Rund 20 Hektar Äcker und Wiesen wurden alleine in Österreich im letzten Jahrzehnt täglich zubetoniert. Zum “Tag des Bodens” zeigen wir den fatalen Status Quo und Wege aus dem Dilemma.

“24 Milliarden Tonnen Boden verschwinden jährlich weltweit. Anders gesagt: 3.000 Kilo pro Erdenbürger”, bringt FiBL-Experte Reinhard Gessl seine Sorge um den schleichenden Verlust der wichtigsten Ressource des Planeten anlässlich des heutigen “Tag des Bodens” zum Ausdruck. Gut, meinen Sie, aber in Österreich ist das sicher anders? Mitnichten. Hier werden laut Umweltbundesamt täglich 12,4 Hektar verbaut, das sind umgerechnet ganze 20 Fußballfelder. Und ein einmal versiegelter Boden ist nie wieder landwirtschaftlich nutzbar, das ist ein Faktum. In Oberösterreich werden von den täglich verbauten Bodenflächen knapp 42 Prozent versiegelt. “Das heißt wir sprechen von 297 m² versiegelte Fläche pro Einwohner im Jahr 2017”, sagt Landesrat Rudi Anschober. In Tirol teilt sich die landwirtschaftliche Nutzung gar nur 12 Prozent der Landesfläche mit der Bebauung und der Verkehrsinfrastruktur. Die Zukunft? “Überschwemmungen, die Abhängigkeit vom Weltmarkt bei der Lebensmittelbeschaffung und Jobverluste, unter denen die kommenden Generationen leiden werden”, zeichnet die Landespolitikerin Kathrin Kaltenhauser ein gar nicht unrealistisches Szenario.

24 Milliarden Tonnen Boden verschwinden jährlich einfach. Anders gesagt: 3.000 Kilo pro Erdenbürger.

2018 betrug die Bodenversiegelung in Österreich noch immer das Fünfache von dem, was in der Nachhaltigkeitsstrategie von 2002 festgehalten wurde. Womit das Ziel von 2,4 Hektar pro Tag in weiter Ferne liegt. Die fatalen Folgen im Detail? Regenwasser, das immer schlechter versickert und in der Folge tatsächlich Überschwemmungen, aber auch Dürreperioden, in letzter Konsequenz  dann weniger nutzbare Böden, eine gefährdete Versorgung mit heimischen Lebensmitteln und der Verlust von Arbeitsplätzen. Anschober spricht davon, dass wir nachfolgenden Generationen gute Böden für regionale Nahrungsmittel, als dezentralen Wasserrückhalt zur Hochwasservorsorge oder auch als Filter für sauberes Trinkwasser entziehen.

Was ist in zehn Jahren, wenn wir so weiter machen wie bisher?

Genau das haben die Linzer Volkswirtschafter Friedrich Schneider und Stefan Jenewein von der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung untersucht. Ihr Ergebnis lässt aufhorchen. Rund 216 Millionen Euro Wertschöpfungs-Verluste würde es dann geben.  14.920 Vollarbeitsplätze bzw. knapp 20.000 Arbeitsplätze würden auf Kosten des gleichen Verhaltens wie heute gehen. “Alleine in der Landwirtschaft würden rund 9.000 Personen ihren nachhaltigen Job verlieren“, so die Studienautoren. Und mal ganz abgesehen davon ginge nichts mehr ohne weitere Hochwasserschutzmaßnahmen. Wäre die Landwirtschaft der größte Verlierer? “Ja, aber letztendlich sind alle Wirtschaftssektoren betroffen”, so das Fazit von Schneider und Jenewein.

Und die Lösung?

Die beiden Forscher verweisen auf unseren Nachbarn Deutschland. Der sei in diesem Zusammenhang ein Vorbild, an dem man sich orientieren könne, weil dort bis 2050 keine neuen Böden mehr bebaut werden würden. So könne auch beim Hochwasserschutz gespart werden, denn ein Kubikmeter Boden kann 200 bis 400 Liter Wasser speichern. Kurt Weinberger, als Vorstandsvorsitzender der österreichischen Hagelversicherung quasi täglich mit Naturkatastrophen konfrontiert, hat ebenfalls eine Lösung in Petto. Statt weiterer Verbauung ist für ihn die Revitalisierung der mehr als 40.000 Hektar leerstehender Gewerbe-, Industrie- und Wohnimmobilien in Österreich das Gebot der Stunde. Die monetären Anreize dafür könnten aus der Ersparnis für weitere Hochwasserschutzmaßnahmen kommen, sagt er. Anschober will im Jänner ressortübergreifende Gespräche  zur Umsetzung eines umfassenden Bodenschutzprogramms starten und Kaltenhauser nach besseren Nutzungslösungen suchen, “wie beispielsweise die Revitalisierung von Altbeständen und Belebung von Leerständen und Brachflächen, sowie die Optimierung des Parkflächenmanagements, wo nach unterirdischen und mehrgeschoßigen Lösungen gesucht werden muss.” FiBL-Experte Gessl sagt, die Lösung ist eigentlich einfach und liegt auf der Hand: Bodenbewirtschaftung nach den Grundprinzipien der Biolandwirtschaft. “Damit würde Boden gerettet werden. Und ganz nebenbei CO2 in den Humus eingebunden. Und das Wasser besser gespeichert . . . ” Deshalb lautet sein Appell: “Heute sollte jeder in sich gehen und sich ehrlich eingestehen, dass der Bioanteil im Einkaufskorb noch deutlich steigerbar ist. Erst wenn es keinen Tag des Bodens mehr braucht, dann passt’s.”

Dieser Kipp-Regosol entstand durch eine ca. 25-jährige Rekultivierung. Die dunkel gefärbte Ackerkrume zeigt, dass dieser Boden gezielt mit humusmehrenden Ackerpflanzen bewirtschaftet wurde. © Ralf Sinapius

Der Tag des Bodens

Die Internationalen Bodenkundliche Union (IUSS) hat im Rahmen ihres 17. Weltkongresses, im August 2002 in Bangkok, den 5. Dezember zum Weltbodentag (World Soil Day) ernannt. Mit ihm soll ein jährliches Zeichen für die Bedeutung der natürlichen Ressource Boden gesetzt werden. Am Tag des Bodens wird jeweils der “Boden des Jahres” ausgerufen. Die Auswahl trifft ein Kuratorium, das von Mitgliedern der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft (DBG) und dem Bundesverband Boden (BVB) als Initiatoren dieser Aktion gebildet wird. Der “Boden 2019” ist der Kippenboden (Kipp-Regosol, Kipp-Pararendzina), ein sehr junger Boden, der sich nach dem Abbau von Rohstoffen aus abgekipptem Bodenmaterial neu entwickelt. Durch die Zersetzung und Humufizierung von abgestorbener Biomasse besitzt er bereits einen humosen Oberboden. www.boden-des-jahres.de

 

 

 

 

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Auf Initiative des WWF traf sich über zwei Jahre lang eine Gruppe von Naturschützern und Landwirten, um die Frage zu klären: Wie wir können wir unsere Böden in der Landwirtschaft so bestellen und pflegen, dass auch unsere Enkel noch davon leben können – ja vielleicht sogar besser als wir heute? Das zugehörige Thesenpapier finden Sie hier zum kostenfreien Download:

https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Arbeitsthesen-Lebendiger-Boden-als-gemeinsame-Basis-fuer-Landwirtschaft-und-Naturschutz-Nov2018.pdf

Hier finden Sie den Blog von Reinhard Gessl und Sonja Wlcek. Sie bloggen über Biolandbau, gutes Essen und langsames Reisen http://www.organic17.org