiben: Eine einzelne Avocado braucht zwei Badewannen voll Wasser, bis sie im Supermarktregal landet. Dänische Supermärkte haben chilenische Avocados deshalb sogar bereits ausgelistet.  Die Sache ist also komplexer als gedacht.

Argument hysterischer Fleischfeinde?

Und dann gibt es noch Buchautor Felix Olschewski. Der sagt auf die Frage: Verbraucht Fleischproduktion wirklich so viel Wasser? “Nein. Tatsächlich verbraucht sie gar kein Wasser. Das Wasser verschwindet schließlich nicht, sondern befindet sich weiter­hin im Stoffkreislauf. Das ist die Natur unserer Welt. Nichts verschwindet wirklich, es steckt in Kreisläufen.” Durch unsere Nutzung des Wassers nähme es allerdings Umwege, die seinen Weg vor der Rückkehr in die Verfüg­barkeit verlängerten.

Wasserverbrauch für den Anbau pro Kilo (leicht abweichend von den Unsesco-Zahlen). © obs/Warenvergleich.de

“Wenn wir zur Herstellung eines Produktes Wasser verwenden, dann ist das ungefähr so, als würden wir bei Regen einen Eimer nach draußen stellen und das Wasser an der direkten Rückkehr in den Boden hindern. Da das Wasser weiter besteht, gibt es keinen Verbrauch, nur einen Umweg durch Verwendung. Solange die Gesamtmenge des Wassers ausreicht, können wir es benutzen.” Probleme könnten regional aber entstehen: “Wenn wir Wasser transpor­tieren. Etwa in Form von Tomaten aus Südspanien nach Österreich.” Auch das sei kein Verbrauch, aber es entferne Wasser aus dem lokalen Wasser­sys­tem.

Es gibt nicht “das Fleisch”

Abgesehen davon, sagt Olschewski, variiere der Wasserbedarf oder die Wasserverwendung für die Produktion von Fleisch je nach Tierart und Produktionsmethode. Tatsächlich schlägt Schweinefleisch “nur” mit 4.730 Liter und Geflügel mit 4.000 Liter Wasser pro Kilo zu Buche. Einen Durchschnittswert hält der Autor daher für nutzlos zur Bewertung der Nachhaltigkeit und erklärt das am Beispiel Rind. “Zur Berechnung dieses Wasser­auf­wandes betrachten Forscher wie Mesfin Mekonnen und  Arjen Hoekstra den gesamten Lebenszyklus, also auch dessen Futter. Frisst das Rind Getreide, kalkulieren sie auch dessen Wasserbedarf ein. David Pimentel von der Cornell Universität setzt dazu 1.000 Liter Wasser für die Erzeugung eines Kilos Getreide an und kommt in der Folge sogar auf 43.000 Liter Wasser für ein Kilo Rindfleisch. Das geht ihm allerdings nicht weit genug und bei Rindern in Weidehaltung erklärt er einen Verbrauch von 120.000 bis 200.000 Litern pro Kilogramm Fleisch.” (Anm. d. Red.: Pimentel berechnet jegliches Wasser, das mit der Produktion zu tun hat. Steht das Tier auf Weideland, veranschlagt er auch den Regen, der auf diese Fläche fällt).  Das sei eine Zahl, mit deren Nutzung als Argument gegen Fleischverzehr wohl sogar manch aggressiv-militanter Veganismus­propagandist seine Probleme hätte, meint er. Und sei es nur, weil ihre Quelle auch dem Getreideanbau nicht gerade schmeichle. Sein Fazit: “Wir haben uns nun um mehr als den Faktor zehn vom verbreiteten Mittelwert des Wasserverbrauchs von Fleisch entfernt. Das ist eine ganze Größenordnung, über die sich die offiziellen Studien im Namen der Wissenschaft uneins sind. Spätestens jetzt sollte klar sein: mit den Zahlen kann etwas nicht stimmen.” Bleibt noch eine nicht unprovokante Frage: Ist es also nachhaltig und ökologisch verantwortlich, viel Fleisch zu essen? “Absolut nicht, der Verzicht auf jedes Stück Fleisch aus indus­tri­eller Tierhaltung ist daher eine exzel­lente Wahl.”