Leben Sie ein vorwissenschaftlich-magisches Weltbild mit fragwürdigen Ritualen, erfunden vom Esoteriker Rudolf Steiner? Das haben wir biologisch-dynamische Produzenten anlässlich der gestrigen Verleihung gefragt.

Demeter erhält heute das “Goldene Brett vor dem Kopf” für das Lebenswerk

“Schwachsinn”, sagt Martin Allram, gefolgt von “Wenn jemand nicht einmal im Stande ist, korrekt zu recherchieren, dann braucht man dem Ganzen eigentlich keine Aufmerksamkeit zu schenken”. Allram, der im Waldviertel erfolgreich alte Getreide- und Gemüsesorten nach Demeter-Kriterien anbaut, bleibt demonstrativ gelassen und muss lachen, als wir ihn fragen, ob er Schafgarbe im Hirschmagen auf seinem Feld ausbringt. So steht es schließlich in der Jurybegründung für den Satirepreis “Das Goldene Brett vor dem Kopf”, den der 1946 gegründete Demeter-Verband gestern für das Lebenswerk erhielt.  Tatsächlich bringe man Pflanzendrogen wie Brennessel oder Schafgarbe in den Kompost ein. “Impfen” heißt der Fachbegriff. “Das ist eine völlig andere Herangehensweise”. Und ein Hirschmagen hätte damit im Übrigen gar nichts zu tun. Biologisch-dynamische Präparate anzuwenden, das ist in den Demeter-Richtlinien verbindlich vorgeschrieben. Sie sollen das Bodenleben, das Wachstum, die Qualität der Pflanzen und die Tiergesundheit fördern. Es gibt Feld- oder Spritzpräparate wie Hornkiesel und Hornmist, Düngerzusätze wie Schafgarbe, Kamille, Brennessel, Eichenrinde, Löwenzahn und Baldrian, sowie Schachtelhalm-Abkochung und Aschenpräparate zur Unkraut- und Schädlingskontrolle.

Demeter Präparate Boden + Kiesel ©Meinklang

Michael Olbrich-Majer, Autor des Buches “Über das Geistige in der Möhre” versucht sich in Verständnis: “Dass Landwirte, die sich kreativ-intuitiv in die Naturvorgänge einfühlen, mit biodynamisch komponierten Präparaten quasi „Hausmittel“ der Hof- und Naturapotheke nutzen, das fällt halt manchen schwer, zu verstehen.” Das stimmt zweifelsohne. Dazu gehören beispielsweise die Wiener Skeptiker (GWUP Wien, Gesellschaft für Kritisches Denken), die den Satirepreis hierzulande seit 2011 jährlich vergeben.

Okkulte Gedankenwelt oder ganzheitliche Bewirtschaftungsform?

Der Verband richte sich nach den Regeln der „Anthroposophie“, einer okkulten Gedankenwelt, heißt es in deren Begründung für den Preis weiter.  Doch was heißt okkult überhaupt? “Wir verstehen heute trivial etwas anderes darunter, als Steiner es damals tat”, sagt Demeter-Winzer Werner Michlits aus dem burgenländischen Pamhagen dazu. “Okkult im Sinne von Steiner heißt nicht etwas Geheimes, Sektenhaftes, sondern etwas im intimsten Geheimnis verstehen.” Es sei daher alles andere als Geheimnistuerei und Zauberei, sondern ein sehr feines Hinfühlen auf die Naturphänomene und Zusammenhänge von Pflanzen und Tieren, zu den Steinen oder dem Boden, in denen sie Wachsen und dem Umfeld in dem sie stehen. “Jede Pflanze hat ätherische Öle, Heilwirkungen, das wissen wir auch von vielen anderen Naturforschern. Und gleiches gilt auch für die einzelnen Organe – welche Aufgabe haben sie, für welchen Prozess im Lebensorganismus sie stehen. Vieles ist dann eigentlich sehr selbstverständlich und natürlich.”

„Und so kann sich heute schon der materialistischste Landwirt, wenn er nicht ganz dumpf dahinlebt, ausrechnen, in wie vielen Jahrzehnten die Produkte so degeneriert sein werden, dass sie nicht mehr zur Nahrung dienen können.“ (R. Steiner 1914)

Michlits sieht in Demeter eine ganzheitliche Bewirtschaftungsform, einen Impuls den Bauern aufgegriffen haben, um an der Verlebendigung unserer Erde zu arbeiten: “Ich sehe geschlossene Nährstoff-Kreisläufe am Bauernhof und die Unabhängigkeit des Bauern, sein Land fruchtbar zu machen.”

Die Demeter-Winzer Werner & Angela Michits, Weingut Michits in Panhagen Burgenland © RenŽ Prohaska

Auch für Sandra Schaffer von der Bäckerei Öfferl, die mit Allrams Mehl arbeitet, ist die Kreislaufwirtschaft, die man bei Demeter lebt, ein großes Thema: “Pflanzen, Tiere, Boden und Menschen brauchen einander und wirken und zusammen, niemand wird ausgelaugt oder ausgenutzt. Jeder Teil der Wertschöpfungskette verdient und bekommt den selben Respekt: ein faires Nehmen.” Abgesehen davon gehe die aktuell strengste Biozertifizierung damit einher: “Und somit für uns die nachhaltigste und richtigste Form der Landwirtschaft.”

Und die Wissenschaft?

Etabliert ist die Biologisch-Dynamische Landwirtschaft heute auf allen Kontinenten und in den unterschiedlichsten Kulturkreisen, z.B. der arabischen Welt, Indien und China. 4.950 Demeter-Betriebe mit insgesamt 161.074 Hektar Fläche gibt es und Einzelprojekte in 43 Ländern mit einem deutlichen Schwerpunkt Mitteleuropa. Demeter Organisationen aus 17 Ländern arbeiten im Verband Demeter International e.V. zusammen. Tierwohl steht für alle ganz weit oben. Rinder tragen Hörner, Hühner leben in kleinen Herden, Bienen wird das Schwärmen ermöglicht. Der Landwirt wurde von Beginn an als Forschender verstanden. Was aber sagt die Wissenschaft? “Man könnte mit einem Satz unter Ärzten argumentieren: “Wer heilt hat recht”, konstatiert Olbrich-Majer. “Aber es gibt eben auch seit Jahrzehnten wissenschaftliche Forschung zum biologisch-dynamischen Arbeiten, wer nur ansatzweise Fachkenntnis hat, weiß das.” Was die von der Jury kritisierten biodynamischen Präparate betrifft, so gäbe es etwa eine Untersuchung aus Vietnam, die 2007 nachwies, dass der Ertrag von zwei Sorten Sojabohnen mit der Anwendung um mehr als 30 Prozent signifikant gesteigert wurde – im Vergleich zur Kontrollgruppe, die ohne diese Präparate arbeitete. Im September 2018, ging dann auch die erste internationale Tagung zu biodynamischer Forschung mit 100 Beiträgen und 180 Teilnehmern im Schweizer Dornbach über die Bühne. “Die biodynamische Forschung arbeitet mit wissenschaftlichen Methoden und ist offen für neue Ansätze”, sagt Jean-Michel Florin, Co-Leiter der Sektion für Landwirtschaft des Veranstalters Goetheanum. Neben einer Nachweis- brauche es aber auch eine Entwicklungsforschung, um an den konkreten Fragen der Landwirte anzuknüpfen. Eines der dort vorgestellten aktuellsten Forschungsprojekte beschäftigt sich mit dem Tierwohl. Mechthild Knösel vom Hof Rengoldshausen, Anet Spengler Neff vom Institut für biologischen Landbaeu (FiBL) und Silvia Ivemeyer von der Universität Kassel suchten nach einer Lösung für die Trennung der Mutterkuh vom Kalb und entwickelten einen Leitfaden. Und der wird auch von konventionellen Landwirten nachgefragt.

Hintergrund: Der “Landwirtschaftliche Kurs”

1924 hielt Antroposophie-Gründer Rudolf Steiner auf Wunsch von Personen aus dem landwirtschaftlichen Umfeld, die der bäuerlichen Entwicklung hin zur Industrie skeptisch gegenüberstanden und um die Fruchtbarkeit ihrer Böden fürchteten, eine achttägige Vortragsreihe, den “LandwirtschaftlichenKurs”. Dort lieferte er die geisteswissenschaftlichen Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft aus seiner Sicht. Steiner misst den Kräften von Kosmos und Erde große Bedeutung für das Pflanzenwachstum zu, sieht eine geschlossene Kreislaufwirtschaft als das Ideal eines landwirtschaftlichen Betriebes und setzt biodynamische Präparate als Verbesserung der Mistdüngerqualitäten und als Pflanzenstärkungsmittel ein. Bereits während des Kurses gründete sich ein Versuchsring aus Landwirten, der die neuen Impulse erproben und erforschen sollte. Daraus ging 1946 der Demeter-Verband hervor.

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