Und täglich grüßt das Murmeltier. Noch immer finden sich mitunter sechs Esslöffel Zucker in einem Viertelliter Fruchtjoghurt, sagt die Sipcan-Milchliste.

Sechs Esslöffel Zucker pro halbem Liter: Das geht doch wirklich auf keine Kuhhaut. Meinen wir. Und die Kühe. ©Unsplash

Mögen Sie Fruchtmolke? Natürlich? Schließlich sind darin Eiweiß, Kalzium und Vitamine enthalten? Dann haben wir jetzt eine schlechte Nachricht für Sie.  Wenn es dumm läuft, einverleiben Sie sich mit einem halben Liter davon auch 50 Gramm oder sechseinhalb Esslöffel an Zucker. Sollte man nicht erwarten, ist aber so. Sie greifen dann lieber zu einem 250 Gramm-Becher Vanillejoghurt? Auch nicht besser. Darin können bis zu 45 Gramm Zucker enthalten sein, damit sparen sie grade mal eine Prise. Das Zuckerdilemma der Milchprodukte ist jetzt nicht neu. Aber bei über 2,3 Millionen übergewichtigen Österreichern darf man davon ausgehen, dass sich der Zuckerschock in deren Gedanken noch nicht sonderlich verankert hat. Das vorsorgemedizinische Institut Sipcan will Bewusstsein dafür schaffen. Und untersucht im Rahmen einer Langzeitstudie unter der Leitung von Friedrich Hoppichler seit 2012 den Zuckergehalt in Milchprodukten zum Löffeln und Trinken.

Orientierungswert: 12 Gramm pro 100 Milliliter  

Die heurige Liste kann sich sehen lassen: Von Pudding über Molkeprodukte bis hin zu Fruchtjoghurts wurden 1200 Produkte in die Studie aufgenommen. Das Ergebnis ist die so genannte Sipcan-Milchliste, in der alle Produkte nach ihrem Zuckergehalt gereiht sind.  Das nimmt den Milchmädchen und -buben eine Menge Arbeit ab und vereinfacht den Vergleich von Joghurt & Co. Abgesehen davon hat man klare Orientierungswerte entwickelt. In die flossen nicht nur die Vorgaben der WHO ein. Sipcan stimmte sich auch noch mit dem heimischen Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium sowie der Landwirtschaftskammer ab. Der Sinn der ganzen Sache? Eine Hilfestellung für die Produktauswahl geben. Und die lautet: maximal 12 Gramm Zucker pro 100 Milliliter oder Gramm und keine Süßstoffe“ so Internist Hoppichler. Doch bringt der Einsatz überhaupt etwas? Ja, das tut er. Seit 2012 ist der durchschnittliche Zuckergehalt in Milchprodukten um 12,2 Prozent gesunken und liegt heute bei 12,37 Gramm. Während 2012 nur 16 Prozent aller untersuchten Milchprodukte die Vorgaben erfüllten, tun es heute bereits knapp 40 Prozent. „Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass immer noch sechs von zehn Produkten die Zielvorgaben nicht erfüllen“, mahnt Hoppichler.

Süßstoffe sind out

Auf die Schulter klopfen darf man sich hingegen im Hinblick auf die Süßstoffe im Milchregal. Die sind von 15,2 Prozent in 2012 auf heute 6,3 Prozent gesunken. Die Kehrseite der Medaille gibt es freilich auch hier. Andersrum betrachtet ist nämlich immer noch jedes sechste Milchprodukt zum Trinken wie Molke oder Trinkjoghurt mit Süßstoffen versetzt. Der Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, Alexandra Kautzky-Willer, stößt das ziemlich sauer auf. “Mit Süßstoffen gesüßte Milchprodukte mogeln – als kalorienreduziert und ‚light‘ markiert – gesunden Konsum vor, die Gesamtsüße bleibt durch die Süßstoffe aber hoch”, sagt sie. Jeder Konsument solle aber die ehrliche Chance haben, sich schrittweise an weniger Süße zu gewöhnen. “Schließlich sind auch Süßstoffe nicht ganz unbedenklich“. Die drei täglich empfohlenen Portionen Milch oder Milchprodukte im Umfang von etwa 500 g verfehlen die Österreicher laut aktuellem Ernährungsbericht übrigens deutlich. Eine Portion bedeutet ein Glas Milch oder ein Becher Joghurt mit je 200 ml. Was löffeln wir so? Die Frauen im Schnitt 268 Gramm,  die Männer 310 Gramm.

Wie den Zuckerschock überwinden?

Das geht naturgemäß relativ einfach, gerade im Sommer. Sie legen sich einfach Naturjoghurt zu und schneiden sich die Früchte selbst hinein. Die Süße des reifen Obsts reicht meist schon. Wem das zu sauer ist, der kann die Eiweiß- und Kalziumbombe mit etwas Honig verfeinern. Wir haben uns im Zuge dieser Geschichte übrigens auch daran versucht, Joghurt selbst zu machen. Das geht viel einfacher als gedacht. Man erhitzt einen Liter Milch und lässt ihn fünf Minuten köcheln. Danach wird er auf lauwarm abkühlt und “geimpft”. Dazu rühren Sie zwei Esslöffel vom letzten gekauften Naturjoghurt ein und lassen die Mixtur dann acht Stunden bei 50 Grad im Rohr arbeiten. Das war’s auch schon. Später können Sie sich einen Joghurtbereiter zulegen – am besten stromlos. Und auch damit experimentieren, ihre Milch mit Joghurtferment oder Probiotikum zu impfen.  Jetzt gilt es aber: Den ersten selbst gemachten Joghurt genießen – ohne Zuckerzusatz und Aromen.

Alle Ergebnisse der aktuellen Untersuchung finden sich zum kostenlosen Download oder online-Suche auf www.sipcan.at/milchliste sowie als kostenlose APP.