Von der Hexenpflanze und dem Bannfluch zur Lieblingsbeilage. Anlässlich des , Tags der Erdäpfel blicken wir zurück auf eine bewegte Geschichte.

Ganze 49 Kilo Erdäpfel pro Kopf essen wir in Österreich aktuell im Jahr.  ©Unsplash

“Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass die Menschen Kartoffeln essen, wäre das ja wohl überliefert!” Begeistert waren die Europäer laut Überlieferung sichtlich nicht, als spanische Seefahrer die ersten Knollen aus Südamerika mit nach Europa brachten. Das war um 1560. Und sie hatten gute Gründe dafür: Die Kartoffeln ließen sich gut lagern und verhinderten Skorbut. Nicht weniger gute Gründe hatte man am Festland für die Ablehnung. Unterirdische, braune Knollen, die man vor dem Essen auch noch kochen musste, so was war mit keinem Wort in der Bibel erwähnt. Noch dazu ein Nachtschattengewächs. Solche “Hexenpflanzen” hatte man genug.  Bilsenkraut, Tolkirsche und Stechapfel etwa, allesamt je nach Dosierung berauschend oder tödlich. Im Übrigen glaubte man, dass essbare Früchte aus den Blüten hervorgehen. Die oberirdischen kirschgroßen Früchte der Kartoffeln aber führten zu Bauchweh, Schweißausbrüchen und Atemnot. Deshalb tat man, was man tun musste: Den Bannfluch für Nicola, Sieglinde und Co. aussprechen. Und auch, als der später gebrochen wurde, war von einem schnellen Siegeszug noch nicht zu sprechen.

Können die Tage im Sommer zu lange sein?

Ja können sie. Und damit sind wir auch beim zweiten Handicap in Sachen Erdäpfelanbau in Europa. Der ist eindeutig ein botanischer. In ihrem Herkunftsgebiet den Anden Boliviens und Perus sind die tropischen Tage nämlich sehr kurz. Unter diesen Bedingungen bilden die Kartoffel schöne Knollen aus. In Europa trifft das aber höchstens für Südspanien zu. In unseren Breiten sind die Tage im Sommer viel zu lang. Von daher scheiterten Botaniker wie Carolus Clusius in Wien oder Caspar Bauhin in Basel auch erst einmal an am Erdäpfelanbau. Alles, was sie hervorbrachten waren unregelmäßige Knollen mit Kindelbildung.

Erste bekannte Abbildung. © Hortus Eystettensis

Clusius bekam von aus Belgien 1588 zwei Kartoffelknollen geschickt, dazu eine Abbildung – die erste bekannte in Europa, und benannte die Pflanze damals mit dem Namen „Papas peruanorum“. 31 Jahre später fand sie sich dann bereits im Klostergarten des Stiftes Seitenstetten. Dort dürfte  Humanist und Agronom Wolf Helmhard von Hohberg mit ihr in Kontakt gekommen sein und liefert 1682 das erste Rezept für die Papas. „Man kocht die indianischen Papas und ißt sie warm oder auch, überbrüht und geschält, kalt mit Öl, Essig, Pfeffer und Salz.“ Sie ahnen es schon, was da bereits gekocht wurde: Erdäpfelsalat. Dennoch, sagt Lebensmittel- und Biotechnologe Helmut Reiner, hat die Einführung der Erdäpfel in der heimischen Landwirtschaft erst Mitte des 18. Jahrhunderts begonnen. Wobei es nicht einmal eine richtige Einführungskampagne gab, wie sie Friedrich der Große in Preußen gestartet hatte. Denn Maria Theresia soll zwar den Wert erkannt haben, aber in der Kartoffel-Frage eher unschlüssig gewesen sein. Warum? Reiner kennt die Antwort: “Da die Kolle nämlich nicht zehentpflichtig war, heute würde man sagen nicht besteuert wurde, so hatte die Gutsherrschaft nichts davon. Es gab sogar geistliche Gutsherren, die von der Kanzel gegen die Kartoffel predigten.” Aber die Zeit sei einfach reif gewesen und viele Landwirtschaftsfachleute hätten die neue Knolle als Erfolgsrezept gegen Armut und Hunger propagiert.

Ist die Zeit reif, kommt der Siegeszug

Der ging schließlich vom Ländle aus, sagt Reiner. “Frühe Berichte stammen aus Vorarlberg: Handwerksburschen hatten die Knollen 1735/36 aus dem Elsaß mit in den Bregenzer Wald gebracht.” Um die Mitte des 18. Jahrhunderts sei im Tiroler Zillertal der Kartoffelanbau schon sehr verbreitet gewesen. In manchen Gegenden erwies sich die Einführung auch geradezu als segensreich. Etwa, als Erzherzog Johann in der Steiermark im April des Jahres 1818 an mehr als 700 Werksarbeiter, Bauern und Holzknechte Kartoffel verteilen ließ. Denn in den Holzknechtssiedlungen der Obersteiermark war Getreideanbau schwer möglich.

Tag der Kartoffel

Kartoffel oder Erdäpfel? Zum Tag der Kartoffel fragen wir uns, wie nennt ihr die Knolle? (Deutsch für Inländer, 1963) #ORFarchiv #abgestaubt

Gepostet von ORF am Freitag, 19. August 2016

Und in Niederösterreich schließlich ging der „Erdäpfelpfarrer“ Johann Eberhard Jungblut in die Geschichte ein, weil er die Weinviertler Ortschaft Prinzendorf zu einem Zentrum des Kartoffelanbaues machte, nachdem er 1761 aus Luxemburg Erdäpfel importierte. Entsprechend gewürdigt wird das auf seinem Grabstein: “Ihm, dem Pflanzer jener Knollen, die in großer Not sich so bewährt, will die Nachwelt ihren Dank hier zollen, wenn sie seine Ruhestätte ehrt.” Und wie ging es weiter? Reiner sagt, dass sich die Erdäpfel im Laufe des 19. Jahrhunderts über ganz Österreich ausgebereitet haben. “Die Kartoffel wurde zur wichtigsten Selbstversorgerpflanze unseres Landes und hat sich damit in der Ernährungsgeschichte Österreichs einen Ehrenplatz erworben.” Und heute? Isst man in Österreich im Schnitt 49 Kilogramm Erdäpfeln pro Kopf. Zum Vergleich der Pro-Kopf-Verzehr anderer Lebensmittel: das Lieblingsgemüse der Österreicher ist der Paradeiser mit rund 29 Kilogramm pro Jahr, das Lieblingsobst der Apfel mit nur 17 Kilogramm.

Woher die vielen Namen für die Kartoffel kommen

papa: ist das älteste Wort aus der Ketschuasprache der Inkas und wurde von den Spaniern übernommen, es hat sich heute nur im Spanischen erhalten.

potato: die Engländer hatten viele Besitzungen in den karibischen Tropen, wo die Süßkartoffel, die Batate, ein wichtiges Nahrungsmittel ist. Der englische Botaniker Gerald wandelte den Namen „sweet potato“ in „common potato“, am Ende blieb im Volksmund nur mehr potato übrig. Auch das Italienische hat den karibischen Namen der Süßkartoffel auf die Kartoffel übertragen: „patata“.

Kartoffel: besonders in Italien wurde früher das Wort „tartufo“ oder „tartufolo“ verwendet. Dies ist der wertvolle Trüffelpilz, der ja genau wie die Kartoffel unter der Erde wächst und auch so ähnlich aussieht. Das Wort wurde dann abgeschliffen zu „Tartuffel“ und daraus wurde die Kartoffel. Der Name könnte also vor allem dort gebräuchlich sein, wo die Kartoffel aus Italien eingeführt wurde.

Erdapfel: ist ein in Ostösterreich viel gebräuchlicher Ausdruck. Auch das französische Wort „pomme de terre“ heißt Erdapfel. In vielen Sprachen sah man aber auch eine „Erdbirne“z.B. im Vorarlberger Dialektausdruck „Grumpera“, wörtlich „Grundbirne“. Die Bezeichnung taucht auch im kroatischen und bosnischen Wort „krumpir“ wieder auf.

(Quelle: Helmut Reiner)