Es bleibt dabei: „Wir wollen wissen, wo es herkommt!“ Das könnte den Absatz heimischer Lebensmittel stark fördern und sollte im Interesse aller sein.

Ab April tritt die verpflichtende Herkunftsbezeichnung für die Primärinhaltsstoffe von verarbeiteten Lebensmitteln in Kraft. © Panthermedia

Wir haben die „Speckspur“ verfolgt und am 19.2. zur LMIV (Lebensmittelinformationsverordnung) berichtet, die ab 1.4. EU-weit gilt. Der Fachverband der Lebensmittelindustrie hat das wohlwollend zur Kenntnis genommen („Ihre Grundidee, mehr über einzelne Zutaten in verarbeiteten Lebensmitteln wissen zu wollen, ist nachvollziehbar“) und anschließend einige Beispiele als „inhaltlich falsch“ zurückgewiesen. bauernladen.at wird in dieser aktuellen Runde deshalb noch einmal die rechtliche Situation ab nächstem Monat klarstellen, und darüber hinaus noch einmal die Kernforderung im Interesse der Konsumenten hinweisen.

Zunächst also die Fakten

Schon jetzt – genau genommen seit dem BSE-Skandal (Stichwort „Rinderwahnsinn“) – muss die Herkunft von frischem, verpacktem Fleisch angegeben werden. (Die Rindfleischverkäufe waren wegen BSE drastisch gesunken.) Ähnliche Regelungen für die Angabe der Herkunft gelten für Honig, Fische, Oliven, Obst und Gemüse sowie Biolebensmittel. Darüber hinaus existiert das AMA-Gütesiegel für Lebensmittel aus Österreich.

Nun tritt ab April eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung für die Primärinhaltsstoffe von verarbeiteten Lebensmitteln (LMIV; Verordnung (E) Nr. 1169/2011) in Kraft. Sie gilt für Lebensmittel, die NICHT aus Österreich kommen. Als „Primärinhaltsstoffe“ definiert sind jedenfalls alle Zutaten mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent am Endprodukt sowie „wichtige“ Zutaten. Beispielhaft wird bei einem Joghurt-Produkt der Fruchtanteil geringer als 50 Prozent, die Frucht aber eine derart wichtige Zutat sein, dass die Herkunft angegeben werden muss. Somit können die Konsumenten checken, wo die Milch herkommt, und auch, wo die Heidelbeeren, Erdbeeren, Marillen etc. herkommen, die für das Joghurt verarbeitet wurden. Die Industrie kann weiterhin „Hergestellt in Österreich“ auf die Verpackung drucken, muss aber zusätzlich die Herkunft der Primärzutaten darstellen, wenn diese nicht aus Österreich kommen.

Laut neuen EU-Regeln bleibt es den Lebensmittelherstellern weiterhin überlassen, wie genau sie das Herkunftsland bzw. die -länder angeben. Sie können bei der Region beginnen oder ein Land bzw. mehrere Länder nennen, aus denen die Primärzutaten stammen. Also etwa „Belgien“ oder „Belgien und Niederlande“. Es genügt jedoch auch die Herkunftsinformation „EU“ oder „Nicht-EU“. Sogar die Kombination „EU und Nicht-EU“ ist möglich, wenn eine Primärzutat aus der EU kommt und die andere nicht. Somit bleibt es letztlich (wieder bzw. weiterhin) den Herstellern überlassen, wie genau sie die Herkunft deklarieren – sie müssen den jeweiligen Staat nicht nennen.

Die neuen EU-Regeln gelten NICHT für geschützte geografische Angaben, geschützte Ursprungsbezeich-nungen und garantiert traditionelle Spezialitäten. In diesem Bereich ändert sich nicht, es ist also beispielsweise die Bezeichnung „Frankfurter Würste“ weiterhin möglich, auch wenn die Würste nicht aus Frankfurt kommen.

Wettbewerbsnachteile?

Und damit also nun zu den Interpretationen bzw. zur weiteren Suche nach der „Speckspur“. Der Fachverband der Lebensmittelindustrie lehnt die im Regierungsprogramm angeführte VERPFLICHTENDE nationale Kennzeichnung ab, befürwortet aber wie bisher die FREIWILLIGE Kennzeichnung der Herkunft, wie das z. B. durch das AMA-Gütesiegel möglich ist. „Weiters treten wir für den EU-Binnenmarkt und gegen Nationalismen ein, wir stehen für Vielfalt und Qualität und nicht für eine Verlagerung nationalistischer Strömungen auf die Ebene der Lebensmittel“, schreibt FV-Pressesprecher Oskar Wawschinek. „Denn was passiert, wenn eine nationale Herkunftskennzeichnung für bestimmte Lebensmittel in Österreich umgesetzt wird? Die Situation wäre dann: Alle in Österreich produzierenden Hersteller haben die Pflicht, die Herkunft zu deklarieren, während all jene Produkte, die in der EU produziert werden und im Regal des LEH unmittelbar mit den österreichischen Produkten konkurrieren, davon befreit sind. Im Ergebnis steht dann auf dem in Österreich produzierten Lebensmittel „Fleisch aus EU“ und auf den in der EU produzierten Lebensmitteln daneben steht nichts, obwohl das Fleisch z. B. aus der Ukraine stammt oder einen sehr weiten Weg (z. B. Südamerika) hinter sich hat.“

Wenig überraschend das nun folgende Argument: Die zusätzlichen Kosten, die den heimischen Herstellern dadurch entstehen, seien „enorm“. Wawschinek: „Es müssen dann nämlich Rohstoffe nach Herkünften getrennt transportiert, gelagert, verarbeitet und verpackt werden. Jeder, der sich ernsthaft für Transparenz einsetzt, würde diese auf EU-Ebene einfordern. Alles andere ist bloß ein Ausdruck von nicht zu Ende gedachten nationalistisch geprägten Vorurteilen. Wer sich tatsächlich dafür einsetzen möchte, Transparenz betreffend die Herkunft von Lebensmitteln für die Konsumenten voranzutreiben, der muss europäisch denken und argumentieren und darf sich nicht für nationale und protektionistische Interessen vor den Karren spannen lassen.“

Die Argumentation mit den „zusätzlichen Kosten“ für die Lebensmittelindustrie ist nachvollziehbar. Dem Konsumenten ist damit aber in keiner Weise geholfen, wenn er genau wissen möchte, was in „seinen“ Lebensmitteln drin ist und wo die Zutaten herkommen. Jedenfalls besteht die – wohl berechtigte – Befürchtung, dass „europäisch denken und argumentieren“ (vielleicht nicht „nur“ in diesem Bereich?) zu genau gar nichts führen wird und summa summarum eine „europäische Lösung“ frühestens am Sankt-Nimmerleins-Tag zu erwarten ist. Natürlich gibt es auch Konsumenten, denen das egal ist, Hauptsache, die Lebensmittel sind möglichst billig. Und es ist klar, dass Produzenten in anderen EU-Staaten nicht dazu gezwungen werden können, nationale Kennzeichnungspflichten einzuhalten und diese somit – wenn es sie gäbe – nur für österreichische Betriebe gelten würden. Wären sie aber nicht dennoch und vielleicht sogar GERADE deswegen durchaus eine Chance für österreichische Qualitätsprodukte aus österreichischen Qualitätsbetrieben?

PS.: Außer Streit steht, dass die „Speckspur“ nichts mit der Lebensmittel-SICHERHEIT zu tun hat. Denn jedes Lebensmittel, egal wo es herkommt, muss sicher sein, und die Verantwortung dafür tragen die Unternehmen und die Behörden. Dieser Aspekt kann nicht den Konsumenten übertragen werden. Allerdings ist dies eben ein völlig anderes Thema als die Lebensmittel-HERKUNFT.

PPS.: Die Lebensmittelindustrie verweist auf ihr Informationsportal oesterreich-isst-informiert (https://www.oesterreich-isst-informiert.at/herstellung/herkunftskennzeichnung-was-heisst-das-in-der-praxis/) – das geben wir (hiermit) gerne weiter.