Über 71 Prozent des in Österreich gegessenen Kalbfleisches stammt aus dem Ausland. Doch der Veränderungswille ist da. Ein Pilotprojekt zeigt vor, wie’s geht.

Kalb mit anderen Kälbern auf einer Wiese

Artgerecht mit Rauhfutter aufgezogen? Dann ist das Kalbfleisch rötlich, andernfalls weiß. ©Unsplash

Ganze 4,5 Millionen. So viel Kälber werden in Europa jährlich geschlachtet. Das sagt Agrarlandesrat Josef Schwaiger. 31 Prozent sterben in den Niederlanden, 28 Prozent in Frankreich. Wie viele Kälber-Schlachtungen es in Österreich gibt? Auch dazu liegt eine Zahl vor: 56.000. Ganz schön viel? Nicht angesichts dessen, dass noch mal doppelt so viele schon geschlachtet importiert werden. Warum? Sie sind schlicht und einfach billiger. Erkennbar ist das Importfleisch übrigens auch. An der Farbe. Heimische Kälber werden artgerecht mit Rohfaser gefüttert. Das Fleisch zeigt später eine stärkere Rötung. Fleisch von anders gefütterten Kälbern ist weiß. Wird Ihnen im Restaurant Kalbfleisch mit weißer Farbe serviert, lohnt daher die Nachfrage. Salzburgs Landwirtschaftskammerpräsident Rupert Quehenberger sagt: “Wir müssen vor den Vorhang holen, wie die Kälber in Österreich aufgezogen werden.” Allerdings gibt es da einen Wermutstropfen. Und auch der hat mit Geld zu tun. Es geht um 2,20 bzw. 2,70 Euro. Um so viel müssten die Kälber-Erzeugerpreise pro Kilo Schlachtgewicht im konventionellen bzw. Biobereich steigen, um ein Milchmastkalb kostendeckend aufzuziehen, so Quehenberger. Auf das ganze Kalb umgelegt wären das 200 bis 250 Euro.

Das Kälbermast-Pilotprojekt und die 14-Tage Frage

Wie es auch gehen könnte, zeigt ein Pilotprojekt zur Vollmilch-Kälbermast. Im Kalbfleisch, das das “SalzburgerLand Herkunfts-Zertifikat” trägt, steckt ausschließlich heimisches Kalb. Es wird in Salzburg geboren, gemästet und geschlachtet. Hinter dem Pilotprojekt, das seit Mai 2019 läuft, steckt die Landwirtschaftskammer mit Unterstützung des Landes.  Der regionale Projektpartner Ablinger schlachtet noch bis Ende März 150 Kälber von 29 Landwirten. Die höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt Raumberg-Gumpenstein begleitet das Projekt wissenschaftlich. Quehenberger will dieses Fleisch auch Restaurants anbieten. “Nur eine verstärkte Nachfrage nach heimischen Kalbfleisch wird zu einer Mast im eigenen Land und dadurch zu weniger Exporten mit Nutzkälbern führen”, ist er sicher. Schwaiger fordert währenddessen eine Erhöhung des Transportalters von 14 auf 30 Tage. Damit dürfte er jetzt gute Chancen haben, wenngleich das Gesundheitsministerium auf europäisches Recht verweist. Zumindestens wird er bei den zuständigen Ministerien nicht mehr ausgelacht und damit konfrontiert, dass seine Forderungen nicht der Marktrealität entsprechen. Vor 10 Monaten war das noch so. Im Hinblick auf die Kontrollen könnten Live-GPS-Daten und Vorabinformationen über Transportrouten hilfreich sein.

Das 3-Punkte-Programm des Tierschutzvolksbegehrens

Auch Sebastian Bohrn Mena, Initiator des Tierschutzvolksbegehrens, macht sich Gedanken im Hinblick auf die Kälbertransportmisere. Er ist nicht gegen Verbote, meint aber, dass die alleine nichts verändern würden: “Die Kälber in den Transporten sind Symptome eines außer Kontrolle geratenen Systems. Sie werden als Abfallprodukt ins Ausland verramscht, weil es bei uns keinen Absatz gibt.” Was es seiner Meinung nach braucht? “Die Umsetzung unseres Drei-Punkte-Plans.” Was fordert das Volksbegehren? Erstens eine verpflichtende Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln in Gastronomie und öffentlichen Küchen sowie bei verarbeiteten Produkten im Handel. Außerdem zweitens eine Umschichtung der Fördergelder, Stichwort GAP-Reform, hin zu einer tier- und klimafreundlichen Landwirtschaft, sowie die Förderung der Vor-Ort-Schlachtung. Und drittens eine Bindung der öffentlichen Beschaffung an Tierwohlkriterien, so dass mit Steuergeld in Kindergärten, Krankenhäusern und Pflegeheimen nur Lebensmittel eingekauft werden, die heimischen Standards entsprechen.

http://www.tierschutzvolksbegehren.at

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