Luxusgut Fleisch?
Über eine Fleischsteuer das Tierwohl fördern, die Menschen dazu bewegen, weniger Fleisch zu essen und das Klima retten: Kann das wirklich funktionieren?
“Fleisch wurde von meinen Großeltern am Sonntag gegessen. Denn Fleisch ist kein Grundnahrungsmittel und muss nicht zu Dumpingpreisen verschleudert werden.” Das sagt einer, der ganz klar pro Fleischsteuer argumentiert: David Richter. Richter ist allerdings ein Vetreter des Vereins gegen Tierfabriken (VGT). Da darf man kein anderes Argument erwarten. Dennoch muss man ihm ehrlicher Weise Recht geben. Auch wenn er sagt: “Wir müssen weg von der Massentierhaltung in Österreich und das funktioniert nur, wenn die Politik die Weichen stellt?” Doch kann man mit höheren Steuern auf Fleisch wirklich den maßvolleren Konsum fördern, für mehr Tierwohl sorgen und allem voran das Klima schützen? In Deutschland diskutiert man darüber gerade sehr intensiv. Da beträgt die Steuer auf tierische Produkte allerdings auch sieben Prozent, während die für andere Lebensmittel 19 Prozent beträgt. Besonders markant fällt der Unterschied beim Vergleich Kuhmilch versus Pflanzendrinks ins Auge. Kuhmilch wird mit sieben Prozent besteuert, Mandel-, Haferdrinks & Co. mit 19 Prozent. In Österreich werden Nahrungsmittel generell mit 10 Prozent besteuert, Getränke mit 20 Prozent. Insofern ist die Ausgangslage unterschiedlich. Nicht allerdings, was das genannte Beispiel betrifft. Denn Wasser und Kuhmilch fällt hierzulande unter Nahrungsmittel, Pflanzendrinks unter Getränke. Weil das insbesondere Allergiker benachteiligt, war diese unterschiedliche Besteuerung 2008 sogar bereits Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage, die von der Regierung allerdings abgelehnt wurde.
Uneinigkeit allerorten
Auch beim Nachbarn ist man sich in der Sache noch längst nicht einig. Selbst bei den NGOs gibt es unterschiedliche Meinungen. Während Foodwatch erklärte, sinnvoll für gesündere Ernährung wäre ein Wegfall der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse, zeigte sich Greenpeace begeistert und meint, mit der Subvention von Fleisch- und Milchprodukten durch den ermäßigten Steuersatz müsse Schluss sein.
Fleisch frisst Land
Der Flächenverbrauch für den Fleischkonsum in Europa ist enorm – und wird oft in andere Kontinente wie Südamerika ausgelagert. Zwischen 2008 und 2010 waren dies durchschnittlich mehr als 30 Millionen Hektar, die die EU „virtuell“ belegt hat. Das entspricht in etwa der Fläche Ungarns, Portugals, Dänemarks und den Niederlanden zusammen. Etwa die Hälfte der virtuell importierten Flächen ist allein auf Soja für den Futtermittelanbau zurückzuführen.
An die Öffentlichkeit gebracht hat die Idee der Fleischsteuer übrigens Thomas Schröder. Der ist Präsident des deutschen Tierschutzbundes. Und wer jetzt meint, bei der Politik blieben die Türen dafür zu, der irrt. CDU-Agrarpolitiker Albert Stegemann beispielsweise kann sich dafür absolut erwärmen, sprach von einem „konstruktiven Vorschlag“ und forderte die Mehreinnahmen zwingend als Tierwohlprämie zu nutzen. Damit könnte man deutsche Tierhalter etwa beim Umbau von Ställen unterstützen. Das wiederum kommt beim deutschen Bauernbund gut an. “Nicht der Fiskus, sondern die Landwirte brauchen Mittel und Unterstützung für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung”, heißt es von deren Seite. Auch CDU, SPD und Grüne bekunden tatsächlich Interesse an einer „Tierwohlprämie“ bzw. einer Erhöhung der Mehrwertsteuer. Wobei es wie gesagt in Deutschland ja eigentlich um eine Steueranpassung geht.
Und was sagt man hierzulande zur Fleischsteuer?
Wie gern der Österreicher im Schnitt Fleisch isst, weiß man inzwischen. Zwei Mal pro Woche reicht nicht, zwei Mal am Tag trifft es trotz stetiger öffentlicher ärztlicher Warnungen bei einem Konsum von eher. Von daher kann man der Idee einer Fleischsteuer auch hierzulande etwas abgewinnen. Der eingangs erwähnte David Richter spricht von einem wichtigen Lenkungswerkzeug und dem zweckgebundenem Einsatz: einerseits zur Förderung der artgemäßen Tierhaltung, andererseits zur Förderung von wirklich umweltfreundlichen Alternativen zu Fleisch. “Fleisch soll und muss zu einem Luxusprodukt werden.”
Ich verstehe nicht, warum ein Schnitzel eine halbe Weltreise unternehmen muss, bevor es auf unseren Tellern landet. Es wäre viel ökologischer eine regionale und nachhaltige Lebensmittelversorgung zu fördern, von der die österreichischen Landwirte auch selbst leben können. Wir sollten außerdem darüber nachdenken, warum wir Lebensmittel produzieren, von denen dann fast ein Drittel im Mülleimer landen. (K. Rogenhofer, Klimaschutzvolksbegehren)
Dieser Gedanke behagt allerdings nicht jedem. Für Katharina Rogenhofer vom Klimaschutzvolksbegehren etwa führt die Diskussion generell am Thema vorbei. “Wir können die Klimakrise nicht über einen ‚Fleckerlteppich‘ aus zusätzlichen Einzelbesteuerungen lösen.” Stattdessen sei eine Förderung einer regionalen, klimafreundlichen Landwirtschaft der Schlüssel. Heimisches Rindfleisch erzeuge um 80 Prozent weniger Emissionen als Argentinisches – und zweiteres sei dennoch meist billiger. “Da müssen wir uns schon überlegen, was wir fördern: Regionalen Konsum und eine Preiswahrheit für unsere Umwelt – oder eine Steuer, die dieses Problem nicht bei der Wurzel packt.”
Zwang, auf Billiglebensmittel aus dem Ausland auszuweichen?
Auch Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will braucht man mit einer Fleischsteuer nicht kommen: “Mit höheren Preisen auf heimisches Fleisch werden wir weder das Tierleid lindern noch das Klima retten. Im Gegenteil, damit würden wir untere Einkommensschichten zwingen, noch stärker auf Billiglebensmittel aus dem Ausland zurückzugreifen”, so sein Argument. Seine Lösung? Eine Stärkung der kleinstrukturierten österreichischen Landwirtschaft. Die deutschen Politiker, die sich für eine Fleischsteuer einsetzen, sind ihm suspekt: “”Gerade die, die sich zuletzt vehement für das klimaschädliche Freihandelsabkommen Mercosur sowie für höhere Fleischimportquoten aus den USA eingesetzt haben, um die eigene Automobilindustrie zu stärken, wollen jetzt plötzlich Klimaretter spielen. Das glaubt doch kein Mensch.” Und die bäuerlichen Interessenvertreter? Was sagen die eigentlich? Auch Njet. Man habe bei der österreichischen Produktionsweise “in der Milch- und Fleischproduktion die niedrigsten Treibhausgasemissionen im EU-Vergleich”, erläuterte Bauernbundpräsident Jakob Auer.