1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel landen jährlich im Mist. Und die einzigen, die dem zeitgemäße Lösungen entgegensetzen, sind findige App-Entwickler.

9,9 Prozent geben wir im Schnitt für Nahrung aus – 30 Prozent davon landen hierzulande im privaten Müll. © Panthermedia

Wie klingt das? Ein Drittel der Nahrung wird weltweit verschwendet. Pro Jahr sind es global 1,3 Milliarden Tonnen. Klingt nach einem ziemlichen Verlustgeschäft? Ist es auch. Und es setzt sich aus Ernte, Verarbeitung und Transport, Detailhandel und Konsumenten zusammen. Dass die reichen Länder dabei (nicht nur) rein rechnerisch schlecht wegkommen, liegt auf der Hand. 9,9 Prozent seines Einkommens gibt der Mensch etwa in Österreich für Nahrung aus, von denen dann im Schnitt 30 Prozent im Abfall landen. Zum Vergleich: In armen Ländern gehen 70 Prozent für Lebensmittel drauf, von denen nur drei Prozent weggeworfen werden.

173 Kilogramm Essen schmeißen wir im Schnitt weg

Laut Ökologie-Institut fallen hierzulande jährlich 760.000 Tonnen Lebensmittelabfälle und -verluste an. Gut die Hälfte davon gilt als potentiell vermeidbar. Und da sind Landwirtschaft und Produktion noch nicht einmal inkludiert. Nur ein kleines Beispiel: In Wien wird täglich jene Menge an Brot als Retourware vernichtet, mit der die zweitgrößte Stadt Österreichs, Graz, versorgt werden könnte. In Zahlen geht es um einen Gesamtwert von mehr als einer Milliarde Euro. In Teilen Afrikas und Asiens dagegen werden nur zwischen sechs und elf Kilogramm pro Mann, Frau und Nase verschwendet; und in Entwicklungsländern geht ein Großteil der Nahrung ohnehin bereits am Beginn der Versorgungskette verloren – durch unzureichende Erntetechniken, Insekten, mangelnde Kühlung oder schlechte Lagerbedingungen. Dass Land, Wasser, Dünger und Arbeit, die man zur Produktion benötigt, mitvergeudet werden, ist da nur mehr das Tüpfelchen auf dem ‚i‘.

Hinter dem Wegwerfverhalten steckt mehr, als wir glauben

Das Wegschmeißen von Nahrung geht auf keine Kuhhaut mehr angesichts einer Weltbevölkerung von 7,6 Milliarden Menschen, die bis 2050 auf 9,7 Milliarden anwachsen wird. Das sehen offenbar auch die Vereinten Nationen so, aus deren Reihen diese Zahlen stammen. FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva stößt besonders sauer auf, dass schon die Hälfte der in den Industrieländern weggeschmissenen Nahrung ausreichen würde, um die weltweit 820 Millionen Hungernden zu ernähren. Die UNO und die FAO versuchen sich daher im Gegensteuern. Und zwar mit der Kampagne “Think, Eat, Save”. Die wirkt allerdings wenig innovativ. Man rät zu Einkaufslisten, dazu, die Ablaufdaten flexibler zu sehen, und der Gastronomie zu flexibleren Menüportionen. Die Mechanismen, die das Einkaufs- und Wegwerfverhalten der Menschen bestimmen, lassen sich damit allerdings nicht durchbrechen. Warum nicht? “Man packt sich den Kühlschrank als Gefühlsapotheke voll, um für jede Eventualität gerüstet zu sein”, sagt Psychologe Stephan Grünewald vom rheingold Institut für Marktanalysen. Die Produktvielfalt orientiere sich nicht am Bedarf, sondern an der Stimmungsprophylaxe: “Wenn ich aktiv sein will, kaufe ich ein probiotisches Joghurtgetränk; wenn ich mich beruhigen will, einen süßen Snack und wenn ich Vitalität will, greife ich zum Fruchtsmoothie. Aber jedes Mal, wenn ich den Kühlschrank aufmache, merke ich, diese Produkte gucken mich an und fordern mich auf, etwas zu tun.”

Das Wegwerfen ist ein verzweifelter Versuch, sich von den Handlungsappellen der Produkte zu befreien: “Da spielt das Haltbarkeitsdatum eine ganz wesentliche Rolle. Es erteilt uns die Absolution, etwas endlich wegwerfen zu dürfen.“

Es geht um Absolution

Wie könnte man sich die Absolution aber ohne wegschmeißen holen? Mit Foodsharing beispielsweise. Die Foodsharer sind seit sieben Jahren am Markt, mit einer Internet-Plattform und einer App, die Privatpersonen, Händlern und Produzenten die Möglichkeit gibt, überschüssige Lebensmittel kostenlos anzubieten, abzuholen oder mit anderen zu teilen. Man kann sich zum gemeinsamen Kochen verabreden. Und userfreundlich ist das Ganze auch noch. Via Umgebungskarte finden sich passende Angebote, über die Smartphone-App kann man sich sogar die (Fahrrad)Route dazu anzeigen lassen, um die Waren komfortabel abholen zu können.

Alleine 35 Fairteiler, Kühleschränke an öffentlichen Plätzen wie Cafes, gibt es aktuell in Wien. Und die Zahlen? 26.218.165 Kilo Lebensmittel wurden bisher im deutschsprachigen Raum erfolgreich vor der Tonne gerettet. 5771 Betriebe kooperieren mit den 279.541 registrierten Foodsharern im DACH-Bereich.

Zu gut, um weggeschmissen zu werden

Neuerdings kriegen die Foodsharer aber einen Mitbewerber. Der arbeitet zwar nicht ganz so altruistisch, stellt sich aber auch auf eine spannende Weise in den Dienst der Essensrettung. Die Rede ist von “Too Good To Go”, einer App, die gemeinsam mit Betrieben Essen retten will. Die App ermöglicht es Bäckereien, Restaurants, Cafés, Hotels und Supermärkten, ihr überschüssiges Essen zu einem vergünstigten Preis an Selbstabholer zu verkaufen. Damit will man auch eine Art Win-Win-Win-Situation erreichen: Gutes Essen für die Kundschaft, weniger Verschwendung für die Betriebe und Ressourcenschonung für die Umwelt.
Tatsächlich ist auch diese Idee nicht die schlechteste. Denn hochgerechnet auf ganz Österreich landen auch in der Außer-Haus-Verpflegung Lebensmittel im Wert von ca. 300 Millionen Euro in der Mülltonne. 60 Betriebe hat man in der Bundeshauptstadt mittlerweile bereits an Bord holen können und mehr als 40.000 angemeldete User. Österreich-Countrymanager Georg Strasser spricht davon, bereits 3.000 Mahlzeiten vor einem traurigen Ende gerettet zu haben und Betriebe wie die Bäckerei Prindl, das Ulrich & Erich, das BackWerk, den basic Bio Supermarkt oder 15 süße Minuten überzeugt zu haben. Und das, obwohl man erst am 12. September diesen Jahres gestartet ist. Auf die weitere Entwicklung dieser Idee, die europaweit bereits in zwölf Ländern verwirklicht wird und 13 Millionen User hat, darf man ehrlich gespannt sein.

 

http://www.foodsharing.at

https://toogoodtogo.at/de-at

https://www.unenvironment.org/thinkeatsave/