Was wir essen, bleibt bestehen
Unsere Lebensmittelauswahl beeinflusst die landwirtschaftliche Produktion. Schon eine kleine Änderung am Speiseplan kann ein großer Beitrag für die Biodiversität sein.
Der Biodiversitätsverlust gilt als eine der kritischsten globalen Umweltbedrohungen. Daher zielen im Green Deal der EU-Kommission mehrere Einzelstrategien darauf ab, die Klima- und Biodiversitätsziele bis 2030 bzw. 2050 zu erreichen. Die Ernährungskultur leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Eine vielfältige Lebensmittelauswahl erhöht die Diversität in der Landwirtschaft und trägt zur Regenerierung der Natur bei, aber auch zu kulinarischer Abwechslung und einer ausgewogenen Ernährung. Mit Kräutern und bunten Wiesen schafft man zudem Lebensraum für Insekten und andere Tier- und Pflanzenarten. Es geht um die Biodiversität, was übrigens ein relativ junger Begriff ist, wurde er doch erst in den 1980er-Jahren kreiert. 1992 folgte eine offizielle Definition der UN-Biodiversitätskonvention, bei der sich 150 Staaten darauf einigten, dass Biodiversität als Vielfalt der Arten, innerhalb der Arten und ihrer Lebensräume zu verstehen ist.
„Was wir essen, bleibt bestehen“, so Marlies Gruber, Geschäftsführerin des f.eh, denn unsere
Lebensmittelauswahl beeinflusst die landwirtschaftliche Produktion. So nutzt der Mensch nur 200 der 30.000 verwertbaren Pflanzenarten, wobei neun Arten zwei Drittel der globalen Produktion einnehmen. Bei den Nutztieren gibt es 38 Arten und 8.800 Nutztierrassen, von denen weltweit 28 % als gefährdet gelten. Ein gutes Beispiel sind die Magalitza Schweine. Bis in die 1950er Jahre war das “Mangalica-Schwein” in Ungarn die vorherrschende Rasse. Es wurde dann von englischen Schweinerassen, die mehr Fleisch und weniger Speck hatten, so rigoros verdrängt, dass Ende der siebziger Jahre nicht einmal mehr 200 reinrassige Exemplare gezählt wurden. Heute weiß man um die Besonderheit der Rasse und um die Fleischqualität. „Kaum jemand stellt die Frage, von welcher Rasse das Fleisch, die Eier oder die Milch stammen. Wir wollen aufzeigen, dass man bereits mit kleinen Maßnahmen und einem abwechslungsreichen Speiseplan einen Beitrag für eine höhere Biodiversität leisten kann. Denn bunte Teller fördern auch vielfältige Felder und Ställe“, betont Gruber. „Eine abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl ermöglicht eine höhere Agrobiodiversität und damit eine gesteigerte Resilienz bei der Lebensmittelversorgung. Es ist Zeit, Wert, Nutzen und Freude von Diversität in der Esskultur bewusst zu machen und unseren Kindern von klein auf mitzugeben.“
Abwechslung in der Ernährung heißt, dass es eine Variabilität bei Arten, Sorten und Rassen braucht – sprich, dass nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der Warengruppen variiert werden sollte.
Biodiversität ist „die Vielfalt des Lebens“
Laut Europäischer Kommission sind rund 37 % der heimischen Lebensräume gefährdet und in Österreich mehr als ein Drittel der Pflanzen. Insekten gelten als besonders betroffen. So sind Schätzungen zufolge bis zu 50 % der heimischen Bienenarten bedroht. Aber auch bei Reptilien mit 64,3 %, Amphibien mit 60 % oder Fischen mit 46,4 % ist die Gefährdungsrate hoch. „Um dem entgegenzuwirken, sind die Programme in der Landwirtschaft, die wie im Green Deal vorgesehen Biodiversität und Umwelt- sowie Bodenschutz fördern sollen, noch weiter auszubauen. Auch Gemeinden und Städte können intensiv daran mitwirken, attraktive Lebensräume zu schaffen und so wieder mehr Biodiversität in den urbanen und verbauten Raum zu holen. Neben politischen Strategien wird es aber auch persönliches Engagement brauchen. Man kann etwa bei Obst und Gemüse verschiedene und alte Sorten wählen, den Balkon oder Garten divers gestalten sowie Wiesen stehen und wilde Blumen blühen lassen“, betont Marlies Gruber. Das Ziel ist, dass das Leistungsspektrum der Ökosysteme wie die Regulierung des Sauerstoff-, Nährstoff- und Wasserkreislaufs sowie eine natürliche Schädlingsbekämpfung durch eine steigende Vielfalt wieder wächst.