Als erster Schritt durchaus ok
Der „Pakt für mehr Tierwohl“ sorgt österreichweit für positive Reaktionen, auch wenn es ruhig „etwas mehr hätte sein dürfen“, was für unsere Tiere getan wird.
Mit Beginn des nächsten Jahres soll der Neu- oder Umbau von Ställen, die „mehr Tierwohl“ versprechen, mit 120 Millionen Euro pro Jahr gefördert werden. Der Fördersatz für Investitionen in tierfreundlichere Haltungen bei Schwein und Pute wird laut Ministerin Elisabet Köstinger von 25 auf 35 Prozent der Investitionskosten erhöht. Im Rahmen dieses „Pakts für mehr Tierwohl“ gibt es auch neue Förderstandards für Ferkelaufzucht, Schweinemast sowie Rinderhaltung. Für Schweine sind mehr Platz, größere Buchten und getrennte Bereiche mit nur wenig perforierten Liegeflächen und für Betriebe, die unkupierte Schweine halten, ist ein Förderzuschlag vorgesehen. In Österreich werden rund 95 Prozent der Schweine routinemäßig der Schwanz geschnitten, damit sich die Tiere in unzureichenden Haltungsbedingungen nicht aus Stress und Langeweile in die Schwänze beißen und so verletzen.
Ab 2021 gibt es außerdem keine Förderung mehr für den Neubau von Anbindeställen, eine Ausnahme soll es für Kleinstbetriebe geben. Weiters erhalten ab 2022 Bauern keine Förderung mehr für den Neubau von Ställen, die nur gesetzliche Mindeststandards erfüllen. Dazu zählen Ställe, die ausschließlich Vollspaltenböden in der Schweinehaltung verwenden. Bei der Rindermast darf kein Spaltenboden ohne weiche Auflage verwendet werden.
K & K: Die Kalbfleisch-Kampagne
Der ebenfalls berechtigt immer wieder scharf kritisierte Lkw-Transport von jährlich zehntausenden Kälbern ins Ausland soll durch mehr Nachfrage nach Kalbfleisch im Inland verringert werden. Geplant sind Absatzförderungen und neue Vermarktungsstrategien, außerdem wird das Förderprogramm „Tierwohl Stallhaltung“ ab 2023 auf Kälber ausgedehnt.
Darüber hinaus kündigte Köstinger den Aufbau eines österreichweiten Tiergesundheitsdienstes an, der als zentrale Struktur zur Ergänzung der Länder-Tiergesundheitsdienste geplant ist. Unter anderem sollen Tierhalter bei der Umsetzung von veterinärrechtlichen Vorgaben unterstützt und mit einheitlichen Tiergesundheitsprogrammen soll die Verwendung von Medikamenten reduziert werden. Und dann gab’s noch das übliche österreichische Eigenlob und die bekannte österreichische Konzilianz: Köstinger betonte, dass Österreich bereits weltweit zu den Ländern mit den höchsten Tierwohl- und Lebensmittelstandards gehört und dass man auch beim „Pakt für mehr Tierwohl“ wie hierzulande gut bekannt (der nächste Lockdown beispielsweise lässt ja bei uns erst wörtlich „grüßen“, während andernorts der Ernst der Lage schon längst zu Taten statt Worten geführt hat) auf „Unterstützung beim Umstieg statt auf Verbote“ setzt.
Und die Reaktionen?
Im Europaparlament unterstützt Simone Schmiedtbauer den Pakt für mehr Tierwohl „von ganzem Herzen“ und dankt ausdrücklich Ministerin Köstinger „für die wichtige Initiative“, was wenig verwundert, wenn man sich die Parteizugehörigkeit der beiden Damen ansieht. Immerhin Frau Schmiedtbauer meint, „unsere heimische Expertise“ sei „auf EU-Ebene gefragt und ich werde sie mit vollem Elan im Europaparlament einbringen – insbesondere im Untersuchungsausschuss für Lebendtiertransporte“. „Hier brauchen wir ohne Zweifel einen Schulterschluss zwischen der nationalen und der europäischen Ebene.“ Oh ja.
Der Vorsitzende der Agrarlandesräte-Konferenz, Josef Schwaiger, begrüßt die Bemühungen, mehr Kalbfleisch in Österreich abzusetzen – was auch nicht allzu sehr verwundert. Ein klein wenig erstaunlicher sind die durchwegs positiven Reaktionen aus dem heimischen Handel, obwohl derselbe zumindest vom Landwirtschaftskammerpräsidenten Josef Moosbrugger als Feindbild erspät wurde. (Zitat: „Ein mehr an Tierwohl verträgt sich nicht mit Schleuderpreisen im Handel.“) Andererseits: Hätte REWE-Vorstand Marcel Haraszti etwa NICHT „die Initiative der Bundesministerin für mehr Tierwohl“ begrüßen (und dabei das „Fair zum Tier“-Programm für Huhn, Schwein, Rind und Kuh bei Billa und Merkur loben), hätte Hofer-Generaldirektor Horst Leitner NICHT auf die Bestätigung „unseres langjährigen, erfolgreichen Tierwohl-Engagements“ und auf die „branchenweite Vorreiterrolle“ hinweisen, hätte Unimarkt-Geschäftsführer Andreas Haider NICHT erwähnen sollen, dass man sich „als regionaler Lebensmittelhändler der Verantwortung bewusst“ sei und daher „genau darauf achte, mit Partnern zu kooperieren, die diese Werte ebenfalls leben und vorantreiben“?
Warum der Vollspaltenboden noch bis 2022 gefördert (!) wird und warum Änderungen bzw. Verbesserungen der Tierhaltungsverordnung NICHT vorgesehen sind, sollte dennoch – durchaus lautstark – hinterfragt werden. Aber ja, als erster Schritt ist der „Pakt für mehr Tierwohl“ durchaus ok.