Der Würstelstand ist in Wien noch immer ein kulinarischer Hotspot. Aber er muss sich verjüngen, bäuerliche, nachhaltige Produkte anbieten, bio & vegan werden.

Den ersten Wiener Würstelstand, den “Leo”, gibt es seit 1928. Und er ist noch immer beliebt. ©https://wuerstelstandleo.at/

Der scharfe René am Schwarzenbergplatz musste sich knapp geschlagen geben. Der Altwiener Würstelstand beim Volkstheater war nicht zu toppen im diesjährigen Würstelstand-Voting des Falstaff. Und das sagt tatsächlich schon viel über das wienerische Verständnis von Kulinarik aus. Denn der Falstaff, das ist ein Magazin für anspruchsvolle Genießer. Und die würden sich wohl in keiner anderen Stadt so für Würstel  und ihre zugehörigen Standln interessieren, wie in Wien. Selbst vor oder nach dem Opernball oder einem Theaterbesuch findet man sich gern dort ein und frönt dem Genuss einer Eitrigen vulgo Käsekrainer und dem Mundlschen 16er Blech – dabei handelt es sich um eine Dose Ottakringer Bier. Oder einem Glas Champagner. Das geht in Wien ganz mühelos zusammen übrigens. Mit der Etikette gibt es da gar kein Problem.

Der Vorgänger des Leo

Der Würstelstand ist ganz genau seit dem Jahr 1928 nicht mehr aus der Stadt wegzudenken. Da gründete Leopold Mlynek gerade im noblen 19. Bezirk den “Leo”. Damals war man allerdings noch mit Handkarren und mobilem Wagen unterwegs. Sesshaft wurden Würstelstände nämlich erst in den 1960er Jahren. Den Leo gibt es noch heute. Und man erzählt sich dort liebend gern die Anekdote von Bruno Kreisky, der nach Staatsbanketten angeblich gerne auch was “G’scheites” aß – eine Burenwurst (a Haaße). Der Würstelstand-Jargon gerät allerdings nach und nach in Vergessenheit, sagt Lisa Patek von Marketagent.com, die gerade eine Umfrage zur Wiener Kuliarik gemacht hat. Jeder Zehnte versteht bei einer „Ur-Wiener-Würstelstandbestellung“ nur noch Bahnhof, bei den Jugendlichen stehen überhaupt fast die Hälfte auf der Leitung.

Der Würstelstand muss sich neu erfinden

Das Überleben als Würstelstandler ist angesichts des To Go-Mitbewerbs nicht mehr einfach. Die Zahlen sprechen da eine klare Sprache. Zwischen 2010 und 2017 schrumpften die Würstelstandeln von 790 auf 274. Willy Turecek, der stellvertretende Fachgruppenobmann der Wiener Wirtschaftskammer, erklärt sich das doch recht rasante Sterben so: “Die Konsumenten wollen immer verschiedene Sachen essen.” Der klassische Würstelstand müsse sich also wandeln, konstatiert er. “Die Mehrheit wird zurückgehen, die sich in ihrem Angebot nicht ein bisschen umstellen.” Und noch etwas fällt Turecek seit Jahren auf:

“Leider Gottes werden die Klienten immer heikler.”

Stände, die Kebab, Asia-Nudeln und Pizza anbieten, böten mehr Abwechslung. Nadelstreif und Blaumann, Champagner und Dosenbier miteinander zu verbinden, ist also offenbar heute zu wenig. Dass Betreiber Bitzinger die Wiener Würstelstand-Kultur mit seiner Forderung nach dem Unesco-Status des “Immateriellen Weltkulturerbes” wieder in die Schlagzeilen brachte, auch das hat vielen nicht geholfen.

Zwischen Rindssuppe und Mangaliza-Bratwurst

Wer überlebt, der muß außergewöhnliches bieten. Und da sind wir wieder beim Falstaff Seriensieger, dem scharfen René. René Kachlir betreibt einen Stand, der sich seit 1968 am Schwarzenbergplatz befindet, und setzt einerseits auf Chili-Pulver, die auf der Schärfe-Skala von Scoville in die Millionen gehen. Andererseits bietet er auch außergewöhnliche Qualität. Die Käsekrainer etwa kommen von einem südsteirischen Fleischhauer, der Berg-Emmentaler verarbeitet. Und nicht nur das: Bevor sie gebraten werden, siedet er alle Würste in Rindssuppe. Diese Qualität lockt selbst Spitzenköche wie Heinz Reitbauer, Konstantin Filippou oder Tim Mälzer an. Bei der Kaiserzeit, stationiert bei der Augartenbrücke/Ecke Obere Donaustraße punktet man mit Blunzn als Grillwurst oder Mangalitza-Bratwurst. Auch hier setzt man auf kleine Produzenten. Schauspieler Rudi Roubinek – sie wissen schon, der Obersthofmeister Seyffenstein in “Wir sind Kaiser”,  ist da Teilhaber. Und der hat nur gute Erfahrungen mit Würstelständen gesammelt, speziell als junger Mann:

“Man bekam dort herzhaft zu essen und zu trinken und dazu noch ein paar weise Worte von den Menschen hinter der Budl, die wohl schon vieles gesehen hatten.”

Man hat Klassiker im Angebot, die man nicht überall bekommt, den Altwiener Suppentopf, das Kesselgulasch, die Sacher Würstel. “Und käme tatsächlich eines Tages ein Kaiser vorbei, so hätten wir prompt das passende Menü für ihn auf Lager, inklusive einem Glaserl Schampus.“

Der Würstelstand auf der Höhe der Zeit: Bio, vegan und mit Top-Brot

Wiens jüngster Zugang unter den Würstelständen mit dem schlichten Namen “Wiener Würstelstand” an der Ecke Pfeilgasse/Strozzigasse im achten Bezirk zeigt schließlich, wie der Würstelstand der Zukunft aussieht: Erstklassige Bio-Ware von kleinen, feinen Produzenten, Optionen für Fleischverächter – etwa eine vegane Wurst aus Pilzen – und richtig gutes Brot dazu. Um das zu garantieren, haben sich die Betreiber Michael Lanner und Stefan Sengl blind durch die Produkte von 30 Fleischhauern gekostet. Gelandet sind sie schließlich bei Käsekrainern vom Schober in Gars am Kamp, Bratwürsteln vom Landl in Ottakring und Waldviertler vom Hoffmann in Hollabrunn. Zwischen 3,70 und 4,90 Euro kostet so ein Würstel samt Senf, Gragger Holzofen-Brot und Pfefferoni. Und das in Bioqualität. “Wir wollen kein Hipsterwürstelstand sein, sondern für alle, vom Bauhackler bis zum Bobo”, sagt Lanner. Und was trinkt man dazu? Ein besonders Bier, das Augustinerbräu des Bräustübels in Mülln. Der Renner am Würstelstand der Zukunft ist aber altbekannt: Die Bosna.

https://wuerstelstandleo.at

http://zumscharfenrene.com/

http://www.kaiserzeit.wien/de/

https://www.facebook.com/wienerwuerstelstand/

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