Zu teuer, mehr Schein als Sein, die Welt lässt sich so nicht ernähren: Was sind die typischen Vorurteile gegen Bio? Und gibt es dem etwas entgegenzusetzen?

Frau kauft Gemüse auf dem lokalen Lebensmittelmarkt

Manch Vorurteil, das gegen biologische Landwirtschaft ins Spiel gebracht wird, lässt sich leicht widerlegen. © Panthermedia

Wer Bio kauft, kann gleich sein Geld zum Fenster rauswerfen. Die ökologischen Produkte sind zu teuer? Wirtschaftswissenschaftler Tobias Gaugler sieht das anders. Er hat errechnet, wie viel Fleisch kosten müsste, wenn man die Umweltschäden der Tierhaltung einrechnet. Schließlich stammen geschätzte 23 Prozent der menschlichen Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Mal abgesehen von Düngemitteln und Energiebedarf, die sich auch nicht in den Lebensmittelpreisen niederschlagen. Wie die Preise unter Einbezug dieser Tatsachen aussähen? Ganz anders. Bio schneidet dann besser ab als konventionell. Fleisch aus konventioneller Haltung müsste etwa um das Dreieinhalbfache steigen (Plus 258 Prozent). Auch Biofleisch müsste teurer werden, sagt der Forscher. Aber: “Der Preisunterschied zwischen Bio und konventionell würde sich deutlich verringern.” In den Berechnungen sind übrigens noch nicht mal die Folgen von Pflanzenschutzmitteln, multiresistenten Keimen oder Bodenerosion einbezogen: “Würde man dies tun, so gehen wir davon aus, dass mehrere Biolebensmittel in Wahrheit sogar billiger sind, als konventionelle.”

Bio, das kontrolliert doch eh keiner?

Falsch. Jedes Bio-Unternehmen wird mindestens einmal jährlich umfassend kontrolliert – und zwar vom Acker bis zum Stall und den Betriebsmitteln. Aber nicht nur das. Prüfungen gibt es entlang der gesamten Wertschöpfungskette, sagt Otto Gasselich von Bio Austria. Will heißen: Jeder Schritt wird kontrolliert. Im Falle eines Weckerls etwa vom Getreide-Aufkäufer, über die Mühle und den Bäcker bis Endprodukt. Die Kontrolle behält man unter anderem mit Hilfe eines stetigen Mengenabgleichs. Dass alle Beteiligten zertifiziert sein müssen, versteht sich von selbst. Gasselich spricht von einem “Schweif an Kontrollen” und “unglaublichem Aufwand”, der sich am Ende aber lohne. Nur für Bio-Produkte gibt es diese systematische Prozesskontrolle.

Biotiere werden auch nicht besser gehalten?

“Tatsächlich ist die Zahl der gehaltenen Tiere auf einem Bio-Betrieb auf die landwirtschaftliche Nutzfläche abgestimmt und somit begrenzt. Ein Biobauer hält im Prinzip nur so viele Tiere, wie er mit Futter vom eigenen Betrieb biologisch ernähren kann. Diese sogenannte flächenbezogene Tierhaltung sichert einerseits die Ernährung der Tiere und verhindert andererseits eine Überdüngung der Felder”, sagt das heimische Umweltbundesamt. Zudem müsssen alle Nutztiere grundsätzlich Zugang zu Weiden oder Freigelände haben. Und auch was den Stallbau betrifft, gibt es Vorschriften, die die tiergerechte Haltung sicherstellen. Am Beispiel der Puten von Biobäuerin Claudia Hoffarth lässt sich das gut nachvollziehen. “Sie leben in einem geräumigen Stall mit Stroh und Sitzstangen. Zusätzlich können sie sich auf der Wiese frei bewegen und haben Schutzhütten und Bäume als Unterschlupf. Gerne fressen sie Gras oder picken mit ihren langen Schnäbeln – Schnabel kürzen ist in der Bio-Haltung verboten – nach Insekten oder Steinchen. Man sieht deutlich, wie die Puten diese Bewegung genießen.”  In der konventionellen Haltung werden sowohl männliche als auch weibliche Mastputen, nach Geschlechtern getrennt, in großen Hallen ohne Auslauf und mit jeweils mehreren Tausend Tieren pro Gruppe gehalten. Aufgrund des geringen Platzangebots leben die Puten im ständigen Gedränge: Sie haben kaum Platz und liegen in der Regel auf dem vollgekotetem Boden.

Biolebensmittel sind auch nicht gesünder?

Ja, stimmt: Es gibt Studien die zeigen, dass Bio-Obst und Bio-Gemüse wesentlich mehr gesundheitsfördernde sekundäre Pflanzenstoffe haben als konventionelles Obst und Gemüse. Und es gibt Studien, die keine signifikanten Unterschiede feststellen. Ein Unterschied ist jedoch unumstritten, sagt die deutsche Bioexpertin Elke Röder: “Konventionelles Obst und Gemüse ist 100-mal mehr mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, wie zum Beispiel Glyphosat, belastet. Glyphosat schadet nicht nur Bienen, sondern ist laut einer Studie der WHO wahrscheinlich krebserregend.” Skeptiker könnten jetzt einwerfen, dass der chemisch-synthetische Pflanzenschutz im Ökolandbau zwar verboten ist, aber die in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzten Pestizide ins Grundwasser sickern oder mit dem Wind auch auf Ökofelder geweht werden. Und es sowieso keine 100-prozentige Freiheit von Kontaminationen gibt? Stimmt, deshalb gibt es bei Biolebensmitteln zusätzliche Prozesskontrollen. “Die Kontrollen sind engmaschig.”

Mit Bio kann man die Welt nicht ernähren?

Tatsächlich ist die konventionelle Landwirtschaft zwar hoch produktiv, hat aber die Ernährungskrise nicht verhindern können. “Sie schädigt die Ernährungsgrundlagen – Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit, Klima, Meeres-Ökosysteme – und übernutzt endliche Ressourcen  wie zum Beispiel Energie oder Phosphat. Die Entwicklung eines neuen Landwirtschaft- und Ernährungssystems ist deshalb unabdingbar”, sagt der Agrarwissenschaftler Felix Prinz zu Löwenstein. Er meint, der ökologische Landbau diene sehr wohl dafür als Leitbild: “Eine Berkeley-Studie offenbart, dass er gerade dort, wo Hunger herrscht, hoch produktiv ist. Praxisbeispiele belegen das ebenso wie die Gesamtumstellung von drei indischen Bundesstaaten auf agrarökologische Landwirtschaft.” Würden wir den Fleischverbrauch auf ein gesundheitsverträgliches Maß reduzieren, Lebensmittelverschwendung und Nachernteverluste vermindern und den Acker nicht als Treibstoffquelle missbrauchen, könne man damit heute schon ausreichend Nahrung für eine wachsende Weltbevölkerung erzeugen. Davon ist zu Löwenstein überzeugt: “Dass bis jetzt nur minimale Anteile an Forschungsmitteln dafür investiert wurden, zeigt, wie viel Weiterentwicklung noch möglich ist!”