Wie aus Fritz Potocnik, der einst mit Josef Weghaupt die Marke Joseph Brot etablierte, Brotocnik wurde. Und warum er künftig auch getreidefreies Brot bäckt.

Fritz Potocnik mit dem Grundstoff seiner Produkte, dem, wie er es nennt, “göttlichen Mehl”. © Andrea Peller

Dass er immer wieder auf Josef Weghaupt angesprochen wird, mit dem er die Marke Joseph Brot aufgebaut hat, bringt Bäcker Fritz Potocnik nicht aus der Ruhe. Dass er aus der Josephschen Erfolgsgeschichte ausgestiegen ist, auch nicht. Hat er es je bereut? “Nein, keine Sekunde”, sagt Potocnik, der von 2010-2016 den ehemaligen Joseph Brot-Herstellungsbetrieb Bio-Troad als gewerblicher Geschäftsführer leitete. Wobei er sich einen Seitenhieb gegen den einstigen Weggefährten nicht verkneifen kann: “Wie man in der Realität sehen kann, ist es schwer, diese Produkte zu reproduzieren, zu kopieren bzw. weiterzuentwickeln.” Er produziere das Original, habe es ja auch entwickelt. Seit Ende November 2016 tut er das unter dem Namen “Brotocnik”, noch immer im Waldviertel und in Bioqualität, versteht sich. Mit seinem 10-köpfiges Team werkt er in Burgerwiesen nahe bei Horn. Der Betrieb ist an seinen umgebauten Bauernhof angeschlossen.

“Was die alte Bäckerei immer hergeben hat”

Dabei setzt Potocnik, der seit 40 Jahren Bäcker ist, auf das, was die „alte“ Bäckerei immer hergegeben hat. Die steht für schmackhaftes Brot, das nicht bläht, gut bekömmlich ist und eine lange Frischhaltung hat. Damit verbindet der geborene Steirer den Geschmack seiner Kindheit. „Der Duft der Küche und des Holzherdes der Großmutter war’s“, der ihm die Liebe zur Bäckerei unwiderruflich eingepflanzt habe. Dass er Bäcker wurde und nicht, wie der Vater es wollte, eine Lehre im nahen Zementwerk begann, das hat er wohl dem eigenen starken Willen zu verdanken. Doch wie genau kommt’s zu einem Brot mit Kindheits-Geschmack? “Nur mit langen Teigführungen”, sagt Potocnik: “Wir arbeiten mit Sauerteig, mit langzeitgeführten Teigen, im Süßbereich mit Süß Dampfl und mit Vorteigen.” Was langzeitgeführte Teige sind? Solche bei denen auf 140 Kilogramm Teig sechs Deka Hefe und 24 Stunden Stehzeit kommen. “Die Hefe brauchen wir ausschließlich zum Start der Fermentation, alles andere machen die Natur und der Teig allein”, sagt der Chef.

Fritz Potocnik bäckt seit 40 Jahren, seit 1999 im Waldviertel. Seine Teige sind Lebewesen, sagt er. © Andrea Peller

Chemische Zusätze wie Acerolakirsche oder Ascorbinsäure und neue Getreidesorten kommen ihm nicht in den Teig. Stattdessen setzt er auf Dinkel, Khorasan Weizen und Waldstaude. “Älter geht es gar nicht mehr”. Die Erträge für die Landwirtschaft seien bei den alten Sorten zwar etwas geringer, aber dafür die Qualität unbeschreiblich gut. Und: “Die alten Sorten haben das, was der Körper kennt.” Mehl? “Ist ein göttliches Produkt und gibt so viel her und davon gehe ich keinen Millimeter weg. 100 %  Dinkel zum Beispiel sind 100% und nichts anderes.” Gebacken werden die aktuell 20 Brotocnik-Brote doppelt, zuerst bei einer Kerntemperatur von 95 bis 97° C,  dann bei bis zu 85° C. Das garantiert die Saftigkeit der Krume und Reschheit der Kruste.

Seine Teige sind Lebewesen, sagt Fritz Potocnik. Deshalb beobachtet er auch, wie sich die verschiedenen Mehle je nach Jahrgangsqualität oder Anbauregion verhalten. Danach richtet sich, wofür und wie er sie einsetzt. Wann sie fertig gemischt sind, das weiß er, weil er den Teigen zuhört. Die Back-Ergebnisse liefert er bis nach Wien. Seit April 2018 sind sie aber auch in der ersten Filiale erhältlich, dem Brotladen im waldviertlerischen Vitis, gleich beim Appel. Potocnik blickt aber auch über den Mehlrand und engagiert er sich mit The Art of Raw sogar im Bereich glutenfreier Brote. Die Wiener haben es sich zum Ziel gesetzt, das beste getreidefreie Brot auf den Markt zu bringen. Potocnik sieht es pragmatisch: “Für mich persönlich ist das kein Thema, aber für unsere Konsumenten. Deshalb sind wir nicht verschlossen, sondern entwickeln und produzieren solche Produkte, aber auch die in bestmöglicher Qualität.”

“Wer sein Wissen nicht weitergibt, hat umsonst gelebt”

Wie man diese Qualität erreicht, das will der 62jährige weitergeben und arbeitet mit seinem Team gerade an den Plänen für eine Bäckerakademie. Schon 2016 hat er mit Buchautorin und Journalistin Elisabeth Ruckser ja die erste Waldviertler Bio-Backschule gegründet, in der Privatpersonen lernen, gutes Brot zu backen. “Wenn man sein Wissen und sein Können nicht weitergibt, dann hat man umsonst gelebt”, sagt er. Deshalb ist auch die Lehrlingsausbildung sein Steckenpferd. Wobei dahinter auch ein ganz konkreter, persönlicher Wunsch steckt. Der, dass es in jeder größeren Ortschaft wieder einen Bäcker gibt, der sein eigenes persönliches Brot für seine Kundschaft produziert. Welchen Weg das Bäckereihandwerk in Österreich künftig nehmen wird? Potocnik hofft, dass wir von den Backshopsemmeln wegkommen, die zu 60 Prozent aus China stammen, man Qualität wieder zu schätzen lernt und vor allem mit den Ressourcen sorgsam umgeht. “Es tut mir in der Seele weh, dass in Österreich 89.000 Tonnen Brot und Gebäck jährlich weggeschmissen werden und Brot zum Belagsträger verkommen ist.” Brot sei ein Lebensmittel. “Es ist noch gar nicht so lang her, da haben wir noch gebetet: . . . und gib unser täglich Brot heute. “Dort, wünsche ich mir, dass wir in fünf Jahren wieder sind.”

http://www.brotocnik.at

Brotocnik-Brote erhalten Sie hier:

https://brotocnik.at/#standorte

Brotocnik arbeitet unter anderem mit folgenden regionalen Partnern:

  • Martin Allram, Dietmannsdorf, Demeter-Bauer, Arche-Noah-Partnerbetrieb und Brotocnik-Produzent für Waldstaudekorn. www.allramdaham.at*
  • Lisa Dyk, Raabs an der Thaya, Inhaberin Erste RaabserWalzmühle, Brotocnik-Produzentin für Bio-und Demeter-Mehle. www.dyk-mill.com*
  • Christian & Sabine Rossnagl, Bio-Produktionsbetrieb für Sonnentor, Brotocnik-Produzenten für Fenchel, Kümmel und Rosmarin. www.rossnagl.at