Ein Insektenmonitoring auf elf landwirtschaftlichen Flächen in Österreich zeigt, dass Bauern deren Lebensräume mit simplen Maßnahmen erhalten könnten.

Das hier ist ein Kleiner Pirat (Piratula latitans). ©Christian Komposch, Ökoteam

Eine Million Insektenarten gibt es auf der Welt. Die meisten davon kennen wir gar  nicht. Oder ist Ihnen schon mal eine Haken-Schilfspornzikade begegnet? Eine Schilf-Weichwanze vielleicht? Nein? Eben. Konzentrieren wir uns also auf die Zahl. Angesichts der erscheint nicht nur die eigene Spezies in einem neuen Licht, sondern auch die Aussage, dass unser Ökosystem bei einem Insektensterben gleich mit den Bach runtergeht. Also heißt es? Richtig, das Insektensterben stoppen. Dazu muss man aber erst einmal den aktuellen Status Quo kennen und wissen, wie man die Arten unterstützt, statt sie auszurotten. Die Initiative Blühendes Österreich fragte sich genau das. Eine erste Antwort gab ein zoologisches Monitoring auf elf heimischen landwirtschaftlichen Flächen auf Insekten- und Spinnenvielfalt. Das Ergebnis lässt den Hausverstand nicken. Die Form der Bewirtschaftung wirkt sich  massiv auf die Artenvielfalt aus. Bei Bio fühlen sich auch ökologisch anspruchsvolle und seltene Zeigerarten wohl, wie etwa die Spinne „Kleine Pirat“ oder Raubwanzen. Auf Intensivobstplantagen kommt nur vor, wer wenig anspruchsvoll ist und eine häufige Art.

Von Wanzen, Zikaden und verhaltenem Jubel

Gesucht wurden Wirbellose wie Heuschrecken, Wanzen, Spinnen und Weberknechte. Und das nicht ohne Grund. Sie sind ideale Bioindikatoren für die Untersuchung der Artenvielfalt. Einerseits reagieren sie hochsensibel auf Veränderungen in der Bewirtschaftung, andererseits misst deren Vorkommen und Artenvielfalt auf einer Fläche den ökologischen Wert einer Landschaft.  Bei den Flächen der Studie ist er groß. In Summe wurden 395 Tierarten registriert: Davon satte 144 Wanzenarten (mit knapp 4.000 Individuen) und 113 Zikadenarten (mit knapp 6.400 Individuen). Auf den Plätzen folgen 98 Spinnenarten (mit mehr als 1.800 Individuen), 36 Heuschreckenarten und vier Weberknechtarten.

Streuobstwiese in Siegersdorf, Stmk, mit vielen Arten ©E. Huber, Ökoteam

Intensivobstplantage mit geringer Artenvielfalt ©Thomas Friess, Ökoteam

Premieren gab es auch: Auf einer verschilften Überschwemmungswiese bei Hörersdorf  in Niederösterreich wurde erstmals die Haken-Schilfspornzikade und die Schilf-Weichwanze nachgewiesen, die in Mitteleuropa extrem seltene Raubwanze und die Große Reitgraszirpe zum zweiten Mal. Für Lydia Schlosser vom ausführenden Ökoteam ist das aber kein Grund zum Jubeln.

„Die Erstnachweise sind erfreulich, doch Erstnachweise gibt es nur, weil in Österreich kaum seriöse Datenerhebungen zum Insektensterben oder der Artenvielfalt durchgeführt werden.”

Die Entdeckungen rarer Insektenvertreter freuen allerdings auch sie. Einer davon ist beispielsweise der kleine Pirat, eine besondere Spinne, die in Niederösterreich auf der Fläche des Vereins für Landschaftspflege gesehen wurde. Seine Bestände sind in ganz Österreich rückläufig, was mit der Trockenlegung von Feuchtlebensräumen, Düngung und der Entwässerung von Mooren zu tun hat. Was man dazu tun kann, dass gefährdete Insekten der Welt erhalten bleiben? Ziemlich viel, ziemlich unaufwändiges. Landwirt Manuel Denner etwa setzt auf “einfache Maßnahmen, wie standortgerechte Bewirtschaftung oder das Anlegen von artenreichen Blumenwiesen”.  Denner ist einer von 130 weitere Betrieben, die von Blühendes Österreich über dessen Programm Flora gemeinsam mit BirdLife Österreich unterstützt werden.

Und wie geht es weiter?

Die jetzt publizierte Studie soll auch dazu dienen, die Entwicklung der Artenvielfalt auf den untersuchten Wiesen in den nächsten Jahren zu beurteilen. Herausfinden will man auch, welchen Einfluss die ökologische Bewirtschaftung hat und wie wirksam Maßnahmen gegen das Insektensterben sind. Was passiert etwa, wenn man heimische Wildblumen auf Intensivobstbestand sät oder wenn man dort auf Dünger verzichtet? Welche Arten kehren zurück, wenn Bewirtschafter Bergwiesen von Fichten befreien oder Magerwiesenbrachen durch die Beweidung mit Schafen vor Verbuschung bewahrt werden? Gábor Wichmann von BirdLife Österreich bringt die Sache so auf den Punkt: „Die im Zuge dieser Studie exemplarische Flächenauswahl wird uns zwei-jährlich wissenschaftliche Ergebnisse über die Weiterentwicklung liefern.” Durch die nachhaltige Pflege der gesamten Flächen erhoffe man sich eine Verbesserung der Biodiversität. Hoffnung hat er jedenfalls: “Wir wissen, dass die Natur sehr dankbar ist. Haben Tiere und Pflanzen genug Lebensraum, kehren sie rasch zurück.”

Über Blühendes Österreich Blühendes Österreich unterstützt über sein Programm Flora seit 2014 österreichweit 130 landwirtschaftliche Betriebe, Vereine und Gemeinden beim Schutz und Erhalt wertvoller ökologischer Flächen in Höhe von 570 Hektar. Bis 2022 sollen 1.000 Hektar langfristig abgesichert werden. www.bluehendesoesterreich.at 

Über BirdLife Österreich BirdLife Österreich setzt sich für den Vogel- und Naturschutz in Österreich und grenzüberschreitend ein und verwirklicht wissenschaftlich fundierte Natur- und Vogelschutzprojekte in den vier Kernbereichen: Artenschutz, Lebensräume, Nachhaltigkeit und Bewusstseinsbildung. www.birdlife.at