Warum wir aus Bequemlichkeit immer das selbe kaufen, der Preis offenbar unser Hauptkriterium ist, und wie all das die Artenvielfalt beeinflusst.

Frau am Obstregal im Supermarkt

Greifen Sie doch mal zu anderen Sorten als dem gewohnten Golden Delicious. Es könnte sich lohnen. ©Panther Media

Gala und Golden Delicious. Sie sehen immer gleich aus, sind günstig und lassen sich gut bearbeiten. Damit erfüllen sie alle drei Kriterien, die sie uns neben weiteren acht gängigen Sorten gern kaufen lassen. Wen interessiert es da schon, dass es in Österreich tatsächlich über 2.000 Apfelsorten gibt, von denen jede anders schmeckt. Ernährungswissenschaftler Jürgen König, Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien, bringt die Sache so auf den Punkt:

“Menschen sind widersprüchlich. Sie stellen hohe Ansprüche an ihre Lebensmittel – biologisch, fair etc., bei der Kaufentscheidung zählt aber letztlich nur der Preis.”

Was daran so schlimm ist? Dass es dummer Weise einen Zusammenhang zwischen unserem Essverhalten und der Artenvielfalt gibt beispielsweise. Zugeben täten die Leute natürlich nie, dass sie nur auf den Preis schauen, wie sich erst jüngst bei einer deutschen Umfrage zeigte. Die erhob auch die Kriterien der Lebensmittelauswahl: “Laut dieser Umfrage sind Frische und Haltbarkeit und der Geschmack die beiden wichtigsten Punkte für die Kaufentscheidung”, sagt König, der auch im Eurobarometer ähnlich Daten fand. Tatsächlich schrieben sich da 96 Prozent der Befragten auf die Brust, dass ihnen die Qualität “sehr wichtig” bzw. “ziemlich wichtig” sei.” Die Realität ist aber völlig anders, so König: “Beobachtet man die Menschen, wie sie sich tatsächlich verhalten, ergibt sich jedoch, dass nur vier Prozent sich auch an das halten, was sie für richtig halten und am Ende ein einziges Kriterium für unsere Konsumentscheidung bei Lebensmitteln ausschlaggebend ist: der Preis.”

Unerfüllbare Ansprüche

Ob hohe Lebensmittelpreise soziökonomisch akzeptabel sind, darüber könne man trefflich streiten, sagt der Ernährungswissenschaftler. “Fakt ist jedoch, dass die Ansprüche, die wir an unsere Lebensmittel stellen (biologisch, regional, saisonal, ethisch, ökologisch, fair, usw.), zu den derzeitigen Preisen nicht erfüllbar sind.” Ergo sei die Spezialisierung und effiziente Massenproduktion schlicht eine Notwendigkeit: “Nur so rechnen sich die geringen Margen für die Lebensmittelproduktion wirtschaftlich.” Schrauben wir unsere Erwartungen deshalb aber auch runter? Natürlich nicht. Wir wollen es günstig und gut. Die geforderte hohe Qualität bekommen wir auch, sagt König: “Unsere Lebensmittel sind (entgegen der landläufigen Meinung) so sicher wie nie zuvor und dazu noch praktisch ständig und überall verfügbar.” Gut. Wo ist jetzt genau das Problem? Ganz einfach: “Dieser Widerspruch der zwei Seelen in unserer Brust führt aber nun in der Tat dazu, dass die Vielfalt innerhalb der einzelnen Lebensmittelkategorien immer geringer wird.”

Gleichmaß ohne Ende

Womit wir wieder bei den eingangs erwähnten nur 10 Apfelsorten im Regal sind, die sich zu niedrigen Preisen so produzieren lassen, dass sie immer gleich aussehen, gleich schmecken, sich gut lagern, gut bearbeiten, gut standardisieren lassen. “Wir kaufen keine Äpfel, die unterschiedlich groß sind, die eine fleckige Schale haben oder nicht gleichmäßig geformt sind.” Wie ist es bei anderen Lebensmitteln? Ziemlich gleich:

“Wer einmal einen Kipfler oder eine Vitelotte (Anm.: Erdäpfelsorten) geschält hat, wägt am Ende zwischen Bequemlichkeit und Geschmacksvielfalt ab – und entscheidet sich für die Bequemlichkeit.”

Finden Sie immer noch ok? Würden Sie auch so machen? Dann haben wir noch ein letztes Argument auf Lager. Wir verzichten mit unserer Bequemlichkeit nämlich nicht nur auf vielfältigen Geschmack sondern auch auf viele Nährstoffe, wie König bestätigt: “Der Rückgang der ernährungsphysiologischen Qualität von Lebensmitteln ist weniger mit veränderten Anbaubedingungen, sondern eher mit dem Rückgang der Artenvielfalt begründet.” Im Umkehrschluss heißt das, wir können durch unsere Essentscheidungen Einfluss auf die Artenvielfalt nehmen. “Das funktioniert aber nur, wenn wir wieder bereit sind, diese auch zu bezahlen”, ist die Conclusio des Ernährungswissenschaftlers. Dafür kann sich die Gegenleistung sehen lassen: “Wir bekommen eine bessere ernährungsphysiologische Qualität und vor allem eine Erweiterung unseres Geschmacksspektrums, dessen Nuancen wir erst wieder schätzen lernen müssen.”

Bei uns können Sie selbstverständlich auf neue Geschmäcker kommen: