Erbittertes Duell
“Handelsbashing” durch Agrar-Funktionäre. So etwas sagt man nicht ungestraft. Rund 3.300 Bauern taten heute ihren Unmut gegen Spar-Chef Gerhard Drexels Aussagen kund.
Froh sollten sie sein und bitteschön dankbar, die österreichischen Bauern. Wofür? Na dafür, mit dem Lebensmittelhandel Verträge abschließen zu dürfen.
Keine Preisdiskussion mit den Bauern
Keine Konsumententäuschung mehr
Die Bauernschaft beharrt derweil weiter auf ihre Forderungen. Auch die rot-weiß-roten Fähnchen auf Lebensmittel aus dem Ausland sind ihr ein Dorn im Auge. „Wir brauchen eine praxistaugliche Umsetzung der Primärzutatendurchführungsverordnung”, heißt es. Abgesehen davon sei man Teil der Lösung und nicht Teil des Problems, etwa bei der Bewältigung des Klimawandels, und wolle als solcher gesehen werden. Der Handelsriese aber benehme sich „wie ein Feudalherr“, dessen Dumping-Preis-Aktionen eine fehlende Wertschöpfung für qualitative und regionale Lebensmittel und die kleinstrukturierte Landwirtschaft zur Folge habe. Verbale Zurückhaltung sucht man auch hier vergebens. Bauernbund Präsident Georg Strasser nimmt angesichts eines jährlichen Spar-Konzerngewinns von 352 Mio. Euro die Worte “unehrlich und unfair” in den Mund. Bauernbund-Direktor Paul Nemecek spricht von einem unsäglichen Kampf zwischen Groß und Klein: “Rund 38.000 bäuerliche Betriebe in Niederösterreich stehen wenigen Handelsriesen gegenüber. Die Erzeugerpreise stagnieren oder sinken, während die Handelsketten riesige Gewinnspannen einstreichen.”
Sind die Bauernproteste ein ernsthaftes Signal?
Hannes Royer, Obmann des Vereins “Land schafft Leben”, sagt ja. Wach werden müsse allerdings nicht nur der Handel: „Wenn wir weiterhin Lebensmittel aus Österreich konsumieren wollen, müssen wir uns wieder als Teil ein und desselben Systems betrachten. Dazu gehören Bauern, Verarbeiter, Handel, Tourismus und Konsumenten. Es geht dabei nicht um eine reine Preisdebatte, sondern um ein Überdenken unserer Werte, unserer Konsumkompetenz und dessen, was ein partnerschaftliches Miteinander innerhalb eines Systems ausmacht“, so Royer. Die Politik habe dabei die unterstützende Aufgabe einzunehmen, unsere Lebensmittelproduktion zukunftsfähig auszurichten. Dazu gehöre eine ökologisch-ökonomische und zukunftsvisionäre Landwirtschaft, aus der mit Selbstverständnis nachgefragt und konsumiert werde.
Über Konsumentenmacht und Verantwortung
Auch die Konsumenten nimmt Royer ins Visier. Tatsächlich sind diese gefragt, aber offenbar nicht bereit, das große Geld für Lebensmittel auszugeben. Lediglich 9,7 Prozent des Haushaltseinkommens buttert man im Schnitt in Lebensmittel. Royer appelliert, sich der Machtrolle bewusst zu werden und nachzudenken, was einem heimische Lebensmittel wert sind. Dabei gehe es nicht nur um den Preis, sondern auch um unseren Lebensraum, soziale Standards, Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz. Royer sieht aber auch alle Teilnehmer der Wertschöpfungskette in der Verantwortung. Das Grundübel? Lasse sich in “Geiz ist geil” zusammenfassen. Der Handel baue seit Jahrzehnten seine Werbestrategie darauf auf. “Damit spricht er jene Areale im Konsumentenhirn an, die noch immer nach Steinzeitlogik funktionieren. Mit der Aussicht auf leichte und billige Beute lockt der Handel den Urmenschen im Konsumenten ins Geschäft. Das ist die einfache aber funktionierende Logik hinter den ausufernden Aktionen. Werte und bewusstes Kaufverhalten werden dabei über Bord geworfen.” Das Problem? Innerhalb dieser Logik habe die heimische Lebensmittelproduktion mittel- bis langfristig keine Überlebenschance. Noch dazu bei unseren hohen Produktionsstandards. Die belege übrigens auch eine jüngst veröffentlichte internationale Studie der Zeitung The Economist, die Österreichs Landwirtschaft als die nachhaltigste unter 67 untersuchten Ländern ausweist. Gibt es noch Aussichten auf ein Happy End? Könnte sein. Fakt ist jedenfalls: Die europäische Welle an Bauernprotesten ist jetzt auch in Österreich angekommen.