Was tut man, wenn der letzte Greissler im Ort zusperrt? Man atmet tief durch und organisiert sich dann genossenschaftlich. So wie Bernd Fischer und sein Team.

Bernd Fischer aus dem oberösterreichischen Losenstein ist keiner, der schnell aufgibt. Als sich 2008 kein Nachfolger des Nahversorgers im Ort findet, springt er kurzerhand ein und führt ihn fünf Jahre weiter. Das hätte jetzt schon das Happy End dieser Geschichte sein können, wenn, ja wenn nicht 2013 am Ortsrand eine Supermarktfiliale gebaut worden wäre. Den Rest können Sie sich sicher vorstellen. Richtig, er musste zusperren. Doch diese Geschichte hat nicht das Zeug zur Tragödie. Denn Fischer hatte zu diesem Zeitpunkt schon das Konzept eines regionalen Genossenschaftsladens im Kopf und mit Kunden und Freunden auch bereits darüber gesprochen. Also tat man sich nach der Schließung zur Arge Nahversorgung zusammen, feilte weiter am Konzept und gründete eine duale Dorfgenossenschaft – die als Betreiberin des gerade entstehenden Genossenschaftsladens Ums Egg fungieren soll. Was dual heißt? “Dass Kunden und Lieferanten gleichermaßen Mitglieder und am Geschäft beteiligt sind”, sagt Fischer und setzt hinzu: “Das Geschäft dient nur als Plattform, auf der ein Austausch der Waren organisiert wird. Auch Nicht-Mitglieder sollen an drei Öffnungstagen regionale Produkte einkaufen können.” Was die Losensteiner sich so wünschen, das weiß man übrigens durch eine Umfrage an alle Haushalte: Eine Lücke zwischen Supermarkt und Bauernladen soll es sein, das Ums Egg.

Klares Ja zum Vollsortiment

Fischer sieht einen großen Vorteil in der Genossenschaft: “Dadurch dass wir unabhängig vom Großhandel sind, können wir unser Sortiment und unsere Lieferanten frei wählen.” Im Lebensmittelbereich werde man fast alles regional abdecken können. Nur was nicht in der Region wachse oder produziert werde, kaufe man überregional ein. Und da bevorzugt biologisch und aus kleinstrukturierten Betrieben, versteht sich. Doch die Mitglieder wollen mehr, ein Vollsortiment. Für Fischer kein Problem: “Es wir alles geben, was alltäglich gebraucht wird. Von der Zahnpasta bis Recycling Klopapier,  aber eben meist nur einmal und nicht in fünf Varianten. Von Allem das Sinnvollste.” 70  Prozent der Ware soll aus der Region kommen. “Damit stellen wir das übliche Sortiment auf den Kopf.”  Und was gehört sonst noch so zur Ums Egg-Idee? “Der Selbstcheckout und ein automatisches Nachbestellsystem in Kombination mit der guten alten Genossenschaftsidee und der regionalen Versorgungslogistik eines Bauernladens. Das alles in der Bequemlichkeit eines Supermarktes und bewusst im Ortskern angesiedelt.” Klingt ansprechend? Das dachten sich wohl auch all diejenigen, die das zugehörige Crowdfunding-Projekt unterstützt haben. Über 20.000 Euro wurden generiert – das ist viel für ein regionales Projekt. Finanziert wird damit die Erstausstattung an Waren.

Und der Zeitplan?

Das ist doch zu viel des Guten, denken Sie sich? Ein Plan, der ruckzuck und so problemlos aufgeht? Stimmt. Ein paar Stolpersteine gab es zu meistern. Deshalb liegt man auch etwas im Zeitplan zurück. Schließlich ist das Konzept sozusagen brandnew und da tun sich alle ein bisschen schwer, beispielsweise mit der rechtlichen Abklärung bezüglich der Öffnungszeiten für die Mitglieder. Gerade ist man in der Umbauphase, bei der sich die handwerklich Geschickten unter den Mitgliedern sehr engagieren. “Unsere Geschäftsausstattung wird liebevoll in Handarbeit und ganz individuell gestaltet. Dafür nehmen wir uns Zeit. Uns ist wichtig von Anfang an ein Mitmach-Laden zu sein umso die Verbindung der Mitglieder zu ihrem Geschäft zu pflegen”, erläutert Fischer. Etwa 70 Prozent des Umbaus ist geschafft. Parallel wird an der Technik des Kassensystems gearbeitet. Immerhin wird die Software ein wichtiges Teilstück des Projekts sein. Anfang März soll es dann die große Eröffnung geben, mit einem Filmteam, Medien und allem Pipapo.

Sie wollen jetzt auch so eine Idee verwirklichen?

Dann kann Ihnen Bernd Fischer einiges mitgeben. Etwa, dass es eine aktive, gut vernetzte Gruppe braucht und erst einmal interne Fragen zu klären sind. Fragen wie “Haben wir dieselben Ziele?” Fischer sagt: “Jeder Ort, jede Situation ist anders. Man muss schauen, was vor Ort wirklich gebraucht wird. Wer kooperativ denkt, drängt sich nicht einfach so in einen Markt.”

Wer kooperativ denkt, drängt sich nicht einfach in den Markt.

Deshalb hat man auch selbst zunächst die erwähnte Umfrage gestartet. “Der Rücklauf war sehr hoch. Das gibt Sicherheit. Das kostet noch kein Geld, nur Zeit.” Der erste Stolperstein? Ist immer die Finanzierung. Von daher rät Fischer auch zu einem Businessplan, der von einem externen Experten kritisch überprüft wird. Und wieder zu Fragen: Welchen Umsatz brauchen wir, um gut zu leben? Haben wir die Eigenmittel? Wer eine Förderung beantragen möchte, der brauche jedenfalls einen langen Atem und keine Angst vor viel Papierkram. Und selbst so? “Wir haben als Prüfstein zunächst die Grenze von 30.000 Euro Genossenschaftsanteilen gesetzt und Absichtserklärungen gesammelt. Erst als wir diese Summe erreicht hatten, waren wir uns sicher, und haben begonnen, auch Geld zu investieren.” Bleibt nur noch ein erstes Fazit. Und das fällt fast euphorisch aus: “Es ist wunderbar bereichernd, so ein Projekt in einer Gemeinschaft auf die Beine zu stellen. Ich kenne den Vergleich, denn vorher war ich als Unternehmer alleinverantwortlich”, schwärmt Fischer. Dass Entscheidungsprozesse nun länger dauern können, das wiege die gemeinsam getragene Verantwortung auf. “Viele Schultern, die mittragen, sind beruhigend. Und das ist natürlich auch wirtschaftlich sicherer. Es fördert die Kooperation und den Zusammenhalt, es fördert die regionale Kreislaufwirtschaft.” Wir sagen: Bitte nachmachen! Österreich braucht mehr Ums Eggs.

https://ums-egg.at/