Vorsicht Fake-Honig
Imker und Landwirtschaftskammer schlagen Alarm: Laut einer aktuellen Studie findet sich immer mehr gefälschter Honig im heimischen Lebensmittelhandel.
10 analysierte britische Honigproben, und keine einzig stammt aus einem Bienenstock; 93% der türkischen und 74% der chinesischen Proben zeigen in der Analyse verdächtige Abstammung. Das ist nur eines der schockierenden Ergebnisse einer aktuellen Studie. Im Auftrag der Europäischen Kommission führt das Labor der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) Analysen von Lebensmitteln durch. Es zeigt sich, dass von 320 gezogenen Honigproben fast die Hälfte (46%) „verdächtig waren, nicht den EU-Honig-Richtlinien zu entsprechen“, also gepanscht zu sein. Reinhard Hetzenauer ist Obmann von Biene Österreich, dem Dachverband der Erwerbs- und Freizeitimker. Er ärgert sich, wenn im Supermarktregal Fake-Honig neben heimischer Qualitätsware steht. „Solche Fälschungen sind illegal. Aber wer nur auf den Preis und nicht auf die Herkunft achtet, hat schnell gefälschte Ware in der Einkaufstasche.“
Rund 33.000 Erwerbs- und Freizeitimker füllen pro Jahr in Österreich rund 4.000 Tonnen Honig ab. Weil die Konsument mehr verbrauchen, wird noch einmal so viel importiert, ein Großteil davon von minderer Qualität aus „EU- und Nicht-EU-Ländern“. Weil diese verfälschte Billigware den Preis drückt und die Existenzgrundlage der heimischen Imker gefährdet, fordert Hetzenauer „vehement strengere Kontrollen von Honigproben aus EU- und Nicht-EU-Ländern und nicht wie bisher nur an den Standorten heimischer Imker“.
Verdächtige Herkunft
Einige Länder sind offensichtlich internationale Drehscheiben für Honigfälschungen (siehe GRAFIK). Da sehr viel Honig aus China importiert wird, fanden 89 Proben ins GFS-Labor. Nur 23 waren scheinbar „sauber“, wenngleich die Fälscher – vergleichbar mit Dopingsündern – den Verfolgern oft einen Schritt voraus sind. Sie setzen beispielsweise industriellem Reissirup Blütenpollen aus verschiedenen Herkunftsländern bei, um bei Kontrollen glaubwürdig zu wirken.
EU-weit strengere Kontrollen gefordert
Stanislav Jaš, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Honig in Brüssel, rechnet vor:
„Wenn fast jedes zweite in die Europäische Union eingeführte Honigprodukt verfälscht ist, bedeutet dies, dass 20% des gesamten in der EU konsumierten Honigs manipuliert sind.“
Josef Moosbrugger unterstützt als Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ) die Forderungen nach strengerer Überprüfung. „Die betrügerischen Importgeschäfte mit süßen Mixturen stoßen uns höchst sauer auf! Es müssen für Importe dieselben Qualitätsstandards gelten wie für heimische landwirtschaftliche Produkte. Das fordern wir im Übrigen nicht nur für Honig, sondern für sämtliche Lebensmittel. Auf Etiketten sollte ausgewiesen werden, wieviel Honig anteilsmäßig aus welchem Land im Glas steckt. Das muss bei der Überarbeitung der EU-Honig-Richtlinie sichergestellt werden. Die Landwirtschaft ist auch auf die Bestäubungsleistungen der Bienen und somit die Imkerinnen und Imker angewiesen.”
EU-weites Ziel der Fachleute
Basis für erfolgreichen Konsumentenschutz seien laut Stanislav Jaš und Josef Moosbrugger im Interesse seriöser Imker und aller Konsumenten1 „EU-weit vereinheitlichte moderne Analyse- und Kontrollverfahren“. Denn die EU-Kommission bestätigt in ihrem aktuellen Bericht „die Annahme, dass ein erheblicher Teil des aus Nicht-EU-Ländern eingeführten Honigs im Verdacht steht, die EU-Honigrichtlinie nicht zu erfüllen und unentdeckt zu bleiben“.
Jaš fordert ein gemeinschaftliches Referenzzentrum für Honig. „Damit hätten wir alle die Möglichkeit, moderne Methoden zum Nachweis der Echtheit und Qualität von Honig zu entwickeln und zu testen, bevor sie von der Kommission offiziell anerkannt werden.”
Das gemeinsame Ziel aller vier Redner lautet für den ganzen EU-Raum: Vom Bienenstock bis ins Glas muss auf jeder Etikette am Glas verfolgbar sein, woher der Honig stammt. Es darf nicht sein, dass jene auf ihren Produkten sitzen bleiben, die sich an die Bestimmungen halten und Qualitätshonig erzeugen.
Ein reines Naturprodukt
Wolfgang Pointecker, Präsident des österreichischen Erwerbsimkerbundes, ärgert sich über gepanschte Ware. „Echter Honig ist das Ergebnis der Arbeit unserer Bienen und der österreichischen Imker. Ein solch wertvolles Naturprodukt kann nicht durch industriell-synthetisch hergestellten, aromatisierten Zuckersirup ersetzt werden.“ Denn im Honig stecken viele wichtige Antioxidantien, unter anderem Phenole, Enzyme und Pflanzenstoffe wie Flavonoide sowie organische Säuren.
Globalisierter Betrug
Die Betrüger panschen in Ländern wie China oder der Türkei ein bisschen echten Honig mit billigem Sirup aus Maisstärke, Zuckerrohr, Reis oder Weizen und verkaufen ihn in Fässern an Großhändler. Die schnelle Google-Recherche zeigt, dass über die chinesische Online-Plattform Alibaba ein Kilogramm „brauner Reissirup für Honig“ für nur einen Dollar angeboten wird, mehr als 400 Anbieter auf einen Klick. Über mehrere Zwischenstationen landet das süße Gemisch in der Europäischen Union und wird in Plastik- oder Glasverpackungen für den Einzelhandel abgefüllt.
Tipps der Imker für die Einkauf
Eine Fälschung, die nicht einmal im Labor einfach zu entdecken ist, erkennt man beim Einkauf nicht mit freiem Auge. Wer diese Tipps von Wolfgang Pointecker befolgt, hat garantiert echten Honig mit typischen Nährstoffen im Einkaufswagerl:
- Etikette. „Österreichischer Honig“ und Name sowie Adresse der Imkerei stehen auf dem Honigglas. Stutzig machen sollte im kleingedruckten Text: „Honig aus EU- und Nicht-EU-Ländern“.
- Preis. Honigbienen brauchen viel Unterstützung durch die Imker. Deshalb kostet echter Honig aus Österreich pro Kilogramm rund 20 Euro oder mehr. Je niedriger der Preis, desto höher das Risiko der Verfälschung.
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