Tierschutz per Begehr Teil II
Qualzucht, Leid bei der Schlachtung und Tiertransporte: All das wollen viele Menschen nicht mehr hinnehmen. Das Tierschutzvolksbegehren nimmt sich auch dieser Themen an.
Sie werden mit Gummischläuchen geschlagen, der Schwanz wird ihnen verdreht, sie werden an den Ohren gezogen. Transportzeiten werden problemlos überschritten, Ruhezeiten nicht eingehalten. All das ist in Videos dokumentiert. Es gibt keine oder nicht genug Einstreu, um die Exkremente zu absorbieren. So sieht sie aus: Die bis zu 19 Stunden dauernde Reise von gerade einmal zwei, drei Wochen alten männlichen Kälbern von Westösterreich nach Italien oder Spanien. Warum gibt es diese Transporte? Um sie in Südeuropa unter niedrigeren Haltungsstandards als in Österreich mästen zu können. Oft bleiben die Jungtiere auch noch unversorgt, weil sie die angebrachten Getränkenippel nicht verstehen und noch kein Heu fressen können. Das empört sogar einen, der schon alles an Transportmissständen gesehen hat, die es so gibt in Europa und den Drittstaaten: Veterinär Alexander Rabitsch, profunder Kenner der Tiertransport-Problematik. Er fordert angesichts dieser Zustände: “Wir müssen endlich aufhören, männliche Kälber als Abfallprodukte zu sehen.”
Abseits der Kälberproblematik? “Wird kranken und verletzten Tieren oft über Tage hinweg nicht geholfen. Weil häufig zu viele Tiere pro LKW verladen werden, erreichen nicht alle die Wassertränken, haben nicht genug Platz sich hinzulegen und aufzustehen”, sagt Rabitsch. Über tausende Kilometer müßten sie in ihren eigenen Exkrementen stehen. Der Veterinär hat LKWs erlebt, in denen die Tiere völlig durchgefroren waren. Aber auch das Gegenteil. Und: Muttertiere, die teils hochträchtig transportiert werden und im Transporter gebären. Angesichts dessen erklärt sich die nächste im Tierschutzvolksbegehren verankerte Forderung:
Tiertransporte reduzieren
Gefordert wird, dass Nutztiere keine lange Strecken mehr in Transportwägen verharren müssen. Vier Stunden soll künftig die Höchstgrenze sein Aktuell dürfen zwei Fahrer maximal 18 bis 20 Stunden fahren. Nach dieser Zeit müssten zwei neue Fahrer vor Ort zusteigen. Laut Europäischem Recht sind allein deswegen Langstreckentransporte illegal, weil diese Fahrerwechsel in der Praxis einfach nicht stattfinden, so Rabitsch. Das sind sie aber auch, weil außerhalb der EU keine Verlade- und Versorgungsstationen mit geeigneten Ställen existieren. Sobald die Tiere die EU-Außengrenze überqueren, sind sie schutzlos. Nach dem Transport kommt für manche, wie die Kälber, die Mast. Für andere führt der Weg ins Schlachthaus.
Von Gondeln, die Schweine tragen
Für die Schweine sieht das weitere Prozedere stellvertretend in der Regel so aus. Vom LKW werden sie über eine Rampe aufs Förderband bugsiert, fahren via Gondel nach unten in den CO2-Schacht und atmen dort Kohlendioxid ein. Haben sie Pech und die CO2-Konzentration ist zu hoch, geht das mit Erstickungsgefühlen und Atemnot einher. Dann schreien sie. In der Regel ist das bei Gasgemischen ab 20 Prozent CO2 so.
Alle Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens im Überblick
- Garantie einer artgerechten Haltung
- Verbot der Qualzucht (im Nutztier- und Haustierbereich
- Reduktion der Tiertransporte
- Verbot des “Kükenschredderns”
- Eingriffe nur mehr unter Betäubung
- Artgerechte Fütterung
- Staatliche Förderung für artgerechte Tierhaltung:
- “Tierwohl-Kennzeichnung” für alle tierischen Lebensmittel und Pelzprodukte:
- Import-Verbot für Qual-Produkte
Zwischen 33 und 103 Sekunden vergehen, bis die Schweine das Bewusstsein verlieren, sagt eine Studie von Verhoeven, Merel et al. Dann haben sie es geschafft, sind betäubt und fallen den Schlachthausmitarbeitern entgegen. In der Regel hängt einer das betäubte Tier an den Haken, der andere sticht es ab. 250 Mal pro Stunde läuft das so. Schließlich gilt es, effizient zu sein. Kulturwissenschaftler Lukasz Nieradzik spricht von einem System, in dem Tiere zu bloßen organischen Rohstoffen degradiert sind und sagt: “Der gesellschaftliche Status eines sogenannten Nutztieres ist heutzutage mit Kategorien des Lebens gar nicht mehr fassbar.” Schlachthöfe? Glichen rechtsfreien Räumen, sagt er “an denen Menschen arbeiten, die schlecht entlohnt werden, kaum eine soziale Absicherung genießen und in einer körperlich anstrengenden und emotional höchst belastenden Arbeit Tiere im Akkord töten.” Ein No Go für die Initiatoren des Tierschutzvolksbegehrens. Sie fordern:
Kein Leid bei der Schlachtung
Das Tier soll bei der Schlachtung so wenig Stress wie nur möglich erleiden. Betäubungen sollen ebenso wirkungsvoll wie wenig belastend sein. Transporte zu weit weg gelegenen Schlachthöfen sollen durch Hofschlachtungen ersetzt werden. Eine überzogene Forderung ist das nicht. In Deutschland und der Schweiz ist die Weideschlachtung längst erlaubt, hierzulande noch immer verboten. Und das, obwohl sich Promis wie Josef Zotter und Labonca-Mastermind Norbert Hackl dafür einsetzen, und steirische Biobauern sogar einen mobilen Schlachthof entwickelt haben (www.stressfrei.st). An den Bauern liegt’s also offenbar nicht.
Von Puten, die kaum mehr stehen können und Turbomilchkühen
Doch nicht nur die Schlachtung, auch die Zucht ist Thema des Tierschutzvolksbegehrens. Genauer gesagt die Qualzucht. Wir sprechen etwa von Putenrassen mit klingenden Namen wie ,,Big-6″, ,,Big-9″ oder ,,Converter”, die so schwer werden, dass ihr Skelett nicht mithält und den massigen Körper nicht mehr tragen kann. In 16 Wochen werden sie auf ein Schlachtgewicht von 12 kg gemästet. Der riesige Brustmuskel führt zu einer Verlagerung der Körperachse. Es folgen Beinstellungsanomalien, X- und O-Beine. Oft halten die Beine die Last nicht mehr und die Oberschenkelknochen brechen. 1991 machte die Putenbrust noch 14 Prozent des Körpergewichts eines Tieres aus. Heute sind es fast 30 Prozent. Die Verlustraten in konventionellen Betrieben liegen bei bis zu zehn Prozent. Natürlich auch, weil die Haltungsbedingungen bei der herkömmlichen Putenzucht denkbar schlecht sind. Die natürliche Lebenserwartung dieser Tiere liegt bei 15 Jahren. Übrigens kann man an an dieser Stelle die Puten auch durch Masthühner aus Massentierhaltung ersetzen. Denn deren Brustmuskel ist analog zu den Konsumentenvorlieben teils ebenfalls erschreckend überzüchtet. Die Tiere fallen im schlimmsten Fall einfach um, und können nicht mehr aufstehen.
Mit den überzüchteten Puten und Hühnern aus Massentierhaltung können nicht einmal die Turbokühe mithalten. Und das will was heißen. Denn gab eine Kuh früher gerade mal 10 Liter Milch – so viel braucht ein Kalb nämlich pro Tag, geben Hochleistungsrassen heute bereits über 50 Liter pro Tag. Nicht umsonst bezeichnet man sie aufgrund dessen als Turbokühe. Weil die gesamte Energie in der Milchproduktion steckt, gibt es auch da natürlich Folgen: Euterentzündungen, Stoffwechselprobleme und Untergewicht.
Im Schnitt geht das maximal fünf Jahre gut. Dann hat die Kuh ihre Lebensleistung erbracht und kommt ins Schlachthaus. Auch das soll sich ändern, geht es nach den Initatoren des Tierschutzvolksbegehrens. Sie fordern:
Ein Qualzucht-Verbot (im Haus- und Nutztierbereich)
In anderen Worten: Es soll kein unnötiges Mästen von Tieren mehr geben, um die Fleischmasse zu steigern. Und was für Nutztiere gilt, soll übrigens auch für Haustiere gelten. Qualzüchtungen, die bei Rassehunden oder Rassekatzen Missbildungen wie verwachsene Schädel, Atemnot oder Haarlosigkeit hervorbringen, sollen ebenso verboten werden. Schön und gut, aber was ist mit den tierischen Produkten aus Qualzucht, die aus dem Ausland kommen? Auch daran haben die Initiatoren des Tierschutzvolksbegehrens gedacht. Sie wollen dem Handel damit einen Riegel vorschieben.
Import-Verbot für Qual-Produkte
Aus dem Ausland importierte Produkte, die nicht österreichischen Standards entsprechen, sollen verboten werden. Das betrifft die überzüchteten Puten oder Hendln genauso, wie etwa Eier aus Käfighaltung, Gänsestopfleber oder Pelz aus “Qualfarmen”. Der gesamte Rest? Soll gekennzeichnet werden. Die Herkunft jedes tierischen Produktes soll nachvollziehbar sein. Im Forderungskatalog heißt das:
“Tierwohl-Kennzeichnung” für alle tierischen Lebensmittel und Pelzprodukte
Geht es nach dem Tierschutzvolksbegehren, soll für den Konsumenten künftig erkennbar sein, wie das jeweilige Tier gehalten wurde. Und zwar nicht nur im Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch in der Gastronomie und der Fashionindustrie. Wer in einem Restaurant qualitativ minderwertiges Fleisch anbietet, soll kennzeichnen, woher es kommt. Und auch auf allen Tierpelz-Artikeln, selbst Besätzen auf Jacken oder Bommeln auf Mützen, soll die Herkunft künftig vermerkt werden.
Damit haben wir alle Forderungen beleuchtet und hoffentlich auch alle Fragen zum Tierschutzvolksbegehren beantwortet. Wenn Sie doch noch eine haben oder das Volksbegehren unterzeichnen wollen, so finden Sie alle Informationen dazu hier: http://www.tierschutzvolksbegehren.at
Lesen Sie auch Teil I dieser Serie! Tierschutz per Begehr Teil I