Auch heuer werden wieder zwei besondere Vertreter unter den vierzig gefährdeten Nutztierrassen vom Naturschutzbund vor den Vorhang geholt.

Das Zackelschaf ist die letzte erhaltene Schafrasse mit Schraubenhörnern. © Arche Austria

Sie dürfen sich ab sofort “Nutztierrassen des Jahres 2020” nennen. Das Nackthalshuhn oder altösterreichische „Siebenbürgenhuhn“ hat das Rennen in der Kategorie Kleintiere gemacht, das Zackelschaf ist das Großtier des Jahres. Gekürt werden die besonderen Nutztiere jedes Jahr von der Arche Austria. Dahinter steckte ein Verein zur Erhaltung seltener Nutztierrassen. Die Nackthälse also stehen diesmal im Fokus. Mit ihrem nackten, intensiv roten Hals und Kropf sehen sie zugegeben ziemlich kurios aus. Dabei gibt es sie quasi schon ewig. Verbreitet waren sie bereits in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Und auch auf der ersten Internationalen Geflügelausstellung 1875 in Wien wurden sie bereits auf einer Großschau gezeigt. Danach züchtete man sie allem voran in Siebenbürgen (damals Österreich-Ungarn, heute Rumänien) und in Deutschland. Da gründeten die besonderen Liebhaber 1905 sogar einen Sonderverein der Nackthals-Züchter. Das Nackthalshuhn wurde daher auch lange als „Siebenbürgenhuhn“ bezeichnet. Über seine Entstehung und Herkunft wurde viel spekuliert und diverse Theorien entwickelt, schlüssige Beweise  gibt es allerdings keine. Bernhard Noack beschrieb das Phänomen Nackthalsigkeit in „Das Nackthalshuhn“ (Neu Brehm Bücherei 1958) als eine zufällige, spontane Veränderung des Erbgutes, eine Mutation, die sich hier dominant vererbt.

Das Nackthalshuhn, ein besonderer Landhendlschlag, der unverkennbar ist. ©A. Fürstberger

Und wann ist diese spontane Vererbung passiert? Auch das weiß man leider nicht.  Was es allerdings gibt, ist ein Kupferstich in dem um 1701 erschienenen Buch des Österreichers Freiherr von Hoberg. Im Kapitel „vom Meyerhof“ findet sich eine Landfrau, die Geflügel füttert, darunter auch Nackthälse. Dieser Stich belegt die Verbreitung in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Damals waren übrigens die gesperberten Nackthälse am häufigsten, heute sind es die weißen und schwarzen.

Womit punktet so ein Nackthalshuhn?

Nun, es gehört zu den klassischen Zweitnutzungsrassen und ist allem voran außerordentlich widerstandsfähig gegen klimatische Einflüsse – sowohl gegen Hitze als auch Kälte. Das ist Zeiten des Klimawandels schon einmal nicht zu verachten. Abgesehen davon wächst es schnell, eine zweieinhalb-Kilo-Henne legt etwa 180 cremefarbene Eier und ist leicht zu mästen. Abgesehen davon sind sehr robust und auch hervorragende Futtersucher mit ruhigem Temperament, anspruchslos in der Unterbringung und nicht zuletzt sehr schmackhaft. Deshalb trifft man es auch fast weltweit. Nur nicht im hohen Norden. Dennoch steht das nackte Hendl auf der roten Liste alter, einheimischer Geflügelrassen. Mit unter 100 Zuchten in Deutschland und nur 10 in Österreich ist es tatsächlich stark gefährdet.

Schraubenhörner ohne Ende

Auch das Zackelschaf hat ein sehr besonderes Merkmal: nämlich schraubenförmig gedrehte Hörner. Und die sind wirklich lang:  Bis zu einem Meter beim Widder, beim Weibchen etwa die Hälfte. Trauriger Weise ist das Zackelschaf bereits die letzte erhaltene Schafrasse mit Schraubenhörnern. Und sonst so? Sind Zackelschafe klein, robust, lebhaft und scheu. Es gibt sie in weiß und wie es sich gehört in schwarz. Gehalten werden sie als Zweitnutzungsrasse. Reine Österreicher sind auch sie nicht. Das Zackelschaf wurde ursprünglich für die Milch- und Fleischversorgung der ungarischen Nomaden gezüchtet. Die wählten es nicht ohne Grund. Ihr Wildbret-ähnliche Fleisch ist nämlich nahrhaft, feinfasrig, qualitativ, schmackhaft und hat ziemlich wenig Fett.

Die Hörner des männlichen Zackelschafs werden locker bis zu einem Meter lang. © ARCHE Austria

Die 40 bis 50 Kilo schwere Rasse (Männchen schaffen bis 80 Kilo) ist hochgefährdet, obwohl die Tiere ausgesprochen anspruchslos, robust und widerstandsfähig sind und als Extensivrasse harte unempfindliche Klauen haben. Ihr dichtes, wasserundurchlässiges Vlies schützt sie im Winter vor Kälte und im Sommer vor Überhitzung. Mischwollig nennt man das in der Fachsprache. Regionalen Klima- und Nahrungsbedingungen passen sich problemlos an und legen in der Regel problemlose Geburten hin. Sogar auf extremen Magerweiden fühlen sie sich dank ihrer Genügsamkeit wohl. Sowohl um das Nackthalshuhn, wie auch um das Zackelschaf, wäre es wirklich schade. Eine Welt ohne eigenwillig aussehende, alte Nutztierrassen, wäre eine ärmere, weniger bunte Welt. http://www.naturschutzbund.at